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  1. #23
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Haha, weißt du es ist recht lustig, dass jemand glauben könnte mit der Simulation des Verhaltens von Sagahelden in einer beschleunigten Medienumgebung Transzendenz durch planmäßig simulierte serielle heroische Taten erreichen zu können. Ihr trainiert euch bestenfalls auf einen zukünftigen Sisyphismus am Arbeitsplatz.
    Wer hat denn gesagt, dass Transzendenz ein klar einzukreisender Begriff ist, der nur deiner Definition gehorcht? Ich bin mir sicher, dass wir allein aufgrund von religiöser Seite her unterschiedliche Vorstellungen von Transzendenz haben, noch problematischer ist diese Kluft im Vergleich zwischen unsereins und dem herkömmlichen Spieler.

    Mein Bruder sitzt plausibel geschätzte 6 Stunden am Tag an irgendeinem Spiel, daraus werden 10-12, wenn es ein freier Tag ist. Ich sehe bei ihm keine andere Regung, die sich Transzendenz erhoffte, als durch seine sich selbst aufblasende Illusion von Heroismus. Denn genau darum geht es doch: Ein gesteigertes Selbstbild, eine stimmige Selbstdefinition. Und nun sag mir nicht, dass dein religiöses Streben dir nicht zur Selbstdefinition verhilft und dein Transzendenzstreben etwas anderes ist als der Wunsch nach Auflösung und Verewigung deinerselbst im großen Ganzen.

    Das "ihr" finde ich ein bisschen gemein, weil du mich dabei in eine Tüte steckst, in die ich eigentlich ziemlich offensichtlich nicht gehöre.

    Zitat Zitat
    Wir sind auch nicht in Rom wo deine Taten deinen Ruf beeinflussen würden
    Aber bei WoW, wo eine epische Ausrüstung hin und wieder sehr episch aussieht und man dafür auch gewürdigt wird, und das ist doch das entscheidende der Parallelrealität. Soweit ich weiß, haben die auch sowas wie "Haut faits" eingeführt, also irgendwelche speziellen Erfolge, die man erreichen kann und die einen vom anderen nochmal ordentlich abheben. Da braucht es kein Rom. Übrigens ist die Welt nach dieser Definition immer noch römischer, als du denkst, denk nur mal über den Begriff "Arena" nach und schau nach, wieviele Sportstadien es auf der Welt gibt. Oder wieviele "große" Schauspieler wir haben. Oder wieviele Rapper angeschossen wurden und mehr Platten verkauft haben. Es werden immer noch Orden beim Militär verteilt.

    Zitat Zitat
    oder in Afrika, wo Initationsrituale zu durchlaufen deine gesellschaftliche Stellung verändern würde.
    Und macht das Fehlen dieser gesellschaftlichen Ordnung den Wunsch danach so unverständlich? Ich bin mir sicher, dass etwa 80% der Leute in der Unterschicht bereit wären, ein Gnu zu erlegen, wenn sie dafür in den Mittelstand aufsteigen dürften. Das Streben nach Transzendenz ist letztendlich die Flucht vor dem eigenen, determinierten Leben hin zu etwas Größerem, Leichteren. Nichts anderes gibt einem so ein episches Spiel: Größe und die Leichtigkeit, sie zu erreichen.

    Wenn du ganz rational und ohne einen einzigen Zug deiner Identität darüber nachdenkst, wirst du zu dem Schluss kommen, dass - rein rational und bar jeglicher identitären Regung - deine religiösen Gefühle nur ein Versuch sind, dich vor der grausamen Realität zu flüchten, dass da nichts ist oder dass du nichts bist, dass da nur Weltschmerz ist, dem du als Mensch hoffnungslos unterliegen würdest; und dass das der eigentliche Grund ist, warum du das Bedürfnis hast, zu glauben. Ein Ritualspieler wird von genau derselben Angst getrieben, muss genau die selbe Lücke in seinem Weltbild füllen. Ob das in seinem kulturellen Wert der Religion auch nur im entferntesten nahe kommt, ist dabei unerheblich, man kann das Transzendenzstreben nicht nach kultureller Wertbarkeit aufzwirbeln, dafür ist es zu persönlich und fern ab von Sinnhaftigkeit.

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    Größtenteils weil eure Heldenreise seriell und konsequenzlos ist. Ihr habt sie durchschritten, aber gelöst ist sie deswegen keineswegs. Tausende nach euch werden sie in derselben Weise beschreiten müssen. Effektiv mastrubiert ihr euch nur.
    Findest du diese Einschätzung nicht ein bisschen hochmütig? Und was hat sie für einen Sinn, was ist die Konsequenz aus dieser Feststellung? Dann "ihr" deshalb plötzlich all eure identitären Züge verliert, bloß weil "euer" Weg nicht einzigartig ist? Das ist er nie.

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    Man drückt kalkulierte Knöpfchen um kalkulierte Reaktion zu erhalten. Daran ist nichts transzendentes - die gesamte Handlung ist hochgradig nachvollziehbar und einfach vermittelbar. Hey, ich kann sogar einen Walkthrough dazu schreiben!
    Und was ist der Haken an Kalkulierbarkeit? Schonmal die Bibel gelesen, den Tanakh und Talmud? Das sind Walkthroughs schlechthin, nur dass man in der Geschichte immer wieder gemerkt hat, dass der Mensch zu schwach ist, zu derartiger Größe zu wachsen, dass er die Transzendenz des Verheißenen wirklich erreichen könnte. Selbst wenn du, wie im Christentum, gezwungen wirst, deine eigene Sterblichkeit und Unzulänglichkeit zu begreifen, strebst du noch weiter. Warum? Weil dir allein schon die kulturellen Werte Transzendenz verheißen und dich aus dieser tristen, entwerteten Welt fliehen lassen. Vergleiche mal die unzähligen Geschichten in einer Heiligen Schrift mit denen in einem Rollenspiel, mach dir mal ein Bild von der Ritualisierung von Handlungen in einer Religion und denen in einem PC-Spiel, vergleiche mal die gemeinschaftliche Zusammensetzung von Glaubensgemeinschaften und Online-Spiel-Servern. Du wirst immer Grundzüge des einem im anderen finden, weil beide sich dem selben Bedürfnis beugen. Den Wert der Art der Vervollkommnung dieses Bedürfnisses zu bestimmten und anhand ihrer Kalkulierbarkeit festzusetzen, obliegt aber nicht dir, noch mir, noch sonstwem. Transzendenzstreben ist kein Wert, es ist ein Identitätsmerkmal.

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    Transzendenz hinegegen ist persönlich und eben unmittelbar. Du wirst niemanden finden, der sagt: "Hey, das habe ich auch erlebt." Menschen mit Transzendenzerfahrung sitzen nicht zusammen vor dem Internet und sagen: "Ich hatte immer Schiss vor dem Butcher in Diablo" und die Gegenüber antworten: "Olol, ja das war bei mir genau dasselbe!". Gibt's nicht. Wir haben Zeichen und Formen, manchmal Qualitäten aber nichts messbares. So ist das Streben nach Transzendenz - etwas unmessbares, unvermittelbares, unwiederholbares und hochgradig perönliches wird gesucht und gefunden.
    Und? Nur, weil das rein faktisch bei Spielen nicht der Fall ist, ist das Ziel aber immer noch dasselbe. Die erste Gleichsetzung unerstreicht meiner Meinung nach meinen Standpunkt, zumindest weiß ich nicht genau, wie er sich in deinen fügen will. Im Übrigen ist nicht jeder Mensch bereit zu bedingungsloser Individuation, das ist eine Utopie, die du an deinem eigenen, zwar wünschenswerten aber nicht verallgemeinerbaren Streben danach misst.

    Zitat Zitat
    Also genau das Gegenteil von Online Rollenspielen mit ihren Zahlen, Objekten und festgelegten Stufen.
    Wenn du Lust und viel viel viel viel, viel viel viel, viel freie Zeit hast, kannst du ja mal die offizielle Seite von Blizzard zu WoW studieren und nach den Worten "Individualität" und "episch" suchen. Du wärst erstaunt, wie viel einem da angeblich geboten wird. Außerdem "Das nächste Addon kommt ganz bestimmt und wenn ich jetzt ganz ganz viele tolle Items zusammensuche, habe ich bei der nächsten Content-Erweiterung die beste Ausgansposition, um für den Moment der aller Beste zu werden."
    Schon seit der Jahrhundertwende streben "wir" nämlich nicht mehr nach Ewigkeit.

    So etwas ist schlau gemacht, stell es dir wie eine Sekte vor. Übrigens wirst du doch auch bitte nicht abstreiten, dass auch Sekten irgendwie Transzendenzstreben verwirklichen und dort sind die Überschneidungen zwischen Online-Rollenspielen und dem Kult noch intensiver, ja, da liegen die Rollenspiele an kulturellem Wert sogar noch vorn.

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    Nachdenken hilft mir, meine Stellung gegenüber der Welt zu definieren.
    Mir einzureden, ich wäre der beste Krieger auf Azeroth, auch.

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    Metaphysik definiert meine Funktion in Systemen die zu schwammig sind um mit anderen Mitteln umfasst zu werden.
    Ist das Transzendez? Eine Funktion in einem System zu haben? Geht es bei Metaphysik nicht viel eher um die Ergründung dieses großen Höheren, nach dem ich Strebe?

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    Ein Theatherbesuch schärft zumindest meinen Sinn für die Qualität von Theathervorführungen und Schauspiel
    Je länger ist ein Online-Rollenspiel spiele, umso geübter werde ich im Tastenhämmern.

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    , das Publikum zu beobachten gibt mir unter Umständen Muster für mein eigenen Leben
    Du wirst aber einsehen, dass geschätzte 99,9% der Leute nicht wie Amélie ins Kino gehen, nur um sich mitten im Film umzudrehen, und die Gesichter der Leute zu beobachten. In diesem Sinne ist die Verallgemeinerung deines eigenen, sehr beeindruckenden Ambitionsverständnis irgendwie fehl ab Platz.

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    Wenn ich ein Buch lese, spreche ich mit den Toten.
    Dan Brown? Stephanie Meyer? Franziska Gerstenberg? Gut, man könnte jetzt meinen, dass da Vinci tot ist und die Vampire bei der Stephanie ja auch irgendwie unlebendig, da entmenscht, sind. Aber bei der Franziska leben alle noch. Bücherlesen ist nicht immer Historie, du beschränkst hier schon wieder eine Gesamtheit auf dein Persönliches.

    Zitat Zitat
    All diese Dinge verändern wie ich mit Menschen oder mir selbst interagiere in einer produktiven Weise.
    Und das ist deine Vorstellung von Transzendenz? Das ist keine hämische Frage, das Fragezeichen hat sich quasi dahin verirrt, um das nochmal zu hinterreflektieren. Wenn es so ist, dass wirst du einsehen, dass allein ich schon eine völlig andere Vorstellung ihrer habe und dass sich diese Diskrepanz in den Vorstellungen, je weiter wir uns von unserem Gesprächsstand entfernen, noch viel tiefer ziehen lässt. Wenn nicht - denn ich vermute, dass zu deinem Transzendenzstreben noch ganz andere Wertsetzungen gehören -, dann wirst du zugeben müssen, dass hinter all dem genannten und all dem von dir beispielhaft, aber keineswegs vollständig, abgearbeiteten noch viel viel mehr steckt, als nur das Erreichen einer produktiven Interaktionsfertigkeit, die natürlich auf sich selbst gerichtet und tausendfach in sich gespiegelt ist, sodass sie zu einem höheren Ganzen, mit Verlaub gesagt, schon gar nicht mehr in der Lage ist, sondern lediglich zum Selbstverwirklichungsstreben taugt.

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    Was ich kritisiere ist erstens die Art wie die Tätigkeit gerahmt wird und zweitens den Anspruch den du dafür erheben willst.
    Wenn wir über den Rahmen des Transzendenzstrebens reden, werden wir an der Inquisition wieder mal nicht vorbeikommen - und da ist mir mein das familiäre Leben in Stücke hauender Bruder doch weitaus lieber.
    Der Anspruch, den ich erhebe, sollte dich nicht derartg kränken, weil er sich einzig und allein auf die gemeinsame Basis des menschlichen Wesens bezieht, nach etwas Höherem Streben zu wollen. Ich sage damit nicht, dass dein Höheres den selben Wert hätte, wie deren Höheres, überhaupt habe ich mir mit dieser Aussage weder Wertung noch Ordnung erlaubt. Den Menschen als Bedürfniswesen zu begreifen hilft uns aber zur Verallgemeinerung und zum kühlen Verständnis seines Wesens. Ich hätte eigentlich als letztes von dir erwartet, dich so einer Betrachtungsweise zu verstellen, weil auch du doch begreifen wirst, dass es einen Grundbestand an menschlicher Würde gibt, der sich über ihre Bedürfnisse definiert. Wenn du mir ein besseres Bedürfnis nennen kannst, welches von Realitätsflucht und explizit von derer virtuellen Ambitionen ausgefüllt wird, brächte das meinen Standpunkt vielleicht auf eine andere Ebene.

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    Die Nachricht ist, dass Maslow ein Geschichtenerzähler sei.
    Das sagen sie über Nietzsche und Freud auch.

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    Seine Pyramide ließ sich nicht bestätigen. Leute streben durchaus auch nach Transzendenz während sie hungern und keine Familie haben. Leute streben durchaus auch nicht nach Wachstum wenn sie gefüttert und geliebt werden.
    Freuds Modell findet bis heute keine Bestätigung, eher hat man ihn revidieren können, trotzdem sind seine Theorien immer noch der Grundbestand moderner psycho-philosophischer Auffassungen.
    Es sagt ja keiner, dass Maslow ein Universalwerk ist, schon gar nicht bin ich mit seiner Pyramide als praktikables Klassifizierungsmuster menschlicher Grundregungen zufrieden, wofür sie regelmäßig missbraucht wird. Er ist aber allein dafür schlau, dass er den Menschen als Bedürfniswesen begreift, was unter anderem maßgeblich dazu betrug, dass man menschliche Würde als bei jedem Individuum gleichwertig vorhanden aufzufassen in der Lage ist. Naja, und noch so andere lustige Dinge, wie wir heute als Menschen- und Grundrechte bezeichnen.

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    Nochmal ... Wenn jemand mit seiner "Verrücktheit" glücklich ist, warum sollte man dann ihn durch Heilung 1. unglücklich machen, und 2. seinen Körper mit schädlichen Mitteln vollpumpen ...
    Nunja, weil sich Menschen in manischen Episoden schon umgebracht haben. Und auch das Helfersyndrom hat schon einige recht böse Ausgänge gehabt.
    Ich sage damit nicht, dass man sich bei jedem Fall richtig verhielte, den Leuten die Euphorie zu stehlen, aber unsere Gesellschaft steht in der Verantwortung, ihre Individuen zu schützen und sei es vor sich selbst. Wenn ein studierter Mann oder eine studierte Frau nun zu dem Schluss kommen, dass die Euphorie eines Menschen seine oder die Lebensqualität eines anderen nachhaltig beeinträchtigt, dann finde ich es durchaus nützlich und förderlich, seinen Zustand zu behandeln.
    Geändert von Mordechaj (23.01.2010 um 10:45 Uhr)

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