Ich bin kein allzu großer Freund von SaaS. Ja, SaaS (Software as a Service); Cloud Computing ist effektiv nur SaaS mit einem hübscheren Namen. Letztenendes läuft es darauf hinaus, daß ich missionskritische Software (oder Server, auf denen diese läuft) anmiete und mich darauf verlassen muß, daß der Anbieter schon dafür sorgt, daß alles läuft. Überlegen wir mal, welche Probleme Firmen damit haben können...

• Das Internet garantiert weder Performanz noch Verbindungsqualität noch Uptime. Ich kann zu keinem Zeitpunkt wissen, ob mein Traffic mit einer gewissen Bandbreite oder Latenz abgewickelt wird oder nicht. Ich kann auch nicht mit Sicherheit sagen, ob der Dienstleister zu einem gegebenen Zeitpunkt überhaupt routbar ist (ein Peering-Konflikt zwischen meinem ISP und dem des Anbieters kann mich beispielsweise komplett vom Anbieter abschneiden).
• Die ISPs garantieren weder Performanz noch Verbindungsqualität. Außerdem wird meine garantierte Uptime durch ihre garantierte Uptime beschränkt: Meine IT-Abteilung kann nicht 99,999% Verfügbarkeit der Firmendaten garantieren, wenn der ISP nur bereit ist, mir 99,9% Verfügbarkeit der Verbindung zu garantieren.
• Falls ich vom Hoster angebotene Software benutze (wie beispielsweise Google Apps), so habe ich keine Kontrolle über die verwendete Version der Software. Falls ich andere Software habe, die mit dieser Software verzahnt ist, so kann dies zu unlösbaren Kompatibilitätsproblemen führen. Es ist weder produktiv noch profitabel, kritische Teile des Workflows neu entwickeln zu müssen.
• Das Einzige, was meine Daten schützt, ist die Ehrlichkeit des Hosters und dessen Sicherheitsvorkehrungen. Dazu kommt noch, daß alle meine Daten über ein öffentliches Netzwerk übertragen werden, das explizit als nicht vertrauenswürdig gilt. Verschlüsselung schützt zwar, allerdings nicht so gut wie wenn ich die Daten gar nicht erst verschicke. Falls der Hoster es nicht wirklich ernst mit der Sicherheit nimmt, könnte ein man-in-the-middle-Angriff zum richtigen Zeitpunkt die gesamte Sicherheit der Verschlüsselung aushebeln.

Ich soll also meine kritischen Daten, an denen das ganze Unternehmen hängt, über ein explizit nicht vertrauenswürdiges Netzwerk unsicherer Geschwindigkeit, Stabilität und Verfügbarkeit an einen Dienstleister schicken, dem ich einfach vertraue, daß er absolute Integrität besitzt und hervorragende Sicherheitsmaßnahmen ergreift? Und falls der Dienstleister, sein ISP, mein ISP oder irgendetwas dazwischen einen Ausfall hat, kann mein halber Betrieb seine Arbeit nicht tun? Und all das, um meine IT-Abteilung billiger zu machen?

Und als Privatperson habe ich noch weniger Anreize. Ich habe keine billiger werdende IT-Abteilung. Die angebotene Software gibt's auch gratis für den Rechner zuhause und hat da sogar den Vorteil, daß ich sie im Zug benutzen kann, ohne einen UMTS-Stick besitzen zu müssen. Und ich muß mich nicht darauf verlassen, daß Google niiiiiemals etwas unerwünschtes mit meinen Daten anstellt.


Ich sehe in Cloud Computing einfach keinen Sinn. Das gilt auch für OnLive – sicher, ich brauche vielleicht keine Konsole. Aber ich brauche ein mit dem Spiel kompatibles Eingabegerät und eine sehr schnelle Internetverbindung. Und die hat immer noch keine garantierte Mindestbandbreite, also kann ich zu Stoßzeiten vermutlich nicht in hoher Auflösung spielen. Und wenn OnLive es nicht mehr für profitabel hält, wird mein Spiel vermutlich nicht mehr unterstützt.

Nebenbei hat Jerry Holkins (Tycho von Penny Arcade) es wohl schon getestet, IIRC. Er meinte wohl, daß OnLive an Latenz leidet. Für Sachen wie Rennspiele oder Adventures geht's wohl noch, aber Actionspiele funktionieren einfach nicht, weil die durch das Internet verursachten Verzögerungen (ich sehe alles erst einige Hundertstelsekunden später und meine Eingaben sind ebenso verzögert) es unmöglich machen, schnell zu reagieren.

Wenn wir alle Gigabit-Internet mit garantierter Mindestgeschwindigkeit von 500 Mb/s, garantierter Latenz von unter 10 ms und garantierter Uptime von 99,999% (maximal 5m16s Downtime im ganzen Jahr) hätten, dann würde Cloud Computing etwas mehr Sinn machen. Dann müßte man nur noch dem Anbieter vertrauen können...