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Ich will auch nochmal mitmachen. Hier die Geschichte.
Die Geschichte von dem Mädchen und dem Jungen mit dem Baum auf dem Kopf
Es war einmal ein Junge, der hatte sich in ein Mädchen verliebt. Sehr. Sehr, oh, so sehr, doch: Sie nicht so. Nicht so sehr. Schon ein bisschen. Kein großes, ein sehr kleines, sehr, sehr kleines bisschen. Und das kleine Bisschen biss ihr ins Ohr und flüsterte mit einer hohen, unerträglichen Stimme Gemeinheiten hinein die manchmal bis in ihr Herz drangen und weh taten. Das war nicht schön. Jedenfalls nicht sehr.
Dem Mädchen tat der Junge leid der sich da so sehr verliebt hatte und so bat sie ihn auf ihre Yoga Matte und sagte: Lass uns Freunde sein. Aber der Junge sagte nein.
Eine Weile war das Mädchen etwas verwundert aber nach dieser Weile hörte das Bisschen auf zu beißen und sie konnte ihr Leben wieder leben wie zuvor. Nur der Junge saß nun weiterhin wie vorher ganz allein in seinem Zimmer und trauerte um das Mädchen, das er nicht hatte haben können, nicht so wie er das wollte, gewollt hatte, weiterhin wollen würde. Die Jahreszeiten zogen durch das Land. Der Frühling flog davon, der Sommer setzte sich bequem auf die Welt und wurde rüde weggestoßen vom Herbst, der den Weg ebnete und platt trampelte für den Winter, der mit strammem, militärischem Schritt und klirrender Kälte Einzug hielt. Das wurde dem Mädchen zu kalt und sie zog weg aus der Stadt mit dem Jungen der sie liebte. Sie zog in ein fremdes Land, denn der Junge war ihr egal geworden und ihr Leben war ihr leider kaputt gegangen, als sie es unachtsam vom Tisch gefegt hatte mit dem viel zu weiten Ärmel ihres schönsten Sommerkleides. Ein zerbrechliches Ding, so ein Leben. Um sich ein neues zu finden war sie jedenfalls sicher, weit weg zu müssen. Sehr weit. Sehr.
Und der Junge? Er vergrub sich tief in die Erde und trauerte sieben Monate lang allein.
Eh er sich’s versah war aus dem Kopf des Jungen ein Baum gesprossen. Die Wurzeln tief verankert im schwarz getrauerten Herz des jüngst der Pubertät Entsprungenen und so waren auch die Früchte des Baumes bitter und schwarz. Wer glaubt, dass diese deswegen nicht zum Verzehr genommen wurden liegt falsch, was nur daran liegen kann dass er oder sie noch nie eine Tasse guten Kaffees getrunken hat.
Die schwarzen bitteren Früchte vom Baum auf dem Kopf des traurigen Jungen, der immer noch zusammengekauert unter der Erde saß, entwickelten sich zu einem wahren Verkaufsschlager. Die Leute bissen in das sabschige, klebrige Fruchtfleisch, der schwarze Saft lief ihnen das Kinn hinunter und sofort durchströmte sie eine Geschichte von unnötigem Herzschmerz und unfassbar viel Selbstmitleid. Sämtliche Seifenopfern und Telenovelas wurden augenblicklich abgesetzt weil sie von niemandem mehr gebraucht wurden. Hunderte von Schauspielern wurden arbeitslos und depressiv. Viele von ihnen buddelten sich aus Verzweiflung in die Erde ein. Auch aus ihren Köpfen wuchsen nach jeweils sieben Monaten Bäume mit der schwarzen Frucht. Der Saft der schwarzen Frucht verdrängte schnell sämtliche andere Softdrinks vom Markt. Etwas Zucker und viel Kohlensäure wurden hinzugefügt und fertig war die perfekte Depressionsauffrischung. Tausende Angestellte der Coca Cola Company wurden überflüssig, arbeitslos, depressiv und viele buddelten sich ein.
Die schwarze Frucht breitete sich aus. Viele ihrer Konsumenten verfielen bald ihrer düsteren Stimmung und wurden ebenfalls Produzenten. Immer weitere Teile der Bevölkerung verschwanden unter der Erde. An der Oberfläche lebte bald nur noch eine Minderheit und die Angehörigen dieser Minderheit wurden immer einsamer und depressiver bis es auch die letzten derer, die unter der Sonne wandelten unter die Erde trieb. Ein ganzes Land war unter einem Wald aus Bäumen voller schwarzer Früchte verschwunden.
Das Mädchen derweil erlebte vielerlei große Abenteuer in dem Land weit weg. Sie kämpfte gegen Drachen und befreite entführte Prinzen, die sie für gewöhnlich danach sofort heiraten wollten, was sie stets dankend ablehnte. Aus den Häuten der Drachen fertigte sie wunderschöne Jacken für Rocker mit Stil und aus dem Blut der Drachen machte sie Wein und Körperlotionen die ihr Ruhm und Reichtum einbrachten. Von ihrem Reichtum kaufte sie sich ein riesengroßes Schloss und einen Hofstaat zu ihrer Unterhaltung. Ein Spielmann spielte ihr jeden Tag die schönsten Lieder und ein Narr erzählte schlechte Witze über deren politische Inkorrektheiten sie sich aufregen konnte. Das war gut für das Herz.
Nun, da sie nicht mehr kämpfen musste und eigentlich gar nichts mehr nötig hatte, begann sie, sich zu langweilen. Also entsendete sie Boten in alle Länder der Welt, die ihr Wunder und Geheimnisse der Ferne finden und mitbringen sollten. Einen dieser Boten verschlug der Zufall in das Heimatland des Mädchens. Er pflückte einen Korb voll schwarzer Früchte und kehrte zum Schloss zurück, um dem Mädchen seine Entdeckung zu präsentieren. Er ahnte ja nicht, dass die Früchte die er geerntet hatte ausgerechnet vom Kopf des Jungen kamen, der noch immer um das Mädchen trauerte.
Der Bote hatte den Baum auf dem Kopf des traurigen Jungen vollkommen leer geerntet. Keine einzige Frucht hing mehr in den Zweigen. Mit der letzten schwarzen Frucht war auch die Traurigkeit aus dem Jungen gewichen und er grub sich einen Weg zurück an die Oberfläche. Unter der Sonne, die ihn so lange vermisst hatte, und in dem wunderschönen Wald der plötzlich um ihn gewachsen war umfing ihn auf einmal eine nie gekannte Fröhlichkeit und aus dem Baum auf seinem Kopf wuchsen satte, rote Früchte die im Licht einladend glänzten und funkelten. Er aß eine davon und sofort begann er zu singen, zu tanzen und zu lachen wie er nie zuvor gelacht hatte.
Das Mädchen hingegen probierte eine der schwarzen Früchte, die ihr Bote ihr gebracht hatte. Sie biss hinein und sofort schossen ihr die Erinnerungen an den Jungen, der so sehr in sie verliebt gewesen war wieder in den Kopf. Plötzlich war das bissige Bisschen wieder da und weil der sehr verliebte Junge geographisch und zeitlich so weit entfernt war hatte das Bisschen viel Platz, ein bisschen zu wachsen und dann ein bisschen mehr zu wachsen und plötzlich zu einer merkwürdigen Sehnsucht im Herzen des Mädchens zu werden. Sie aß die Frucht bis zum Kern auf und pflanzte diesen in die Mitte ihres Schlossgartens. Dann setzte sie sich davor und dachte lange nach. Schließlich wuchs aus dem Kern eine weiße Blume die wunderbar duftete, wie der Frühling, dem sie so verzweifelt nachgerannt war. Da wusste das Mädchen was zu tun war und sie rannte drei Tage und drei Nächte ohne Pause bis sie in dem Land angekommen war, in dem ihre Reise angefangen hatte. Hier sah sie den Wald der alles war, was hier noch stand und dachte für einen kurzen, verzweifelten Moment erschrocken, dass womöglich alles was sie zurück gelassen hatte für immer verloren war. Doch kurz bevor sie weinend zusammenbrechen und sich in die Erde einbuddeln konnte erschienen am Horizont die rot leuchtenden Früchte des Baumes auf dem Kopf des Jungens, der sie mal so sehr geliebt hatte. Sie rannte freudestrahlend auf ihn zu und als er sie sah freute auch er sich. Er bot ihr eine der Früchte von dem Baum auf seinem Kopf an und sie aß sie gern. Dann gingen sie Hand in Hand dem Sonnenuntergang entgegen um in irgendeinem fremden Land ein Leben zu finden, dass groß genug war um es sich eine Weile zu teilen.
Geändert von DieHeiligeSandale (22.02.2010 um 18:03 Uhr)
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