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Thema: Versprengte Heimat -Lyrik-

  1. #1

    Versprengte Heimat -Lyrik-

    Babel

    Die Tat machte die Nacht zu einer trächtigen und
    der Tod wetzte tüchtig am Stein. Die Frauen
    fanden das Gefädele des vorletzten Winters und
    verwoben das rot gebrochene Dach. Die Männer
    holten ihre Äxte aus den Tiefen, dem Norden,
    in Not: sie beinten die Stadt aus. Bauten ein
    Boot, räumten die Zeiten aus, dass nur noch
    Knochen und Kopfsteine blieben. Das Spinnengewebte
    zerbissen sie und das Rad rollten sie fort. Am Tag
    war die Stadt versprochen.

  2. #2
    Whoa. Interpretation und ähnlich Intellektuelles überlasse ich fähigeren Leuten, aber es wirkt.

  3. #3

    Leon der Pofi Gast
    Zitat Zitat von La Cipolla Beitrag anzeigen
    Whoa. Interpretation und ähnlich Intellektuelles überlasse ich fähigeren Leuten, aber es wirkt.
    hm. für mich hört es sich so an, als ob eine stadt und die menschen den tod durch feinde oder einer krankheit entgehen möchten, indem sie alles brauchbare wie steine, rote ziegel der dächer verwenden um ein großes boot zu bauen, die vorräte des vergangenen winters sammeln und somit nur noch das hüllenlose skellet der stadt übrigbleibt. die männer holzen dafür den wald ab und nachdem die nacht vorbei ist, brachen sie bereits auf und die stadt war leer.

    meine interpretation. ob es stimmt, ist eine andere geschichte
    wie dem auch sei, sehr gut geschrieben

    Geändert von Leon der Pofi (07.01.2010 um 12:37 Uhr)

  4. #4
    Schön geschriebenes Textchen, das nach einer Forsetzung darbt.
    Denn in der - kurzen - Form gibt es mir nicht viel. Wäre schade drum.

  5. #5
    So beeindruckt ich von deiner Eloquenz und deinem wirklich sehr wirkungsvollen Wortschatz bin, aber das klingt sehr wie Lyrik von Grass und wirkt damit ähnlich belanglos. Mir gefällt wiederum das Formlose daran, die Aliterationen wissen zu gefallen, taugen aber als stilistische Mittel nicht zur Entdekadentifizierung (ich schwöre, das Wort habe ich mir gerade ausgedacht), stürzen den Text eher noch tiefer in eine seltsame Hermetik.

  6. #6
    @Somnambulle: Wo gibts mehr davon? Hast du evtl bereits eine Seite auf der du deine Lyrik veröffentlichst?

    @Mordechaj:
    Zitat Zitat
    aber das klingt sehr wie Lyrik von Grass und wirkt damit ähnlich belanglos
    - was meinst du damit das Grass' Lyrik belanglos sei? Das er Dinge beschreibt die er nicht selber gesehen hat? ... wenn es nur an der Form liegt, dann wären Bachmann, Celan, Benn ja auch alle belanglos. *g*

    lg Vivi

    Mehr moderne Lyrik hier im Forum! yay! ^^

  7. #7
    Zitat Zitat von Viviane Beitrag anzeigen
    @Mordechaj: - was meinst du damit das Grass' Lyrik belanglos sei? Das er Dinge beschreibt die er nicht selber gesehen hat? ... wenn es nur an der Form liegt, dann wären Bachmann, Celan, Benn ja auch alle belanglos. *g*
    Grass schreibt Lyrik wie ein 15jähriger, der gerade die freie Versform entdeckt hat. Er ist eben mehr für Prosa gemacht, das ist sein Metier, da soll er bleiben. Grass ist nicht bildhaft, er reiht nur aneinander und versucht irgendwo dazwischen noch Sinn hineinzuwürgen, vornehmlich mit dem Oberlehrer-erhobenen-Zeigefinger im Fazit. Das ist plump und unlyrisch. Man vergleiche das nun mit Celan und komme zu dem Schluss, dass der da durchaus qualifizierter vorgeht. =3

  8. #8
    1.Grass' Lyrik gefällt mir persönlich auch nicht.
    2.Ich stimme dir zu, dass Grass' Prosa stärker ist als seine Lyrik.
    3.Dass du seine Lyrik als nicht bildhaft bewertest (man mag sich überlegen, ob das eine Kriterium sein darf? Muss Lyrik bildhaft sein?), kann ich nicht ganz nachvollziehen -auch wäre es an dieser Stelle leicht Beispiele dafür oder dagegen auszugraben.
    4.Ich glaube aus deinem Kommentar entnehmen zu können, dass dein größtes Problem der Moralist Grass ist, dass dir das allzu Direkte, Parolische aufstößt (was es mir im Übrigen auch tut). Allerdings würde ich mich verweigern ihm das "Lyrische" abzusprechen. Nur weil Celan -tatsächlich- die größere Bildkraft erzeugen kann, (wobei ich denke dass für die meisten seine größte Faszination in aller erster Linie in der Unzugänglichkeit seiner Gedichte und vielleicht in zweiter Linie in der Melodiösität liegt) kann man ihn noch lange nicht als den größeren Poeten feiern (dazuhin ist er in einigen seiner Gedichte höchst moralisierend). Warum hältst du an einem so konservativen Lyrikverständnis fest?
    5.Wie kommst du darauf Grass' Texte als "belanglos" zu bezeichnen? In welchem Sinne belanglos? "Belanglos" wie "nichtssagend"?
    6.Wo kämen wir hin, wenn wir den ganzen moralisierenden Dichtern ihr Handwerk absprechen würden? Und dann vielleicht auch noch den Prosaautoren? Dann können wir ja gleich die gesamte Nachkriegsliteratur streichen. Zugegebenerweise kann man meiner Meinung nach Böll oder auch Fried heute nur noch im historischen Kontext lesen.
    7.Dass du meine Lyrik mit der von Grass vergleichst, gefällt mir nicht gerade.

    Geändert von Somnambulle (16.01.2010 um 23:17 Uhr)

  9. #9
    Zitat Zitat von Somnambulle Beitrag anzeigen
    3.Dass du seine Lyrik als nicht bildhaft bewertest (man mag sich überlegen, ob das eine Kriterium sein darf? Muss Lyrik bildhaft sein?), kann ich nicht ganz nachvollziehen -auch wäre es an dieser Stelle leicht Beispiele dafür oder dagegen auszugraben.
    Bildhaftigkeit ist für meine Balange ein Muss für gute Lyrik, denn was nützt es, einen Text aus Formmitteln aufzubauen, wenn der Stil am Ende keinerlei Inhalt trägt? Das mag und darf jeder anders sehen, für mich jedenfalls ist es ein Kriterium.
    Ich werde mich hier jetzt nicht in eine Grass-Kritik versteifen, deshalb auch keine Beispiele grabschänden. Man finde sich damit ab, dass ich Grass als Opa mit dem erhobenen Zeigefinger schätze, ihn auf argumentativer Ebene sehr respektiere, ihn aber stilistisch für unterentwickelt halte.

    Zitat Zitat
    4.Ich glaube aus deinem Kommentar entnehmen zu können, dass dein größtes Problem der Moralist Grass ist, dass dir das allzu Direkte, Parolische aufstößt (was es mir im Übrigen auch tut).
    Es ist vor allem seine Art, sich als ein solcher zu profilieren, die mich mit ihm nicht so warm werden lässt, wie es das täte, wenn er einfach Essays und parabelische und beispielhafte Romane schreiben würde.

    Zitat Zitat
    Nur weil Celan -tatsächlich- die größere Bildkraft erzeugen kann, (wobei ich denke dass für die meisten seine größte Faszination in aller erster Linie in der Unzugänglichkeit seiner Gedichte und vielleicht in zweiter Linie in der Melodiösität liegt) kann man ihn noch lange nicht als den größeren Poeten feiern (dazuhin ist er in einigen seiner Gedichte höchst moralisierend).
    Das habe ich auch nicht verlangt und ich tue es auch nicht. Außerdem ist der Reiz an Celan vorwiegend und allgemeinhin die emotionale Tragweite, die er durch seine sehr bildhafte Sprache zu erzeugen weiß. Ich möchte auch noch anmerken, dass man bei einem Vergleich zwischen Celans Moralität und Grass' Moralität völlig daneben langt. Celans Schreiben beruft sich auf kein sittliches Empfinden oder auf einen argumentativen Charakter, wie das bei Grass der Fall ist, er trägt viel mehr einen Ethos, den Grass niemals schaffen wird zu verwirklichen. Letzteres tut seiner Lyrik noch keinen Abbruch, es ist viel eher der Versuch, aus seiner rein logischen Moralität in ein anderes, für ihn unbegehbares Feld zu wechseln.

    Zitat Zitat
    Warum hältst du an einem so konservativen Lyrikverständnis fest?
    Tue ich das? Ich versuche lediglich eine Mitte zwischen allzu freiem und allzu geformtem Lyrischen zu finden.

    Zitat Zitat
    5.Wie kommst du darauf Grass' Texte als "belanglos" zu bezeichnen? In welchem Sinne belanglos? "Belanglos" wie "nichtssagend"?
    Erst einmal spreche ich nur von den Gedichten. Dann wiederum: Belanglos wie "ohne Belang". Wo er anderswo in der Lage ist, durchaus effektiv aufzurütteln und uns kleinen Nichtgrasslern die Scheuklappen zu nehmen, fuhrt er vorwiegend auf bereits bestellten Ackern herum, bestes Beispiel hierfür - da ich mich hier nun doch in eine Grass-Kritik ergebe - ist Novemberland, wo er einen auf "Ich pack mal wieder den Deutschlandknüppel aus und trete auf unserer Vergangenheit herum.", diesmal aber ohne den Zusatz "Damit wir daraus Schlüsse und Verantwortung für das hier und jetzt, das heute ziehen können."

    Zitat Zitat
    6.Wo kämen wir hin, wenn wir den ganzen moralisierenden Dichtern ihr Handwerk absprechen würden? Und dann vielleicht auch noch den Prosaautoren? Dann können wir ja gleich die gesamte Nachkriegsliteratur streichen. Zugegebenerweise kann man meiner Meinung nach Böll oder auch Fried heute nur noch im historischen Kontext lesen.
    Das habe ich auch nich vor, schon gar nicht will ich Günter Grass irgendwas abschwatzen, außer das Lyrik Schreiben. Er hat andere Qualitäten, bei denen er bleiben sollte. Böll habe ich im Übrigen auch so sehr lieb, auch ohne historischen Kontext, unter anderem, weil er sich leicht interpretieren lässt und mir damit mal ne sehr gute mündliche Note eingebracht hat. Töll, der Böll.

    Zitat Zitat
    7.Dass du meine Lyrik mit der von Grass vergleichst, gefällt mir nicht gerade.
    An Grass hat es mich eigentlich vorwiegend wegen dem Stil erinnert und mir fällt auch jetzt kein anderer, passenderer, Vergleich ein. Es ist nunmal leider so, dass das alles recht schlau klingt, wie gesagt, es ist eloquent und man merkt deutlich, dass du dir stilistisch sehr gute und zuträgliche Gedanken gemacht hast, versperrt aber völlig den Zugang und wirkt wegen seiner Grundtendenz auch ziemlich moralisierend - wenn das nicht dein Ziel war, dann wirkt es zumindest höchst dekadent -, ohne dabei aber wirklich etwas zu formulieren, was irgendwie neu oder hilfreich wäre.

    Du liegst damit sehr weit oben in meiner Gunst, denn hier findet man selten etwas, was künstlerisch wirklich qualifiziert wäre. Allerdings fehlt eben doch irgendwo der Hieb, um es zu Kunst zu machen, die mich anspräche. Das sind allein meine Gefühle und allein meine subjektiven Ansprüche, deswegen muss das gar nicht so schlimm sein. =3

  10. #10
    nach allem Hinundher: Hier mehr Lyrik.

    Haut aus Holz

    Haut aus Holz. Harz. Das Blut
    im Rausch. Kanal. Enge. Pulsen, maschinell.
    Hautanzug spannen .Spröde. Schwämme
    über und Rascheln, Parlieren der Muskeln.
    Brechen.
    Und der Harnstrang verödet.
    Die Ohren berühren nass.
    Ziehen und Reißen das Fleisch.
    Die Knochen verstummen.
    Ausgreifen.
    Über das Fleisch hinaus. Die Hände reichen weiter.
    Der Finger flieht. Weiter als die Spucke trifft.
    Der Urin den Schnee vergilbt.

  11. #11
    Stark, jetzt fühle ich mich unwohl. Hat was von Benn, irgendwie, aber hat ne sehr persönliche Note.
    Zum Stil kann ich nicht viel sagen, das Gedicht ist so geschrieben, dass man es nicht in einem Rutsch runterlesen kann. Untermauert nur das Thema.

  12. #12
    Die Nacht ist groß

    Die Nacht ist groß
    und weiß und du
    bist hinter den Spiegel getreten.

    Siehst du, ich
    stehe davor und warte
    auf den ersten Schlangenbiss.

    Ich singe, dass ich
    dich sehe
    in meinem Schatten.

    Zeigst nur mich
    folgst du mir
    komme dich holen
    hörst du mich.

    In meinem Rücken gehst du nach.
    Ich drehe, drehe mich
    rufe mich nicht.

  13. #13
    wind vergeht. löst sich störrisch
    aus langen gras klamm aus
    niederen büschen, den bäumen
    zuletzt verlässt er die hohen äste.

    weißt du noch, gerade hat er worte
    mit dem fahrradatem nass aus dem
    mund gewrungen. satzschiffe haben
    sich früh losgesagt, früh verlor man

    kleines und leichtes, auswegbares.
    in fahrt nahmen wir mundgewalt über
    einander und in der ebene wurde
    es eng. nach dem rennen fällt grobes

    aus dem atem. hör es! es hängt an
    den drehenden speichen. mit den wolken,
    der wind hat den feldern farben
    gelassen. das pulsen bleibt im ohr.

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