3.
Amras war der erste von ihnen, der früh am Morgen aufwachte. Durch das Fenster konnte man erkennen, dass die Sonne gerade über den bewaldeten Hügeln im Westen aufging und den Himmel orange und gelb färbte. Die Kapuze war Amras während dem Schlafen heruntergerutscht und seine Haare wild durcheinander. Erst jetzt wurde ihm so richtig klar, dass er in einem Bett lag. Er stützte sich auf die Ellenbogen und hob so den Oberkörper an. Langsam kamen die Erinnerungen an den gestrigen Abend zurück. Der Anfall im Schankraum war besonders heftig gewesen und hatte Stark an seinen Kräften gezehrt. Seine Begleiterin konnte ihm jedoch helfen. Er schaute zu dem Stuhl, auf dem er am Abend vor gehabt hatte, zu schlafen, jedoch saß niemand dort. Erst als ein Stöhnen neben ihm erklang, drehte er sich zur Seite und sah sie neben ihm liegen. Sie sah so friedlich aus, wenn sie schlief. Unwillkürlich musste Amras lächeln. Auf der Bettkante sitzend rieb er sich das Gesicht, um wacher zu werden und trat dann zum Fenster hin. Auf der Hauptstraße waren schon einige Leute zu sehen, die Karren über das Pflaster zogen und Stände aufbauten. Es lag jedoch eine angenehme Ruhe über dem ganzen. Hinter den Mauern sah er dann, dass „Nebelhain“ seinem Namen alle Ehre machte. Man konnte nur den Anfang des Waldes rings um die Stadt erkennen. Alles dahinter lag in einem dichten Nebel verborgen. Eine Bewegung in seinem Augenwinkel erweckte seine Aufmerksamkeit. Mizoku wälzte sich im Schaf und schien dann aufzuwachen. Sie gähnte und streckte sich. Schmatzend richtete sie sich auf, rieb sich müde die Augen und verzog das Gesicht vor Schmerzen. Amras schaute auf den Tisch, sah die leeren Getränke und ihm wurde klar, dass seine Begleiterin während seines Schlafes zu tief in den Krug geschaut hat. Ein weiteres Gähnen. „Guten morgen“, presste sie hervor und stand auf. „Morgen“, erwiderte ihr Amras. Mizoku kam zu ihm hinüber geschlendert und stützte sich auf dem Tisch vor dem Fenster. „Schöner Sonnenaufgang, oder?“, begann sie vorsichtig. Ein bestätigendes Brummen kam von ihrem Gefährten.
Sie hatte Angst, er könnte ihr wegen gestern Abend böse sein, weil sie ihn in seinem Zustand zu einer Tat gezwungen hatte, die er nicht wollte. Sie wollte ihm zu vorkommen, vielleicht machte das einen guten Eindruck, redete sie sich ein. „Das von gestern Abend …“, sagte sie leise, „das tut mir leid.“ Amras verschränkte die Arme vor der Brust und atmete tief aus. „Vergiss es“, erklärte er, „vergiss die Sache, du hast mir dort unten im Schankraum geholfen, dafür bin ich dir dankbar, mehr zählt nicht.“ Was er aber nicht zugeben wollte, war die Tatsache, dass der Schlaf auf dem Bett ihm gut getan hatte. Auch wenn er es mittlerweile gewohnt war nachts seinen Halbschlaf im Sitzen zu verbringen, ein angenehmes Bett, war damit nicht zu vergleichen. Seine Begleiterin schaute ihn zuerst ungläubig an, schüttelte diese Miene jedoch ab, bevor er sich vielleicht über Undankbarkeit beklagen würde.
„Würdest du bitte nach unten gehen und nach einem Waschzuber und Wasser fragen?“, bat Amras seine Gefährtin. Diese nickte und ging dann samt Schlüssel zur Tür. Nun war es gänzlich Still im Raum. Er zog seine Handschuhe aus und legte sie auf das Bett. Der Parasit hatte seinen Körper sichtlich gezeichnet. Überall auf der Haut waren schwarze Linien, die ein seltsames Muster zu bilden schienen. Danach warf er auch den Umhang und den ledernen Brustharnisch aufs Bett und machte sich daran, die Schuhe aufzumachen. Als er Geräusche vor der Tür hörte schmiss er sich hinter das Bett und wollte darunter rollen, jedoch war es zu tief, so konnte er nur versuchen still zu sein und sich dagegen zu pressen. Die Tür ging auf. Die Stimmen der Schankmaid und von Mizoku waren zu hören, dann rumpelte es. „Wo ist denn euer Begleiter“, fragte die Bedienung. „Bestimmt nur auf dem Abtritt“, meinte die Ostländerin. Sie kamen noch zwei weitere Male und gossen Wasser in den Zuber, dann verabschiedete sich die Schankmaid.
Vorsichtig spähte Amras über die Bettkante und war erleichtert, als er nur noch Mizoku erkennen konnte. Diese musste bei dem Anblick, der sich ihr bot, anfangen zu Lachen. Er reagierte nicht darauf und setzte sich wieder auf die Bettkante, um seine Stiefel weiter auszuziehen, dann hielt er inne. „Wolltest du dich auch waschen?“, fragte Amras und schaute zu seiner Begleiterin. Sie überlegte kurz und tippte sich dabei auf das Kinn. „Schlecht wäre es nicht“, sagte sie nachdenklich. „Dann wasch du dich zuerst“, erklärte ihr Gefährte und ließ die Stiefel in Ruhe. „Na gut“, gab Mizoku von sich. Amras begann sich wieder anzuziehen, wobei er den Oberkörper lediglich in die erdbraune Tunika hüllte und sich dann wieder den Umhang umwarf. „Ich werde etwas Essen gehen“, verkündete er hungrig und verließ mit aufgezogener Kapuze das Zimmer.
Mizoku hörte die Schritte ihres Gefährten noch einen Moment lang, dann schloss sie die Tür ab und begann sich ihres Kleides zu entledigen, indem sie die Schnüre an den Seiten, die es zusammenhielten, öffnete, die Arme herauszog und es herabfallen ließ. Die Handschuhe und Socken schmiss sie auf das Bett. Auch wenn es Frühlingsanfang war, war es keinesfalls warm. So begann die Ostländerin schnell zu frieren und sie wollte ins Wasser hüpfen, als sie mit der Zehenspitze bemerkte, dass es eiskalt war. Schnell zog sie den Fuß zurück und rieb sich bibbernd die Schultern. „Verdammt“, fluchte sie, hob die Hände und machte ein paar grazile Bewegungen. Dann begann das Wasser plötzlich kurz zu dampfen. Testweise steckte Mizoku einen Finger in den Zuber und stellte zufrieden fest, dass der Inhalt warm genug war. Zufrieden glitt sie bis zum Halse hin in das Wasser hinein.
Amras saß an einem der Tische und aß kalten Schinken mit ein paar Brotscheiben, die mit einer dünnen Schicht Butter bestrichen waren. Der Wirt, der noch vom Abend am aufräumen war, hatte ihn bei der Bestellungsaufnahme mürrisch gemustert und irgendwas gemurmelt, als er in die Küche stapfte, um das Essen zu holen. Etwas zu trinken hatte er ihm nicht mitgebracht. Ohne sich weiter damit zu beschäftigen hatte Amras sich an den erst besten Tisch gesetzt, da es egal war auf welchen er sich setzte, denn der Schankraum war Menschenleer. Der Müll auf dem Boden und die Essensreste auf den Tischen waren die einzigen Überbleibsel des nächtlichen Saufgelages gewesen. Nachdem er fertig gegessen hatte blieb er noch einen Moment sitzen. Dann stand er auf und ging die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer.
Sie summte leise vor sich hin, während sie sich mit Seife aus dem Rucksack einrieb und dann mit Wasser abwusch. Was es für ein Lied war, wusste sie jedoch nicht. Sie kannte auch nur di Melodie. Sie schätzte, es könnte aus ihrer frühen Kindheit sein, und vielleicht hat es ihr ihre Mutter … nein, den Gedanken verwarf sie jedoch schnell wieder und tauchte mit dem Kopf unter Wasser. Solange ihre Luft ausreichte blieb Mizoku unter der mit einer schwachen Schaumschicht bedeckten Wasseroberfläche. Dann hörte sie ein dumpfes Pochen und tauchte nach Luft schnappend auf. „Bist du fertig Mizoku? Kann ich reinkommen?“, hörte sie Amras Stimme von der anderen Seite der Tür. „Einen Moment noch“, informierte sie ihn überrascht und schlüpfte dann aus dem Zuber heraus. Das Wasser tropfte an ihr herunter und bildete eine kleine Lache auf dem Holzboden des Zimmers. Mithilfe des Bettlakens trocknete sie sich ab und hatte sich danach wieder angekleidet, wobei sie unter das Kleid noch eine enge grau-schwarze Lederhose angezogen hatte, die bis unter die Knie hohen Strümpfe reichte. Sie war lediglich an der linken und rechten Seite der Hüfte zu sehen und passte sich von der Farbe her perfekt an den Rest der Kleidung an. So warm war es auch nicht, dass sie mit nackten Oberschenkeln draußen herumlaufen wollte.
Das Klicken des Türschlosses verriet Amras, dass Mizoku fertig war, und aufschloss. Dann schob sich der Eingang auf und seine Begleiterin stand lächelnd, mit nassen Haaren, die ihr auf der Schulter klebten, im Türbogen. „Ich bin fertig“, verkündete sie fröhlich. Er trat ins Zimmer an ihr vorbei und begann sich vor dem Bett zu entkleiden. Die Ostländerin nahm den Rucksack und setzte sich an den Tisch. „Hast du keinen Hunger?“, fragte Amras, während er die Stiefel aufschnürte. „Nein, das Essen vom Abend liegt mir noch im Magen“, sagte sie und rieb sich seufzend den Bauch. „Anscheinend nicht nur das“, spottete er und deutete mit einem Kopfnicken auf die leeren Krüge vor ihr. Mizoku lächelte verlegen und versuchte davon abzulenken, indem sie ein Buch aus dem Rucksack holte und darin zu lesen begann. Die Stiefel vor das Bett gestellt streifte Amras die Hose ab und stand nur noch in Unterwäsche da.
Mizoku lugte über die Schulter nach hinten. Dabei starrte sie wie gebannt auf den Körper ihres Begleiters. Er war über und über mit den verwundenen schwarzen Linien überzogen, die durch seine bleiche Haut nur noch stärker hervorgehoben wurden. Und sie alle bildeten ein verworrenes Muster, das für sie keinen Sinn ergab. Sein Gesicht sah müde aus, ausgezehrt. Die Augen waren glanzlos und matt. Er sah müde aus. Aber nicht müde im eigentlichen Sinne. Nicht müde wie ein Händler der eine lange Reise hinter sich hatte. Sondern müde des Lebens. Müde diese Last mit sich herumzutragen und jeden Tag gegen sie anzukämpfen. Aber da war noch etwas gewesen, wenn auch nur für einen kleinen Moment. Sie wusste nicht ob sie es sich einbildete. Nein, sie hatte es gesehen, bemerkt. Es war Trauer. Trauer über etwas, was ihm widerfahren sein muss. Aber sie wusste nicht was. Die Frage danach brannte ihr wie Feuer auf den Lippen. Aber Mizoku wusste, dass sie keine Antwort von ihm erwarten könnte. Sie selbst hatte vergangene Erlebnisse, die sie vergessen möchte. Die Tatsache, dass Amras seine Unterwäsche abstreifte, holte sie zurück ins Hier und Jetzt und rasch drehte sie sich wieder zurück zu ihrem Buch und begann darin zu lesen.
Er lies sich im Zuber keine Zeit um sich ein wenig zu entspannen, denn ihr Treffen mit dem Grafen rückte immer näher, und zu spät kommen, würde keinen guten Eindruck machen. Bei diesen Gedanken, machte Amras sich klar, dass es Angewohnheiten aus seiner Vergangenheit waren, genauso wie das häufige waschen. Er hatte früher sehr auf sein äußeres geachtet und immer versucht bei höheren Herren einen guten Eindruck zu hinterlassen, was in seiner Position auch nötig gewesen war. Seufzend erhob sich er sich aus dem Zuber und benutzte seinen Umhang um sich abzutrocknen. Danach kleidete Amras sich an, jedoch nur in seine Lederhose, die festen Stiefel und die grünbraune Tunika. Die Rüstung aus Hirschleder wurde ordentlich zusammengelegt auf dem Bett verstaut. Die Schwerter schnallte er sich auf den Rücken.
Mizoku fiel es aufgrund der Kopfschmerzen, die sie vom Alkohol am Vorabend bekommen hatte, schwer auf das Buch zu konzentrieren. Es war eines solcher mit einer Ansammlung von Zaubersprüchen und tieferen Geheimnissen der Magie. Sie hatte es auf einem Zigeunermarkt, an dem sie und ihr Begleiter vorbeigekommen sind, von einer älteren Frau gekauft. Sie wusste nicht, ob irgendwas davon überhaupt war gewesen ist. Ob es vielleicht einfach nur erfundenes Zeug war, dass eine alte Frau aufgeschrieben hat und an den nächst besten Trottel verkaufte und etwas Geld für Essen zu haben. Aber man konnte ja nie wissen, redete Mizoku sich ein. Vielleicht funktioniert einer der Zaubersprüche wirklich, und die Dinge, die in dem Buch über Magie stehen, sind war. Wieder fasste sich die Ostländerin an den Kopf und stöhnte leise. Eine Welle Kopfschmerzen brachte sie von ihren Gedanken ab. „Bist du soweit?“, hörte sie Amras fragen. Er saß auf der Bettkante, mit den Armen auf die Oberschenkel gestützt und schaute sie erwartungsvoll an. Mit verzogener Miene richtete sich Mizoku auf und kam zu ihm hinüber.
An ihrem Gesichtsausdruck konnte er erkennen, wie weit ihr das Trinken am Vorabend zusetze, und er war ein wenig verärgert darüber. Immerhin hatte sie gewusst, was sie heute vorhatten, und ohne ihre Hilfe würden sie diesen Auftrag nicht annehmen können. Ohne sich zu beklagen kam sie jedoch zu ihm, was Amras ein wenig milder stimmte. Seine Begleiterin legte ihre Hände auf seine Wangen und schloss die Augen. „Bereit?“, fragte sie. „Ja“, antwortete er und atmete tief aus. Mizoku begann leise für ihn fremde Worte zu summen, die sie jedes Mal bei dieser Prozedur sprach. Langsam strömte die Magie durch Mizokus Fingerspitzen zu ihm hinüber. Zuerst war es nur ein kribbeln auf der Haut, dann wie ein Feuer, das ihn zu verbrennen drohte. Über einen ziehenden Schmerz, spürte Amras, wie sich das Muster auf seinem Körper an einem Punkt auf seiner Brust hin zurückzog. Dann verschwand der Zauber. Mizoku stöhnte und wurde ohnmächtig. Behutsam fing er die junge Frau in seinen Armen auf. Auch wenn sie sich selbst ein Hindernis durch den übermäßigen Konsum gestellt hatte, vollführte sie die Prozedur um ihm zu helfen. Sie tat das öfter. Das war ihre Verbindung. Sie verbarg sein Geheimnis für eine Weile, damit er sich problemlos in der öffentlich zeigen konnte, und dafür sorgte er dafür, dass sie am Leben blieb. Er erinnerte sich noch genau, wie er sie damals, nachdem er Mizoku wieder soweit aufgepeppelt hatte, an ein Kloster abgeben wollte. Sie hatte sich, trotz ihres Alters, aufgeführt wie ein kleines Kind, hatte geschrieen und geweint, sich an seinem Bein festgeklammert. Ihre Augen waren feuerrot und ihre Nase lief, weswegen sie ständig Schniefen musste. Amras lächelte bei diesen Gedanken. Und dann hatte er Mizoku doch mitgenommen. Natürlich nur, weil er sich einen Vorteil daraus erhoffte. Sachte legte er seine Gefährtin auf das Bett und deckte sie zu. Dann verließ er den Raum. Hinter sich, schloss er zu und schob den Schlüssel durch den Türschlitz zurück. Unten an der Theke erklärte er dem Wirt, der zuerst nicht zu wissen schien, mit wem er das Vergnügen hatte, dass das Zimmer noch in Gebrauch war und verließ dann die Taverne.
Draußen auf der Straße war mittlerweile wesentlich mehr los. Die Leute drängten sich zwischen den Ständen entlang und lediglich in der Mitte gab es eine Gasse für Karren, Reit- und Packtiere. Die Sonne hing knapp über den Häuserdächern und am Himmel waren nur ein paar Wolkenfetzen zu sehen. Amras schaute sich einen Moment um, bevor er in die Masse tauchte. Seine Augen suchten die Umgebung nach den in rotweiß gewandeten Inquisitoren ab. Beim Gedanken daran, dass er diese ach so ehrfürchtigen Diener des Tempels einmal bewundert hatte kremte er sich. Während ihrer Jagd nach ihm, hat er ihre Methoden und Vorgehensweisen gesehen, und die waren alles andere als ehrfürchtig. Keiner von den Inquisitoren schreckte davor zurück Unschuldige in Gefahr zu bringen, oder gar zu töten und sie achteten auch nicht die Gesetze, die Hauptsache war, dass sie ihr Ziel erreichten. Amras erinnerte sich an eine Bauernfamilie die ihm Unterschlupf geboten hatte, unwissend, dass er vom Tempel gejagt wurde. Die Inquisition hatte das Bauernhaus mitten in der Nacht in Brand gesteckt, obwohl die Besitzer noch darin im Schlafen lagen. Nur er konnte fliehen und sich in Sicherheit bringen, für die Bauern kam jede Hilfe zu spät.
Die Luft schien rein zu sein. Amras konnte keinen rotweißen Wappenrock oder das Zeichen der Inquisition, ein Hammer, erkennen. In eine Lücke der vorbeiströmenden Massen schlüpfte er hinein und ließ sich hin zum Stadtzentrum treiben. Die Straße war bis dorthin voll und weiter gerade aus zum zweiten Stadttor ebenfalls. Alle möglichen Angehörigen der verschiedensten Rassen tummelten sich hier, verkauften Waren aus den fernen Grafschaften und sogar aus Übersee, oder waren hier um solche zu ergattern. Nebelhain war so anders als seine Heimatstadt Njordheim, die weit im Norden in den Nordländern lag. Njordheim war eine richtige Festung gewesen. Die Mauer war mindestens doppelt so dick wie diese hier, und um die hälfte höher, dazu alle zweihundert Meter ein viereckiger Turm und nach jedem dritten ein großer Rundturm. Die Burg in der Mitte von Nebelhain lag zwar auf einer Anhöhe, war aber eher auf Schönheit und Prunk ausgelegt, als Verteidigung. Hauptgrund dafür, war wohl die Zeit in der die Burgen gebaut wurden. Die Städte weit im Norden sind wesentlich älter, als die im Süden. Vor hunderten Jahren, mitten im Kontinentalkrieg, mussten sich die Menschen des Handorn Reiches und die Zwerge aus den Silberbergen zurück in die eisigen Lande ziehen und bezogen dort Stellung, bauten mit allen Ressourcen die ihnen verblieben waren eine starke Verteidigungslinie auf, die letzten Endes hielt. Nachdem das Kendegorn Reich an den Mauern seiner Feinde zerschellte und sich angeschlagen zurück ziehen musste, fielen die Handornen und Silberbergzwerge in den Süden ein und vernichteten den geschwächten Rest der feindlichen Truppen. Und so fiel Runâr unter die Herrschaft von König Angoras. Da es keinen Feind mehr zu bezwingen galt, und auch von anderen Kontinenten keine Bedrohung abzusehen war, wurde auch kein wert mehr auf für die Verteidigung wichtige Elemente gesetzt. Amras war ganz froh darüber, dass zumindest die Mauern geblieben waren. Dieser Hochmut der vielen Adligen würde sie noch zu Fall bringen, dachte er sich.
Fast ging er an der nächsten Abzweigung vorbei, die er nehmen musste, um zum Schloss zu kommen. Die Straße war nicht minder gut ausgebaut aus der Hauptweg, nur ein wenig schmaler, aber immer noch breit genug, sodass zwei Karren neben einander vorbeifahren konnten. Hoch in den Himmel ragten die Häuser hier am Rand, da es die Straße für die Reichen war. Und die Läden waren voll von Exquisiter Ware, die sich kein normaler Bürger leisten könnte. Amras ging an den Fenstern vorbei und spähte hinein, in Erinnerung an seine Vergangenheit schwelgend, wie er durch solche Geschäfte streifte und sich feine Stoffe kaufte, exotisches Essen und das Bier erst. Aber all das war vorbei, beendet von diesem Parasiten, der sich in ihm eingenistet hat. Alleine gelassen, von seiner eigenen Familie, Schutz los dem Tempel ausgelassen. Aber Amras wehrte sich, er hatte sich vor sich von irgendeinem Inquisitor den Kopf abschlagen zu lassen. Es dauerte auch nicht lange, bis er sich an den niedrigen Standard, der einem Ausgestoßenen Zustand gewöhnt hatte, da er in seinem alten Leben zwar recht reich lebte, aber nicht im übertriebenen Maße wie viele seiner Verwandten und Standesmitgliedern.
Die Burg erhob sich in prachtvollem Stil über die Häuser und Amras erblickte das Eingangstor am Ende der Straße. Die Fenster waren aus Buntglas, überall gab es geschwungene Verzierungen an den Rändern und kunstvolle Wasserspeier. Dabei war der Graf von Brenag nicht mal besonders reich. Lediglich um die Städte und Siedlungen herum gab es die Möglichkeit Felder zu bestellen. Der Rest war mit dem dichten Wald übersät, dessen riesige Wurzeln den Boden durchpflügten. Man hatte vor einigen Jahren versucht Teile zu roden, jedoch waren die Bäume einfach zu dick und zu widerstandsfähig gewesen. Und dann gab es da auch noch die Drachen. Mittlerweile ist die Anzahl derer aber dramatisch zurückgegangen, da der Graf und dessen Lehnsmänner viele Drachenjäger angeheuert haben um die Grafschaft von ihnen zu befreien. Amras würde es wundern, wenn es hier noch eines dieser eigentlich stolzen Wesen geben würde. Er selbst hatte nichts gegen Drachen. Eigentlich waren sie den Menschen auch nicht feindselig gegenüber, man erzählt sich sogar, dass es in den alten Tagen Drachenreiter gegeben haben soll. Mit der Zeit wurden jedoch die Jagdgebiete dieser Wesen durch die Ausbreitung der Zivilisation eingedämmt, zudem waren viele Bestandteile eines Drachens in vielen Berufen wertvoll. Aus Drachenleder ließen sich widerstandsfähige Rüstungen machen, aus Drachenknochen die besten Waffen, aus den Zähnen mächtige Tränke, und die Hoden, so sagt man, verleihen einem eine gestärkte Manneskraft. Amras musste in sich hinein lachen, als er daran dachte, wie sein Onkel Gunther wie wild nach Drachenhoden gesucht hatte, weil er seiner Frau wohl nicht gut genug im Bette war. Die Wachen vor dem Eingangstor der Burg riefen Amras zurück ins Hier und Jetzt. „Wer fordert einlass?“, fragte die rechte in ihrer leichten Kettenrüstung mit dem Drachenkopf als Wappen der Grafschaft auf der Brust. „Mein Name ist Amras, ich bin der …“, er überlegte kurz, „…Söldner, den euer Herr angeheuert hat.“ „Ah, gut, die anderen sind schon da, schon seit einer Weile, die warten sicher schon auf euch“, verkündete der Wachmann erklärend und öffnete das kleine Tor.
In der Eingangshalle war es dunkler als draußen, und das Licht warf bunte Strahlen durch die Fenster hinein. Ein roter Teppich mit goldenem Rand führte geradeaus zu einer großen Tür, deren beiden Flügel geöffnet waren. Links und rechts waren an der Mitte der Wände jeweils eine Statue, die einen Krieger zeigte, der sich auf sein Schwert stützte. Zu beiden Seiten jeder Statue gab es eine kleinere Tür, die in andere Räume der Burg führte. In der nächsten Halle, die ein gutes Stück länger, höher und somit offener war, saß am hinteren Ende ein Mann auf einem Stuhl mit hoher Lehne. Vor ihm standen weitere Personen, die Amras von hier nicht erkennen konnte. Von dort drang Gemurmel zu ihm, dann zeigte der Mann im Stuhl auf ihn und die anderen drehten sich um. Jetzt konnte Amras erkennen um wen es sich hier handelte. Der Mann im Stuhl war der Graf von Brenag, der kahlköpfige Mann neben ihm musste so etwas wie ein Berater sein. Die beiden anderen Personen waren eine Elfe in knapper Rüstung und ein stämmiger Pferdemensch, dessen Nüstern sich beim Atmen weit öffneten.
„Da seid ihr ja endlich“, sagte der Graf erleichtert. „Verzeiht Herr, aber ich habe mich an die abgemachte Zeit gehalten“, antwortete Amras ruhig und verbeugte sich leicht. „Ja, ja, das ist jetzt auch egal, ihr seid hier, das ist wichtig“, brabbelte der Graf. Er war schon etwas älter, Amras schätzte ihn auf Mitte fünfzig. Sich aufrichtend betrachtet er einen kurzen Moment die beiden anderen Gäste in seinem Augenwinkel. „Das sind die beiden anderen Söldner, die ich für die Mission angeheuert habe, eigentlich sollten noch mehr kommen, aber wie ihr seht, haben sie die Gerüchte, die sich hier breit machen, wohl in Angst versetzt“, seufzte der Graf. Amras zog eine Augenbraue hoch: „Verzeiht Herr, aber ich hatte angenommen, dass ich der einzige angeheuerte Söldner wäre. Ich und meine Partnerin arbeiten lieber alleine“, verkündete er. „Melnân!“, zischte es zu seiner rechten. Die Elfe hatte sich in ihre Hüfte gestützt und schaute ihn verärgert an. „Was soll das heißen? Wollt ihr das Geld für euch alleine haben? Daraus wird nichts, der Graf hat uns eine große Belohnung für diesen Auftrag versprochen, und die werde ich nicht einfach links liegen lassen, nur weil ihr nicht fähig seid im Team arbeiten zu können“, keifte sie ihn Amras mit ihrer klaren und hohen Stimme an, sodass sogar der Berater des Grafen zuckte. Amras hatte nicht vor, die beiden Söldner zu verärgern, nur wusste er, dass es wegen dem Parasiten gewisse Probleme geben könnte. Mizoku konnte die körperlichen Auswirkungen nur für eine kurze Zeit verdecken, und das auch nicht immer wieder, dafür benötigte der Vorgang eine zu große Menge an Energie. Er verbeugte sich entschuldigend. „Ich hatte nicht vor euch zu verärgern“, erklärte er sich ruhig und höflich, „ich wollte lediglich anmerken, dass ich es nicht gewohnt bin. Natürlich verlange ich nicht, dass ihr auf eure Bezahlung verzichtet, und ich möchte euch auch nicht eure Arbeit abnehmen.“ Die Miene der Elfe entspannte sich und wich einem zufriedenen Lächeln. „Mein Name ist Amras, Amras Schattenseele“, stellte er sich vor. Den Namen hatte er sich irgendwann einmal ausgedacht, als er noch alleine reiste, und er fand ihn ganz passend. Die Elfe kam einen Schritt näher und verbeugte sich ebenfalls. „Anen Anun, mein Name ist Sheva“. erwiderte sie höflich die Vorstellung. Der Pferdemensch verschränkte die Arme und schnaufte nur. „Mein großer Freund hier ist Bun’krag“, sagte die Elfe scherzend. Dieser rollte die Lippen auf und zeigte di großen Zähne, die eindeutig nur für Pflanzen da waren.
„Nun denn, wenn sich jetzt alle vorgestellt haben“, gab der Graf gelangweilt von sich. „Verzeiht, ihr hab gerade eben von einem Gerücht gesprochen. Welches meint ihr?“, fragte Amras interessiert. „Ihr habt nicht davon gehört?“, wunderte sich der Graf, „wann seid ihr denn hier angekommen? Wobei, da fällt mir gerade ein, sagtet ihr nicht, dass ihr zu zweit kommen würdet, ihr spracht von einer Begleiterin.“ Bei den letzten Worten funkelten die Augen den alten Mannes auf und ein gewitztes Grinsen breitete sich über seinem Gesicht aus. „Sehr wohl, das stimmt. Wir hatten jedoch eine lange Reise, und sie ruht sich daher noch im Gasthaus, in dem wir ein Zimmer bezogen, aus.“ Der Gesichtsausdruck des Grafen veränderte sich, zuerst vergrößerte sich Grinsen, und dann wich es einer enttäuschten Miene. Die Gedanken konnte sich Amras vorstellen. Wahrscheinlich hoffte der Graf auf eine junge Frau, die ihm für eine Nacht das Bett wärmen könnte oder dergleichen. Immerhin dachte er, sie wären Söldner, und diese tun vermeintlich viel für Geld. Bei der Tatsache, dass seine Begleiterin aber noch müde im Gasthaus lag, musste ihm der Gedanke gekommen sein, dass es sich auch um eine alte Frau handeln könnte. Amras schüttelte innerlich den Kopf. „Nun, Herr, von welchem Gerücht habt ihr gesprochen“, fragte er erneut. „Ah ja, genau, das Gerücht. Nun. Man erzählt sich, dass ein, nun wie soll ich sagen, kann man es anders sagen?“, er schien nachzudenken, „nein. Also gut, vornheraus. Man erzählt sich, dass wieder ein Drache sein Unwesen hier treibt.“ Amras Gesichtsausdruck, verriet seine Verwunderung. „Und stimmen die Gerüchte?“, setzte er neugierig nach. „Nun … ich weiß nicht genau ob es ein Drache ist. Aber es ist eine große ... Echse. Und sie kann Feuerspucken, erzählt man sich zumindest. Ich selbst habe sie erst einmal gesehen, wie sie auf einem der großen Felsen im Norden gesessen hat und ihre Beute, die übrigens aus unserem Vieh besteht, verzehrte.“ „Vielleicht sollten wir unsere Bezahlung erneut aushandeln?“, schlug Sheva vor. Der Graf schaute sie entsetzt an. „Ich habe euch bereits eine große Summe versprochen und ihr mir dafür, dass ihr jeden Auftrag ausfüllen werdet. Ihr habt sogar eine Anzahlung bekommen!“, beschwerte er sich. „Eine Anzahlung?“, dachte sich Amras, aber die Frage erklärte sich von selbst, als er noch einmal zu Sheva schaute und ihren wohlgeformten Körper betrachtete. „Was für ein Lustmolch“, lachte er in sich hinein. „Was sagt ihr, Amras?“, fragte ihn der Graf. „Ich verlange nicht mehr, ich halte meine Abmachungen“, antwortete Amras ehrenvoll, womit er die anderen unbeabsichtigt beleidigte. „Wollt ihr damit sagen, wir seien nicht ehrenvoll?“, brummte auf einmal der Pferdemensch und griff nach dem großen Hammer auf dem Rücken. „Ach, halt die Klappe, so hat er das sicher nicht gemeint“, schellte die Elfe ihren Begleiter und klatschte ihm auf die Schnauze, woraufhin dieser verstummte. Erst jetzt fiel Amras auf, dass Sheva gar keine Waffen mit sich trug.
„Wie Schattenseele bleiben wir bei unserer Abmachung“, erklärte sich die Elfe und seufzte. „Gut, gut, dann wäre das ja geklärt. Wann habt ihr vor aufzubrechen?“, erkundigte sich der Graf. Jetzt, da Amras wusste, was auf ihn zu kommen würde, musste er noch ein paar Besorgungen in der Stadt machen. „Wäre euch morgen früh genehm?“, fragte er Sheva. „Das geht in Ordnung“; bestätigte sie und nickte. „Dann möchte ich euch einladen heute Nacht in der Burg zu übernachten. Die Gästezimmer sind zwar belegt, aber es gibt noch freie Zimmer im Flur für die höhere Dienerschaft. Die Zimmer sind immer noch besser als die eines Gasthofes“, verkündete der Graf hochmütig. Amras grauste es vor diesem Angebot. Dann müsste er die ganze Nacht noch wachsamer sein, als er es ohne hin schon war. Man durfte ihn nicht in einem anderen Zustand als den jetzigen sehen. „Wir nehmen euer Angebot gerne an“, antwortete Sheva freundlich. „Und ihr?“, hakte der Graf nach und fixierte Amras. Abschlagen konnte er das Angebot wohl nicht. „Ich nehme ebenfalls, und bedanke mich für eure Güte“, gab er hochachtungsvoll von sich.
„Narr!“, zischte es plötzlich in Amras Kopf. „Nein!“, dachte er sich, nicht jetzt schon.“ „Doch, gleich, und dann werde ich dir zeigen, dass ich diesen Fatzken nicht in den Arsch krieche, wir reißen ihn in Stücke!“ Amras fasste sich schmerzend an den Kopf. „Ist alles In Ordnung?“, fragte der Berater des Grafen verwundert, und der Gesichtsausdruck der anderen war nicht minder erschreckt. Er konzentrierte sich und die Stimme verschwand wieder. „Ja, mir geht es gut, ich leide nur ein wenig unter Schlafmangel, die Nacht in der Burg wird mir gut tun“, erklärte er sich. Die Elfe schaute ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Ich werde jetzt zurück in die Stadt gehen, meine Begleiterin und einige Erledigungen warten auf mich“, sagte Amras, verbeugte sich ein weiteres Mal und verließ dann die Halle.