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Thema: [Forenspiel] Die Werwölfe von Düsterwald - Part III - Tag 1

  1. #101
    Trish war eingenickt, als es an ihrer Tür Klopfte und jemand mit erboster Stimme ihr berichtete, dass sie genauso ein Teil der Gemeinschaft dieses Dorfes ist und sie aufjedenfall abstimmen muss.
    Daraufhin zog sie sich ihren Mantel über und stapfte wieder zurück zu den anderen, unterwegs überlegte sie, wen sie denn nehmen sollte, wen würde sie am ehesten so eine Tat vollbringen könnte, wer dazu Geistlich und Körperlich fähig wäre.
    Sie kannte die meisten zu wenig um sich ein Bild zu machen.
    Ohne es zu merken war sie am Ziel angekommen, alle Augen waren auf sie gerichtet.
    Sie seufzte:
    "Leider muss ich mit abstimmen, aber ich möchte niemanden zum Tode verurteilen, dass soltet ihr besser entscheiden, aber weil ich es dennoch muss werde ich sie nehmen Elias Ladislas Toussaint. Aber ich nehme sie nicht weil ich glaube, dass sie der Täter sind, nein ich nehme sie, weil ich genau weiß, dass sie den Abend trotz meiner Stimme überleben werden und ich nicht am Tod eines eventuell Unschuldigen bin."

    Und somit ging sie Richtung Schenke um sich noch einen heißen Met zu gönnen, damit sich ihre Nerven wieder beruhigen könnten.
    Sie hoffte das richtige getan zu haben, sie möchte nicht, dass überhaupt jemand in diesen Dorf sterben soll und wenn schon, dass es nicht mit Hilfe ihrer Stimme passiert.

  2. #102
    Elias Augen weiteten sich vor Entsetzen "I...i...ich?" Er schluckte schwer, "Nun...ich verstehe Trish, den am Tod eines Unschuldigen beteiligt zu sein ist wahrlich kein leichtes Päckchen..."
    Elias fuhr sich mit seiner linken kurz durch die Haare "Ich muss zugeben, ich möchte soetwas auch nicht verantworten, doch ich bin bereit das Risiko einzugehen, auch wenn ich es mir nie verzeihen könnte. Wenn ich es richtig beobachtet habe sind die 2 Hauptverdächtigen Advon und Arlèn, doch bei einem von beidem will mir nicht klar werden warum er gehängt werden soll und das ist Arlèn. Er spricht Verdächtigungen aus und geht alle Möglichkeiten durch, das ist doch sein gutes Recht. Advo hingegen hat diese Nacht überlebt, obwohl er der Hauptmann ist, entweder er ist selbst eines dieser Monster oder die Wölfe nutzen dieses Denken aus. Letztlich..." er rieb sich mit dem Daumen und Zeigefinger seiner Linken durch die Augen "...müssen wir eine Entscheidung treffen. Horatio, ich denke nicht, dass ihr euch freiwillig hängen solltet wenn Advo heute von uns geht und sich herausstellen sollte, dass er kein Werwolf ist. Ich halte den Ansatz für stimmig und aus diesem Grund, glaube ich, dass wir heute Advo hängen sollten."

    Schweren Schrittest trat er an den alten Mann heran und legte ihm eine Hand auf die Schultern, "Verzeiht mit Advo, es fiel mir nicht leicht."

  3. #103
    Und somit hat sich das Dorf mit einer knappen Mehrheit dazu entschieden Advo (aka Liferipper) an den Galgen zu hängen.

  4. #104
    Von zwei Männern flankiert wurde Advo zum Galgen in der Mitte des Dorfes geführt. Sollte das sein Ende sein? Verraten von denjenigen, die ihm noch vor einem Tag ihr vertrauen ausgesprochen hatten?
    Nein! Das würde er nicht zulassen!
    Mit einer Kraft, die wohl keiner der Anwesenden seinem alten Körper zugetraut hätte, stieß er die Wachen an seiner Seite weg. Dann griff er in sein Hemd, wobei er versehentlich die obersten Knöpfe abriss. Als ob das im Moment eine Rolle gespielt hätte! Als er die Hand wieder hervorzog, hielt er in seiner Faust...
    den Bestienzahn, seinen Talisman. Er wusste selbst nicht, wieso er ihn heute Morgen eingesteckt hatte, aber er wusste, wozu er ihn jetzt benutzen würde:
    Um nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das der anderen Dorfbewohner zu retten!
    Wütend stürzte er sich auf die Person, von der er sich sicher war, dass es sich trotz ihres harmlosen Äußeren um einen Werwolf handelte - Ulrika!
    Mit aller Macht rammte er ihr den Zahn in das Auge, so weit, dass es das Gehirn dahinter erwischen musste.
    Gespannt richtete er sich auf, um den Todeskampf des Monsters zu beobachten, durch dessen Tod er seine Unschuld beweisen würde.
    Oder zumindest versuchte er, sich aufzurichten. Doch er konnte nicht.
    "Was?" keuchte er. Er griff sich an die Brust. Sein Herz raste, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Was war hier los? Doch noch während er auf die Knie sank, kam ihm die Antwort - er hatte seinen alten Körper überfordert, und bekam unverzüglich die Rechnung dafür serviert. Sah so aus, als ob ihn seine vermeintliche Heldentat (dabei wusste er nicht einmal, ob er nicht eine Unschuldige getötet hatte - ihm fehlte die Kraft, aufzublicken, um sich zu vergewissern) doch nicht retten würde. Dann gab es zumindest noch eines zu tun. Mühsam brachte er die Worte heraus: "Nach... *hust* folger... *keuch* Wi... William (Sylverrunner)!"
    Er wusste nicht, ob ihn überhaupt jemand gehört hatte. Eigentlich war es ihm auch egal. Inzwischen lag er komplett am Boden. Die Zeit, die ihm noch blieb, verbrachte er mit Gedanken an seine Tochter.
    'Ich wünschte, ich hätte sie vor meinem Tod noch einmal sehen können. Andererseits ist sie so wenigstens sicher vor dem, was hier passiert. Ich hoffe, sie wird meinen Tod nicht zu schwer nehmen...'
    Mit einem Geräusch, das wie ein Seufzen klang, tat Hauptmann-für-einen-Tag und Jäger Advo seinen letzten Atemzug, während er langsam seine Augen schloss.

  5. #105
    Mit triumphierendem Blick stürmte Doktor Tigreffiev nach draußen. "Ich habs, ich habs!", rief er erfreut aus. "Hört her, ich habe etwas herausge...", doch dann erkannte er, dass es im Moment andere Dinge gab, die den meisten Bewohnern des Dorfes Sorgen machten.
    Er sah die alte Dame, aus deren blutigem Gesicht ein Gegenstand ragte und den zuckenden Körper des Hauptmannes Advo, der gerade seine Lebensgeister aushauchte.
    "Allmächtiger...", stotterte er. "Diese einfältigen Landmenschen... Bestien! Wahre Bestien."

    Danach schlich er so unauffällig es ihm möglich war zurück in seine bescheidene Hütte. Das war zu viel für den armen, verqueren Geist des Doktoren.

  6. #106
    Nach dem das alte Mädchen Ulrika durch Advo niedergestochen wurde, brach der Dorfbewohner Horatio auf dem Boden zusammen. Seine Geliebte Ulrika war tot. Da er dies nicht ertragen konnte, gab auch er sich dem Tode hin.

    (Viviane und Daen setzen hier später noch ihre ausführlicheren Todespost hin)

    Damit geht er ein erschütternder Tag vorbei und eine neue Nacht bricht an. Was wird dieses Mal passieren?

  7. #107

    Der Tod der Liebenden

    Als Horatio Advos Absicht erkannte sprang er auf und versuchte einen schützenden Arm zwischen den todgeweihten Hauptmann und das Mütterchen zu bekommen, aber er hatte mit einem Dolch oder einer Nadel gerechnet und nicht mit dem winzigen Talisman des Hauptmanns.

    Er bekam also Advos linken Arm zu packen, aber dieser schien ihn gar nicht zu bemerken und er bäumte sich nur rasend vor Wut auf und zerrte mit aller Kraft an Advos Unterarm - bewirkte aber nichts. Nun sah er, wieso er den Hauptmann nicht von Ulrika fortreißen konnte: Die alte Vettel hatte doch tatsächlich mit aller Kraft die Arme um den Mann gelegt, der wie ein Wahnsinniger auf ihr rechtes Auge einstach! Warum tat sie das?

    „Ulrika! Lasst los, lasst doch endlich los!“ Und nur die eisige, heraufziehende winterliche Kälte verhinderte das ihm Tränen der Verzweiflung übers Gesicht liefen.

    ~*~

    Die uralte Vettel empfing Advos hasserfüllten Angriff mit den offenen Armen einer liebenden Mutter. „Oh Junge, wie blind hat dich die Angst gemacht. Komm her und schlaf nun, lass die Flamme der Wut nun verlöschen.“, murmelte sie und seine zerstörerischen Mahlströme dabei auf sich gelenkt. Sie hatte in dem Moment gewusst was er vorgehabt hatte als er sich von den Wachen losgerissen hatte und sie hatte es geschehen lassen. Und auch als etwas hartes und kantiges sich seinen Weg in ihren Kopf gesucht hatte hielt sie Advocatus so fest sie es mit ihren Händen konnte. Und zum ersten Mal seit langem zitterten die alten Hände nicht.

    Der Stock lag fortgeworfen auf dem Boden, ihre alten Lippen hatten sich nun an sein linkes Ohr angenähert und sie flüsterte kaum hörbar in einer fremden Zunge: „Einfache Kreaturen sind nie dankbar für ihre Befreiung, aber ich will es nun sein. Lass nur alle scharfen Klauen auf mich herabregnen, denn kein Ungetüm vermag mich noch zu schrecken - obwohl ich blind bin habe ich die schlimmste Kerkermeisterin gesehen. Ihr Name ist Wut. Und ihr Advo, seid ihr Gefangener. Drum schlaft, friedlich, schlaft ohne die Hitze in eurer Brust die eure Gedanken lähmt. Schlaft und erwacht an einem anderen Ort.“

    Mit seinem zerrissenem Hemd, das seinen Oberkörper mehr zeigte als verbarg, lag er nun in ihren Armen, und als er sich versuchte aufzurichten und ihrem Griff zu entkommen zitterten seine Muskeln bereits unter dem mangelnden Sauerstoff und seine Knie gaben nach. Sein Griff löste sich von dem Ding, das in ihrem Auge war, und krallte sich überm Herzen in sein Hemd. Ungläubig blickte er das Mütterchen an und Ulrikas leise Antwort darauf war: "Dann geh', es gibt andere Welten als diese." Sie küsste ihn auf die Stirn und ließ ihn vollends zu Boden gleiten.

    Dann hob sie den Kopf und ihr weißes Haar wallte über ihre Schultern, da Advo ihr im Todeskampf das Tuch herabgerissen hatte. Ihre Worte wurden immer leiser, und waren bereits am Anfang nur ein Flüstern im eisigen, schneidigen Wind:

    „Ihr werdet sie nicht erkennen, wenn sie vor euch sind, denn sie sind Meister der Tarnung. Ihr werdet sie nicht erkennen wenn sie euch Trost spenden, denn sie sind Meister der Lügen. Und ihr werdet sie nicht finden wenn ihr schweigt und abwartet... denn sie haben... Zeit zum warten, ihr nicht. Ihr... müsst handeln. Das ist eure Stärke... das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen.“ Sie riss das dünne silberne Kettchen von ihrem Hals und murmelte „Reden... reden ist Silber... reden ist... Silber. Silber ist wertvoller als Gold. Es ist treuer und... verfärbt sich nicht. Man muss den Worten nur Kraft geben und ihnen... Glauben... schenken. Lasst die Wut, die Furcht und die Scham nicht über euer Handeln siegen. Seid standhaft und stellt euch euren Gefühlen. Und tragt dann die Konsequenzen. Lasst euch nicht von anderen manipulieren und lasst euch auf keinen Fall eine Meinung als die eure verkaufen, die es nicht ist. Seid schlau wie die Füchse... Erinnert euch an unsere Worte... erinnert euch daran... wer ihr seid.“

    Aus ihrem rechten Auge sickerte unstet Blut, aus dem Linken floss beständig ein Strom aus klaren Tränen, als sie auf den Hauptmann hinabsah fielen einige davon ihm aufs Gesicht. Sie stolperte erschrocken, wie ein junges Mädchen zurück, fiel dann ermattet gegen die alte Linde und dabei stieß sie ihren alten durchgebogenen Rücken in die fünf grobgeschmiedeten, langen Nägel, die die Dorfbewohner in den uralten Baum geschlagen hatten. Blut spritze am Rücken durch ihre Bluse und benetzte langsam die rauhe Rinde des uralten Baumes.

    Sie seufzte. „Und wieder einmal kann ich nicht sparsam mit meinen Worten sein. Was bin ich nur für eine Närrin gewesen... aber diejenigen sagen die Wahrheit, die ihre Worte mit Schmerzen atmen müssen. ... Und so will ich nun wahr sprechen: Am liebsten würde ich unspektakulär und ohne letzte Worte sterben in meiner kleinen Hütte.“, sie lachte laut und spie dabei mit jedem Luftzug kleine dunkelrote Schleimkugeln aus.

    Aber hier, im Schoße meiner Vorväter Keim, werde ich auch ein gutes Ende finden... Die Zeit ließ diesen Baum einst grüne Blätter treiben. Kein Sturm konnte ihnen etwas anhaben, denn sie waren fest und stark mit ihm in der Erde verwurzelt. Jedes Blatt gehörte zum Mutterbaum und die Mutter liebte ein jedes von ihnen, ernährte sie mit ihrem Saft und drehte sie nach der Sonne. Aber... auch wenn sie nun entwurzelt sind“, sie griff nach einem der Lindenblätter das am Boden lag und es war überraschend wie frisch es erschien, „so haben sie noch einiges an Lebenskraft in sich. Und wenn ihr wollt könnt ihr diesen alten Baum auch wieder zum blühen bringen... es gibt eine Urkraft in dieser Welt, die unabhängig davon, ob der Winter uns frieren lässt, der Lenz uns die ersten Blumen schenkt oder wir im Herbst unser Getreide einfahren können, wirkt. Und wir können uns nach ihr richten und ihr unsere Herzen anvertrauen... Die Tiere auf der weiten Flur kennen keinen Egoismus. Sie helfen einander. Und zerreißen sich nicht wie die unbarmherzige Wölfe.

    Wir leben in einer kalten und schrecklich abweisenden Welt. Seit dem Augenblick unserer Geburt müssen wir uns in ihr zurechtfinden und unsere Abneigung und den Ekel überwinden lernen. Es gibt soviel schönes, das erkannt werden will, soviel unbegreifbares, das wahrgenommen werden will... Wir Menschen töten, weil wir denken es hätte einen Sinn. Aber dadurch werden wir zu Parasiten, zu Mördern an unserer eigenen Art. Mord hat keinen Sinn. Der Tod allerdings schon.

    Ich bin nun müde und fühle mich sehr schwach. Mein Kopf ist schwer geworden und meine Augen schmerzen so. Ich muss mich setzen und kurz meine Augen schließen.“
    , sie drückte die Ellbogen mit einem lauten Seufzen nach hinten durch und hob sich von den Nägeln hoch, sank dann langsam am alten Baum hinab, leise Lieder aus ihrer Kindheit vor sich hinsummend, ihre Kleider ordnend und ein letztes Mal den Talisman aus Silber, der um ihren Hals hing, küssend.

    Sie lächelte verträumt als sich Horatio zögerlich auf sie zubewegte und sich zuletzt auch anmutig über sie beugte. „Es ist wunderbar zuletzt noch von einem lebendigen, wunderschönen, ehrlichen Gemüt angeblickt zu werden. Ihr seid der Inbegriff eines Heldenprinzen, der Monster und Drachen bekämpft und sein Leben Mut und Ehre widmet. Auch wenn ihr ein Taugenichts seid, Horatio, so habt ihr wenigstens gelernt das einfache Leben zu lieben. Ich fühle eure Schönheit junger Gecke...auch wenn ich ... sie nicht mehr sehen kann. Ich erinnere mich.“, sanft fuhr ihre Hand über seine Wange und über seine Lippen. „Und ich werde mich immer erinnern: Wir ... als einzige... mussten ...niemandem gerecht werden. So blieben wir uns... als einzige... uns selber und unseren Träumen treu.

    Sie hustete wieder und wandte ihr mit Flecken übersähtes Gesicht von Horatio ab. Ihre Wangen überzog nun ein leichter roter Schimmer, wie der eines Kindes an Weihnachten, wenn es die Klingel am Bescherungsabend hört. „Heute ist ja Waschtag...den haben wir jetzt verpasst wegen all dem Firlefanz...“, stellte sie noch mit einem kindlichen Lächeln im runzligen Gesicht fest, das Gesicht königinnengleich zum lichtdurchfluteten Dach der Linde erhoben. Licht und Schatten malten ihr Gesicht wieder jung und Dorfbewohner und Wölfe gleichermaßen sahen nun was ihr alter Körper solange so gut verborgen hatte: Sie war das neugierige Mädchen gewesen.

    Sie streckte sich in die Wurzeln der Linde zurück, riss dabei die Wunden am Rücken weiter auf und betastete das, was in ihrer ausgelaufenen rechten Augenhöhle steckte, vorsichtig. Zufrieden stellte sie fest, das Advo gute Arbeit geleistet hatte: Es steckte tatsächlich tief genug um sie umzubringen. Ohne zu zögern zog sie mit einem einzigen festen Ruck Advos Talisman, den Bestienzahn, aus ihrer Augenhöhle und das Blut strömte wie ein warmer, dampfender Fluss aus ihrem Rücken und ihrem rechten Auge und sie verlor innerhalb von kurzer Zeit die Besinnung. Ein erlösendes Lächeln gefror noch auf ihren Lippen, als sie ihren letzten Atemzug nahm. Die Kälte ließ das Blut in ihrer Augenhöhle bald zu einem Pfropfen gerinnen und überzog das linke Auge mit einer klaren Schicht aus gefrorenen Tränen.

    'Nach einem langen erholsamen Schlaf öffnete sie ihre Augen, gerade blickte das junge Mädchen Ulrika nach oben in den Himmel. Die Sonne schien am höchsten Punkt und schien ihr zuzulächeln, als wäre sie eine dieser Menschen, die den wahren Sinn des Lebens erkannt haben. Sie sah ihre vertraute Schafherde vor sich, ihren Mann, den Schäfer Vincent und die Hütehunde Jenny und Fido. Und sie trug das gemeinsame Kind unterm Herzen, das sie sich so lange gewünscht hatten. Mit dem silbernen Schermesser in der kräftigen, glatten, jungen Hand griff sie nach einem der Schafe und summte eine alte Weise: „Die helle Sonn leucht' jetzt herfür ... fröhlich vom Schlaf auferstehen wir.“' Jetzt hatte sie endlich das Gefühl der Gewissheit alles richtig gemacht zu haben. Sie hatte nicht blind aufs Schicksal vertraut, sondern ihr Leben selbst in die Hand genommen als sie sich entschlossen hatte das Kind zu behalten und Vincent zu heiraten. Und ja, es war ein Leben das wirklich und wahrhaftig lebenswert war und in diesem Moment wünschte sie sich nichts mehr als hier, an diesem Ort, 100 Jahre alt zu werden.'

    ~*~

    Wie sie gestorben war, in aller Öffentlichkeit, unter all den Menschen. Wie qualvoll sie starb, mitten auf diesem Platz und die anderen, die ihrem Tod nur zugesehen haben und nichts unternommen haben, um sie zu retten.

    Hinter Horatio lag nun der tote Advocatus Diaboli und vor ihm, im Schoß der Linde, lag Ulrika reglos. Zuletzt hatte er ja dank ihr erkannt, dass hinter Advos Worten kein Wolf im Schafspelz steckt und es tat ihm fast ein wenig leid ihn anfangs verdächtigt zu haben. „Wenn ich ihn nicht verdächtigt hätte...“, entfloh es seinen Lippen. Aber er vergaß diesen Gedanken bald wieder und verwünschte ihn, denn blinde Wut übermannte ihn. Wut auf den Hauptmann und Wut auf das einfältige Gesindel hier im Dorf das sich erst gar keine eigenen Gedanken gemacht hatte sondern blind seinem ersten, unüberlegten Vorschlag gefolgt war.Doch gegen wen die Wut richten? Nun da der Hauptmann tot war und Ulrika so schwer verletzt war, wusste er, würden ihm die Dorfbewohner nicht mehr gefährlich werden. Aber die grausamen lammreissenden Wölfe. Und er war verwirrt, seine Gedanken schienen ihm leer und sinnlos zu sein, als er Ulrika betrachtete.

    Ihr Körper regte sich nicht mehr, das Blut hatte aufgehört zu fließen. „So hat sie dennoch eine Bestie umgebracht. Auch wenn es nur der Zahn von einer war. Wie harmlos sie aussehen können - auch Menschen sind wahre Monster. Was ist nur mit uns allen geschehen?“

    Er blickte auf und sah nichts, was nicht von diesen unsäglichen Menschen zerstört und ihnen zu Eigen gemacht worden war. Und es bereitete ihm Übelkeit, auf die Scherben dieses armseligen Dörfchens zu sehen und die Anspannung und die nackte Angst der anderen in jeder Faser seines Leibes spüren zu müssen.

    „Ich frage mich was ich hier noch sollte... Nun da der Kern eurer Gemeinschaft zerfetzt ist, scheint es mir, werden die Wölfe leichtes Spiel mit uns allen haben. Und niemand wird je mehr seine Stimme erheben...“, seine Stimme versagte und sein Hals schnürte sich schmerzhaft zu.

    Unter ihnen allen war eine nervenaufreibende Unruhe ausgebrochen. Es schien ihm als wollten sie alle eilig verschwinden und in der Hektik ihres unüberlegten Alltages aufgehen. Nachtürlich ohne darüber nachzudenken was hier gerade passiert war. Wenn man ihnen die Chance geben würde und die Wölfe nun weiterzogen, dann würden sie Advo und Ulrika einfach verscharren und in ihrem Gedächtnis ausstreichen.

    Das Dorf erschien ihm wie ein Bienennest, das ausgeräuchert worden war - die Ruhe die er gerade erlebte schien voll zu sein von heißen Nebelschwaden, die ihm die Atemluft nahmen und ihm das Blut in die Augen drückten. Unerträglicher, pochender Schmerz durchfuhr seinen Schädel und er sank auf die Knie. Es würde keine lebenswerten Momente mehr geben, keine ruhigen Stunden des Beisammenseins, kein unbeschwertes Lachen, keine Sekunde der Liebkosung mehr durch eine dralle junge Maid. Nicht nachdem er das hier gesehen hatte. Verrat am eigenen Blut... Er keuchte verzweifelt auf und umklammerte seinen Oberkörper verzweifelt mit den Armen, als wolle er nicht auseinanderbrechen. Eine Träne der Verzweiflung bahnte sich ihren Weg aus seinen dunkelblauen Augen und blieb an seinem Spitzbärtchen hängen. Dort gefror sie, unsichtbar für die anderen Anwesenden aber Horatio spürte die Kälte, die sich um sein Herz schloss wie eine eiserne Faust, und er roch den Wind der Freiheit der nach dem eisigen Winter duftete - aber vor allem nach unbarmherziger Kälte. Und Blut.

    Als er das erkannte, wusste er was er nun zu tun hatte. Er würde diesem unertragbaren Alltag des Ankeifens entfliehen und dem parasitären Egoismus, der sein Leben bestimmt hatte freudig eine Waffe in die Hand drücken um jetzt wirklich nur an sich selbst denken - das Wohlergehen seiner Mitmenschen, weiterhin für sie stark zu sein und sich für sie einzusetzen bedeutete nun nichts mehr.

    Er verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein und zog den vom Met klebrigen Beutel von seiner Seite hervor. Die Welt um ihn herum war kalt, so kalt dass der Wurfdolch, den Arlén ihm zurückgegeben hatte, sich kaum aus dem bröckelnden Leder des Beutels befreien ließ, der klebrig war vom verschütteten Met. Wie lange das nun doch schon her war, das er sich mit ihm gestritten hatte... Ewigkeiten, so schien es nun. Das schwarze Haar fiel im in die Augen und er strich es unsanft fort. Die silberne Schneide in seiner Rechten glühte kalt und reflektierte das fahle Licht des endenden Tages zu einem Streifen, der sein Gesicht in eine zwiegespaltene Fratze zerschnitt. Sein heißer, schneller Atem bildete Dunstwolken vor seinem Gesicht und die Welt war grau und voller Nebel und pochendem roten Blut.

    Er erinnerte sich mit heißen, pochendem und schmerzendem Herzen an Arléns Worte, sie hallten in seinem Geiste nach während er die Klinge betrachtete. „Mir war nicht bekannt, dass sie sonderlich viel Ansehen zu verlieren hätten. Sie sind nichts weiter als ein Scharlatan, der viel sein will, aber nichts wirklich kann außer Reden zu schwingen. Sie mögen ab und an nicht ganz unrecht haben, aber ihre Art gefällt mir wirklich nicht, also gehen sie ruhig!"... Er hatte Recht gehabt. Letztlich hatten sie ihn immer schon durchschaut gehabt und es bloss nie gesagt. Er würde also gehen...

    Er hatte diese Worte schon einmal gesagt, nur damals hatten seine Worte einen anderen Klang gehabt. Und der Satz ein anderes Ende: „Genaugenommen ist es wirklich eine gute Idee, von hier zu verschwinden und ich denke, dass werde ich auch tun, solange sich noch keiner von euch an mir und meiner Seele vergreifen konnte.“ Trotzig klangen seine Worte in der kalten Luft noch nach, und seine Lippen zitterten. Aber nicht vor Angst... so glaubte Horatio es zumindest. Es war nur diese unerträgliche Kälte in ihm, der er nun endlich entfliehen konnte. „Ich wäre jämmerlich, wenn ich nicht sterben wollte. Befrei mich, blanker Stahl, von diesem Übel das über uns hergezogen ist wie eine Krankheit, noch bevor sie mich ergriffen hat.“

    Der Wurfdolch schimmerte grausam kupfern, als er sämtliche Lebensregungen in Horatios glühender, leidenschaftlicher Brust zum Erliegen brachte. „Freiheit den Liebenden...“, flüsterte er mit Blut an den Lippen und brach vor Ulrikas Füßen zusammen.

    Seine Rechte lag noch auf dem Dolch, die Linke krallte sich in den Dreck des Platzes und das silberne Amulett Ulrikas glitzerte durch seine schönen, schlanken Finger hindurch. Er küsste es kurz, röchelte und richtete sich Blut hustend noch einmal auf, zum Entsetzen der Anwesenden.

    Dann schrie er alle, die ihm Nahe standen und alle die ihn begafften an: "Hinfort mit euch! Letzte Worte sind für Narren, die noch nicht genug gesagt haben... Und ich weiß das ich keiner bin.“
    Und dann entfloh kein Wort mehr seinen schönen Lippen, die so viele Mädchen in Versuchung geführt hatten und das kostbare, unschuldige Blut eines Bürgers färbte sein besticktes Hemd und liess es teurer und prächtiger denn je erscheinen.

    ~*~

    Der Winter hatte nun vollends Einzug in Düsterwald gehalten. Schnee lag keiner, doch Väterchen Frost hat die ganze Natur in seiner Gewalt. Die Wiesen waren mit dickem Reif bedeckt und der kalte Wind säuselt unangenehm um ihre Ohren. Es herrscht eine geradezu unsägliche Stille. Die wenigen Vögel, die den Winter bei ihnen verbrachten, schienen zu schlafen und auch sonst scheinen hier in der weiten Natur keine lebendigen Wesen außer den übrigen 16 Dörflern zu sein.

    ~*~

    Damit geht er ein erschütternder Tag vorbei und eine neue Nacht bricht an. Was wird dieses Mal passieren?

    Geändert von Viviane (15.01.2010 um 17:22 Uhr) Grund: Im letzten Abschnitt das ich durch die Dörfler ausgetauscht.

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