Reduziert mir mein Thema mal nicht auf den Extremfall Sucht und Verwahrlosung, es geht vor allem auch um den "gesunden" Eskapismus und dessen Berechtigung. Warum sind Fantasy-Szenarien (oder -Aspekte) in Videospielen usw. meist interessanter als reale Szenarien? Klar, weil es sie in die Realität eben nicht gibt. Und das ist Eskapismus, über den man durchaus reden kann.
Realitätsverlust ist nur die extremste Form.

Deshalb ist auch Kunst purster Eskapismus, man schafft etwas, dass es sonst nicht gäbe, und sei es nur ein Portrait (in der Realität sieht ein Mensch nunmal nicht immer gleich aus!). Und ob es "keine Nebenwirkungen" gibt, ist vielleicht gar nicht die Frage, sondern eher, ob die Wirkungen so problemlos vertretbar sind. Nehmen wir zum Beispiel Conan.



Das ist Eskapismus. Keiner der Autoren, Zeichner, und wohl auch die absolute Minderheit der Leser hat solche Muskeln, solche Heldentaten verbracht oder ist so einer Frau auch nur ansatzweise so nah gekommen. Viele würden Conan als "armselig" bezeichnen, weil es so offensichtlich Wunschvorstellung ist. Aber ist das bei subtileren Medien anders? Sind die nicht genau so "armselig"? Horrorfillme sind u.a. (!!!) bei Jugendlichen so beliebt, weil sie den schwierigen, ungreifbaren Problemen des Erwachsenwerdens eine Form geben (sei es die bluttriefende Machete oder der Vampir).
Die Frage lautet also: Ist es Ok, sich in solche (oder andere) Fantasiewelten zu flüchten, wenn das eigene Leben nicht so spannend ist, oder sich mit den Drogen den Kopf leer zu machen, wenn die Probleme sonst erdrückend sind? Wo sollte der Spaß aufhören (sind vielleicht die "Nebenwirkungen" entscheidend?), wo sollte man sich lieber der Realität zuwenden? Vielleicht ist dieser Eskapismus auch völlig Ok, wenn man nicht ins Extreme abrutscht? (wann ist das? Drogensucht, Larp, oder reicht schon ein Killerspiel?)

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mich würde auch deine Meinung dazu interessieren, La Cipolla
Danke, aber ganz ehrlich, wenn ich eine eindeutige Meinung hätte, würde ich den Thread nicht aufmachen.

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Das Problem dabei ist, wie Ketzer schon angedeutet hat, die soziale Ankeptanz von solchen Süchten. Rauchen, Trinken, WoW zocken - das gehört zum guten Ton es mal probiert zu haben und am besten die Fachsprache zu beherrschen. Um seine Frage zu beantworten, in meinen Augen zählt es nicht als Flucht abstinent von solchen Dingen zu leben sondern als ein Beweis für Charakterstärke, Durchhaltevermögen und Realismus - das man weiß das man diese Dinge nicht braucht um zu wissen wer man ist.
Ich antworte mal ganz Off Topic, weil ich nicht denke, dass es in der Diskussion noch um Realismus und Flucht geht. "Brauchen" ist immer ein sehr starkes Wort, vor allem, wenn man es verneint. Beinah jeder "braucht" Freunde oder Bestätigung (in welcher Form auch immer), und ob man das nun durch Anpassung oder durch Abgrenzung erreicht, kommt praktisch aufs Gleiche raus. Oder auf deutsch: "Ich habe gestern allein ne Flasche Whiskey weggehauen" und "Ich trinke nicht" sind gleichwertig, wenn es darum geht, "zu wissen, wer man ist" (denn Abstinenz finden ziemlich viele Leute beeindruckend!). Die Nebenwirkungen mögen Unterschiede heraufbeschwören (Alkoholtod usw.), aber darum ging es ja nicht, sondern um die Identifikation (zumindest hätte ich Ketzers Ansatz in die Richtung verstanden).
Ein Zeichen von Willensstärke und Durchhaltevermögen ist das auch nicht unbedingt und vor allem nicht für jeden; einige Menschen müssen sich unglaublich überwinden, um sich einer gesellschaftlichen Norm unterzuordnen - versuch mal, einen durchschnittlichen pubertären Nerd allein in die Disko zu kriegen, oder einen durchschnittlichen Goth zum regelmäßigen Hören von Chartmusik zu bringen. Da wäre genau das Gegenteil ein Zeichen von Willensstärke und Durchhaltevermögen, nämlich die Anpassung, die alles andere als selbstverständlich oder einfach ist.
Aber das nur am Rande.