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Thema: [Literatur] Das Ende des Bewusstseins

  1. #1

    [Literatur] Das Ende des Bewusstseins

    Und so waren wir die letzten beiden Menschen auf der Welt. Wir versuchten und fortzupflanzen, lange Tage wälzten wir uns ineinander, im Schlamm und auf der trockenen Erde, aber es klappte nicht, es konnte nicht klappen, wir waren zwei Frauen.
    Und so mussten wir uns eingestehen, dass es nach uns niemanden mehr gab, dass nach uns die Welt enden würde, denn da war niemand mehr, der sie wahrnehmen könnte und so endet das Bewusstsein mit uns. Doch dem Bewusstsein wurde etwas Bedeutendes bewusst.
    Und so mussten wir einsehen, dass die Welt auch nach uns noch existieren würde, denn es war ihr egal ob wir da waren oder nicht, und so schmolz unsere Bedeutung wieder auf ein sehr bescheidenes Maß.
    Trotzig wühlten wir in den letzten Trümmern und suchten nach Dingen, die wir längst vergessen hatten, die uns aber bedeutsam machen sollten. Wir fanden nur Vergessen und schließlich wussten wir nicht mehr was wir suchen wollten, und so fühlten wir beide uns schmerzhaft entzweigeteilt, so dass wir nun schon zu viert waren.

    Erneut wälzten wir uns auf dem Boden um die Bruchstellen irgendwie wieder zu flicken, es funktionierte kurz, da waren wir eins, doch dann fielen wir wieder in die vier Teile auseinander. Sie begann Sekunden zu zählen, weil es nichts mehr gab außer Sekunden, Minuten, Stunden, Tage.Ich blickte sie lange an, ihr Gesicht war starr vor Dreck, sie wusch sich nicht mehr, vielleicht blickte ich auch in einen Spiegel und ich war diejenige die sich nicht mehr wusch. Niemand konnte es mir erklären weil wir die letzten beiden Menschen auf der Welt waren und sie sprach schon lange nicht mehr.
    Die Sonne strahlte hell und gleißend durch uns hindurch. Wir wussten bald nicht mehr, ob wir überhaupt noch da waren, so aufgelöst und transparent fühlten wir uns. Die Tage vergingen, die Nächte waren kalt. Sie erbrach auf den Boden und ich hatte jedesmal Angst, sie könnte zu viel von sich verlieren. Auch wenn sie sich nicht mehr wusch, auch wenn wir aufgehört hatten uns ineinander zu wälzen, auch wenn wir uns gleichgültig anblickten, so war sie doch mein letztes Gegenüber.
    Doch sie verlor nichts, sie gewann mit der Zeit immer mehr, schwoll an und ging auf wie ein Hefeteig. Und dann wurden wir drei. Ein Junge, sagte sie. Für mich sah es aus wie ein mit Dreck verschmiertes Bündel. Eines Tages würde eine von uns sich mit ihm im Dreck wälzen, um zu vergessen wie wenige wir waren. Um wieder mehr zu werden.

    Doch bald darauf starb das Bündel. Sie erschlug es mit einem großen Stein, weil sie es nicht ertragen konnte, dass er uns retten sollte, dass er nur deshalb lebte weil er uns retten sollte. Und so war er tot und konnte niemanden mehr retten und wir waren wieder zwei und irgendwann würden wir gar keiner mehr sein. Sie weinte lange wegen dem Bündel.
    Ich grub ihr mit bloßen Händen ein Loch, in das sie ihn und die Erinnerung hineinlegen und vergraben könnte. Doch das Loch war zu groß und so legte sie sich zusammen mit ihrem Kind in das Loch und ich schaufelte Erde auf die beiden. Ich begrub das Kind und die Erinnerung, die so fest in ihrem Kopf steckte, dass ich sie mitbegraben sollte.
    Dann war ich allein und ich starrte noch mehr vor Dreck. Ich legte mich auf den Boden und schlief ein und stand auf und schlief wieder ein. Es ging noch sehr lange so.

    Und dann erlebte ich das Ende des Bewusstseins. Es kam bevor ich starb, da wurde ich zum Tier. Ich kroch, ich fraß, ich brach, ich kratzte, ich jaulte, ich floh, ich wühlte, ich wälzte, ich jagte, ich heulte, ich schlief.


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    Eine kleine Kurzgeschichte von mir. Kommentare sind natürlich erwünscht.
    Achja, und hallo, ich bin relativ neu hier.

  2. #2
    Hallo, willkommen im Forum.

    Deine Geschichte sagt mir irgendwie nichts. Ich kann nicht behaupten, ich würde sie jetzt besonders schlecht oder gut finden, sie sagt mir einfach nichts. Du handelst eine relativ lange erzählte Zeit in einer relativ kurzen Erzählzeit ab, und auch, wenn das manchmal ein nettes Stilmittel ist, wirkt es in diesem Fall extrem gestaucht. Deine Figuren haben irgendwie keinen Charakter, sie sind völlig leblos, es liest sich eher wie 'ne Beschreibung einer Begebenheit, aber nicht, wie eine Geschichte. Kraß fand ich zum Beispiel auch den Bruch, wo sie auf einmal das Kind erschlägt. Das war so … random. Irgendwie sehe ich auf einmal keinen Grund, warum das passiert. Das liegt natürlich auch daran, daß Deine Figuren keinen Charakter haben, an dem ich mich festhalten kann, und demnach für mich, den Leser, nicht nachvollziehbar sind.

    Deine Sprache ist aber generell gut lesbar, finde ich. Du hast von der Wortwahl auch durchaus Potential, auch wenn Du an einigen Metaphern noch mal arbeiten solltest.
    Zitat Zitat
    Doch sie verlor nichts, sie gewann mit der Zeit immer mehr, schwoll an und ging auf wie ein Hefeteig.
    Da mußte ich echt lachen. Der Hefeteig ist in dem Fall der Situation absolut nicht angemessen, die Metapher eine üble Stilblüte. Versuch lieber, was zu finden, was Deiner generell etwas feineren Wortwahl und Satzbau gerechter wird.

    Noch ein paar formale Sachen:

    Bitte gewöhne Dir ab, Sätze mit “und” anzufangen, das ist schrecklich. Mal kann man das natürlich tun, aber nicht am laufenden Band. In dem Fall ist es oft besser, den Satz als Nebensatz an den vorherigen anzuschließen. Das ist übrigens nicht nur bei den Sätzen auf “und” so. Du hast in Deinem Text einige Nebensätze als eigenständige stehen. Das wirkt auf Dauer aber relativ anstrengend und stilistisch unschön (zumindest auf mich, vielleicht sehen andere das anders). Das Extrembeispiel ist das hier:
    Zitat Zitat
    […] um zu vergessen wie wenige wir waren. Um wieder mehr zu werden.
    Warum steht der letzte kleine Teil als eigener Satz da? Wenn Du 'ne stärkere Trennung als ein Komma möchtest, dann bau ein Semikolon ein (Aktion: rettet das Semikolon! Ein unterschätztes Satzzeichen möchte nicht sterben. ).
    Hinter “vergessen” fehlt übrigens ein Komma. ^^

    Dahingegen solltest Du an anderer Stelle auch mal lieber 'n Punkt als ein Komma setzen. Zum Beispiel hier:
    Zitat Zitat
    Wir versuchten und fortzupflanzen, lange Tage wälzten wir uns ineinander, im Schlamm und auf der trockenen Erde, aber es klappte nicht, es konnte nicht klappen, wir waren zwei Frauen.
    Da würde ich vor dem “es konnte nicht klappen” einen Punkt machen und ein neuen Satz anfangen. Ich sehe ich dem Fall keinen Grund, warum Du die beiden Hauptsätze verbinden solltest.

  3. #3
    Also die Kritik zum Satzbau würde ich eigentlich sogar fast verneinen, ich finde den Einsatz der formalen Mittel einfach toll.

    Sätze mit "Und" zu beginnen, ist eine viel stärkere Ausdruckshaltung, als die Sätze ohne einleitenden Konnektor stehen zu lassen. Lies dir mal diese beiden - gerade von mir in wenigen Sekunden erdachten - Abschnitte durch:

    Zitat Zitat
    Und sie liebten sich. Und sie waren glücklich. Und dann kam der nächste Tag. Und sie bereuten, was sie getan hatten.
    Zitat Zitat
    Und sie liebten sich und waren glücklich und dann kam der nächste Tag und sie bereuten, was sie getan hatten.
    Die Erzählzeit wird durch voneinander getrennte Hauptsätze viel besser gestreckt. Auch bei getrennten Nebensätzen ist das gut. Denn man hat einen abgeschlossenen Gedanken; Zeit, Gedanken zu entwickeln. Deswegen muss man manchmal Sätze mit Konjunktionen beginnen, auch wenn es normalerweise als Stilbruch gilt.
    Gerade diese zwei "um..."-Sätze haben so deutlich mehr Ausdruckskraft.

    Ganz anders ist das bei dem Satz:
    Zitat Zitat
    Wir versuchten und fortzupflanzen, lange Tage wälzten wir uns ineinander, im Schlamm und auf der trockenen Erde, aber es klappte nicht, es konnte nicht klappen, wir waren zwei Frauen.[...]
    Was gänge, wäre ein Punkt nach dem ersten Hauptsatz, denn der steht als formale Tatsache völlig allein. Bei der Sache, ob es nun klappt oder nicht, würde der Punkt aber sogar die Implikation der Teilsätze verändern. "aber es klappte nicht, es konnte nicht klappen" korrigiert sich in seinem ersten Gedanken selbst - ich finde, das trägt zu einem sehr lebendigen Stil bei. Würde man das auseinanderposamentieren, verbliebe nur noch der begründende Inhalt: "Es konnte nicht klappen, weil wir zwei Frauen waren."

    Daher wie gesagt: Formalistisch finde ich das ganz gut eigentlich.


    Was ich ein bisschen schade finde, und was auch irgendwie mit Ranmarus Kritik an den Charakteren einhergeht, ist, dass du dann doch zu einfach schreibst. Wenn du schon auf den Erdboden des Existenzialismus stößt - was ja außerordentlich lobenswert ist, das haben wir hier viel viel zu selten -, dann musst du das vor allem stilistisch umsetzen. Einiges kommt sehr schön raus, beispielsweise der Drang nach Fortbestehen, bevor man sich seiner sterblichen Winzigkeit gegenüber der Ewigkeit der Welt gewahr wird, so als letztes Menschenpaar auf Erden, oder das Übergehen der eigenen Existenz in Quantifizierung, 2, 4, zu viel oder zu wenig, oder die Erkenntnis, dass Sinngabe kein ernstzunehmender Sinn ist.

    Du hast sehr schöne, relevante Elemente hineingebracht und vieles deutet auch auf noch mehr hin, was ich jetzt aber in der Kürze der Zeit nicht zu durchdringen vermag. Die teilweise wirklich vorhandene Leere der Charaktere wirkt dem sehr zuträglich, man ist auf die Objektivität marginalisiert und damit dazu gezwungen, selbst zu empfinden. Vermutlich unterstreicht es auch die Sinn- und Weltenleere sehr schön, weil sich beides im Inneren wiederspiegelt.

    Du teilst hier wirklich hübsche und wünschenswerte Erkenntnisse mit uns und ich bin froh, dass hier noch zu nachtschlafender Zeit gelesen zu haben. Mein Anschub für das nächste Mal bleibt aber: Du musst das noch mehr in Stil verpacken, reine Schilderungsebenen sind solcher Thematik abträglich und höhlen sie zu sehr aus. Dann schreib lieber kurzer und verdichteter, aber niemals hohl. (also... "hohl" im allegorischen Sinne nicht im Sinne von "Das ist ja sowas von hohl!" im Sinne von "Der ist ja sowas von blöd!")

  4. #4
    Erstmal danke für die Ehrlichkeit. Ich war mir selbst nicht sicher wie viel man davon versteht, weil ich das ganze letzte Nacht in einem Anflug aus Kreativitätsdrang geschrieben habe. Dass es offenbar nicht so funktioniert hat ist natürlich ein wertvoller Hinweis.
    Wobei ich jetzt auch nicht weiß was ich gegen meinen Stil machen soll, ich glaube ich bin dafür beim Schreiben zu wenig ehrgeizig, bzw strebe damit nichts weiter an, als dass ich mich da an irgendwas anpassen wollte.

    Inwiefern ist denn der Hefeteig eine Stilblüte? Ich mag ihn irgendwie und wenn er dich zum lachen gebracht hat, Ranmaru, dann war er ja wenigstens zu was nütze. Nein, ernsthaft, ich finde es sieht einfach so aus wie wenn ein Hefeteig aufgeht, für mich hat das was ganz natürliches. Ich hab vielleicht ein komisches Sprachgefühl, das kann natürlich sein.

    Danke auch dir, Mordechaj. Ich habe das Gefühl, bei dir ist die Geschichte sogar ganz gut verstanden worden. In Stil verpacken liegt mir leider nicht so, hab ich manchmal so das Gefühl, ich schreibe leider gerne reduziert, und in den letzten 3 Jahren sogar so reduziert, dass kein einziges Wort dabei rumkam. Naja, wie auch immer. Vielleicht schreibe ich irgendwann mal was stilvolleres, hier bei der Geschichte hatte ich immer das Gefühl es muss ausgehöhlt wirken weil es ja darum geht und da war mir jedes Wort zuviel. Dass es nicht so gewirkt hat wie ich wollte ist natürlich Fehler der Autorin, danke deshalb auch dir für den Hinweis.

    Ich werd mich wahrscheinlich nicht bessern, aber es war höchst interessant zu erfahren wie viel angekommen ist.

  5. #5
    Zitat Zitat von Elam Beitrag anzeigen
    hier bei der Geschichte hatte ich immer das Gefühl es muss ausgehöhlt wirken weil es ja darum geht und da war mir jedes Wort zuviel. Dass es nicht so gewirkt hat wie ich wollte ist natürlich Fehler der Autorin, danke deshalb auch dir für den Hinweis.
    Nunja, ich würde es nicht direkt als Fehler oder sowas werten - Fehler sind beim Schreiben sowieso nur die groben Schnitzer und No-Gos, du hast dich an beidem nicht schuldig gemacht. Es ist einfach so, dass diese Ausgehöltheit schnell dazu führt, dass der Leser sich von dir im Stich gelassen fühlt, es ist einfach zu wenig bildlich, als dass es nicht anstrengend wäre. Nun bin ich ein Vertreter der Auffassung, dass Literatur konsequent anstrengend sein muss, um was wert zu sein, andererseits bin ich als Schreiber der ultimative Verfechter von Bildhaftigkeit, an viel mehr gemeinsamen Wortschatz mit dem Leser kann man sich nämlich selten klammern. Es ist eine sehr durchdachte Variante, dieses Gefühl von Leere in den übergeordneten Stil zu integrieren, allerdings läufst du dabei schnell Gefahr, ins dokumentarische abzugleiten. Wo dir jedes Wort zu viel ist, pack diesen übergeordneten Sinneseindruck doch in die Form ein - da ist er auch viel besser aufgehoben, Formansprüche stellt dein Leser selten und abgesehen davon hebt sich das Ganze dann auch etwas ab, weil es nicht das alte Dahergeleier von Hypotaxe ist. Noch kürzere Sätze. Noch mehr Ausdruckskraft. Es geht hier schließlich um den Grundbestand des Menschseins, da braucht man wenig Syntax und Abstraktion.

    Die Verlagerung der Sinneswelt auf den formalen Aufbau würde dir auch mehr Flexibilität geben, weil die Form situationsbeding schon aus sich heraus von je variiert, die Stilebene bleibt aber in der Regel für einen ganzen abgeschlossenen Text dieselbe.

    Zitat Zitat
    Ich werd mich wahrscheinlich nicht bessern, aber es war höchst interessant zu erfahren wie viel angekommen ist.
    Mal so gesehen: Selbst wenn du dich noch ein Stück verschlechterst, dein Denkniveau ist immer noch mit Abstand das Beste, was ich hier bisher in künstlerische Form verpackt gesehen habe (und es dürfen Leute Bücher bei großen Verlagen veröffentlichen, die um Welten geringeres Denkvermögen bringen). Abgesehen davon könntest du dich auch nur verbessern, indem du deinen eigenen Ansprüchen noch mehr genügst, und wenn du die im Moment ausgefüllt siehst, dann wäre ich an deiner Stelle sehr zufrieden. Wir können hier letzten Endes auch nur Ratschläge und Anregungen geben, du weißt schließlich und offensichtlich selbst sehr gut, was woher kommt und was du wie und aus welchen Gründen so oder so angelegt hast. Was du letztendlich davon wahrnimmst, ist und bleibt deine ganz persönliche Sache und das Niveau, welches zu erreicht hast, gilt es erstmal nachzumachen.

    Insofern: Bitte mehr, wenn möglich! =3

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