Zitat Zitat von Somnambulle Beitrag anzeigen
3.Dass du seine Lyrik als nicht bildhaft bewertest (man mag sich überlegen, ob das eine Kriterium sein darf? Muss Lyrik bildhaft sein?), kann ich nicht ganz nachvollziehen -auch wäre es an dieser Stelle leicht Beispiele dafür oder dagegen auszugraben.
Bildhaftigkeit ist für meine Balange ein Muss für gute Lyrik, denn was nützt es, einen Text aus Formmitteln aufzubauen, wenn der Stil am Ende keinerlei Inhalt trägt? Das mag und darf jeder anders sehen, für mich jedenfalls ist es ein Kriterium.
Ich werde mich hier jetzt nicht in eine Grass-Kritik versteifen, deshalb auch keine Beispiele grabschänden. Man finde sich damit ab, dass ich Grass als Opa mit dem erhobenen Zeigefinger schätze, ihn auf argumentativer Ebene sehr respektiere, ihn aber stilistisch für unterentwickelt halte.

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4.Ich glaube aus deinem Kommentar entnehmen zu können, dass dein größtes Problem der Moralist Grass ist, dass dir das allzu Direkte, Parolische aufstößt (was es mir im Übrigen auch tut).
Es ist vor allem seine Art, sich als ein solcher zu profilieren, die mich mit ihm nicht so warm werden lässt, wie es das täte, wenn er einfach Essays und parabelische und beispielhafte Romane schreiben würde.

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Nur weil Celan -tatsächlich- die größere Bildkraft erzeugen kann, (wobei ich denke dass für die meisten seine größte Faszination in aller erster Linie in der Unzugänglichkeit seiner Gedichte und vielleicht in zweiter Linie in der Melodiösität liegt) kann man ihn noch lange nicht als den größeren Poeten feiern (dazuhin ist er in einigen seiner Gedichte höchst moralisierend).
Das habe ich auch nicht verlangt und ich tue es auch nicht. Außerdem ist der Reiz an Celan vorwiegend und allgemeinhin die emotionale Tragweite, die er durch seine sehr bildhafte Sprache zu erzeugen weiß. Ich möchte auch noch anmerken, dass man bei einem Vergleich zwischen Celans Moralität und Grass' Moralität völlig daneben langt. Celans Schreiben beruft sich auf kein sittliches Empfinden oder auf einen argumentativen Charakter, wie das bei Grass der Fall ist, er trägt viel mehr einen Ethos, den Grass niemals schaffen wird zu verwirklichen. Letzteres tut seiner Lyrik noch keinen Abbruch, es ist viel eher der Versuch, aus seiner rein logischen Moralität in ein anderes, für ihn unbegehbares Feld zu wechseln.

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Warum hältst du an einem so konservativen Lyrikverständnis fest?
Tue ich das? Ich versuche lediglich eine Mitte zwischen allzu freiem und allzu geformtem Lyrischen zu finden.

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5.Wie kommst du darauf Grass' Texte als "belanglos" zu bezeichnen? In welchem Sinne belanglos? "Belanglos" wie "nichtssagend"?
Erst einmal spreche ich nur von den Gedichten. Dann wiederum: Belanglos wie "ohne Belang". Wo er anderswo in der Lage ist, durchaus effektiv aufzurütteln und uns kleinen Nichtgrasslern die Scheuklappen zu nehmen, fuhrt er vorwiegend auf bereits bestellten Ackern herum, bestes Beispiel hierfür - da ich mich hier nun doch in eine Grass-Kritik ergebe - ist Novemberland, wo er einen auf "Ich pack mal wieder den Deutschlandknüppel aus und trete auf unserer Vergangenheit herum.", diesmal aber ohne den Zusatz "Damit wir daraus Schlüsse und Verantwortung für das hier und jetzt, das heute ziehen können."

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6.Wo kämen wir hin, wenn wir den ganzen moralisierenden Dichtern ihr Handwerk absprechen würden? Und dann vielleicht auch noch den Prosaautoren? Dann können wir ja gleich die gesamte Nachkriegsliteratur streichen. Zugegebenerweise kann man meiner Meinung nach Böll oder auch Fried heute nur noch im historischen Kontext lesen.
Das habe ich auch nich vor, schon gar nicht will ich Günter Grass irgendwas abschwatzen, außer das Lyrik Schreiben. Er hat andere Qualitäten, bei denen er bleiben sollte. Böll habe ich im Übrigen auch so sehr lieb, auch ohne historischen Kontext, unter anderem, weil er sich leicht interpretieren lässt und mir damit mal ne sehr gute mündliche Note eingebracht hat. Töll, der Böll.

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7.Dass du meine Lyrik mit der von Grass vergleichst, gefällt mir nicht gerade.
An Grass hat es mich eigentlich vorwiegend wegen dem Stil erinnert und mir fällt auch jetzt kein anderer, passenderer, Vergleich ein. Es ist nunmal leider so, dass das alles recht schlau klingt, wie gesagt, es ist eloquent und man merkt deutlich, dass du dir stilistisch sehr gute und zuträgliche Gedanken gemacht hast, versperrt aber völlig den Zugang und wirkt wegen seiner Grundtendenz auch ziemlich moralisierend - wenn das nicht dein Ziel war, dann wirkt es zumindest höchst dekadent -, ohne dabei aber wirklich etwas zu formulieren, was irgendwie neu oder hilfreich wäre.

Du liegst damit sehr weit oben in meiner Gunst, denn hier findet man selten etwas, was künstlerisch wirklich qualifiziert wäre. Allerdings fehlt eben doch irgendwo der Hieb, um es zu Kunst zu machen, die mich anspräche. Das sind allein meine Gefühle und allein meine subjektiven Ansprüche, deswegen muss das gar nicht so schlimm sein. =3