Raa Mon schlug die Augen auf.
Sie lag im Krankenlager. Sie wusste allerdings nicht, warum, denn es ging ihr gut. Es ging ihr genaugenommen besser denn je. Sie aß das Obst, dass neben ihrem Platz stand und spülte es mit dem Quellwasser herunter.
Sie stand auf. Ihr Gang waren fest und kraftvoll und drückte damit genau das aus, was Raa Mon tief in ihrem Herzen empfand.
Als sie nach draußen trat, in den Wind, die bloßen Füße tief im Sand, wusste sie, dass sie auf diese Welt gehörte - so wie sie, Raa Mon, war - und dass sie wertvoll war. Nie wieder würde sie in den Augen oder Worten der anderen nach Bestätigung suchen.
Diese überwältigende Erkenntnis brachte ein kristallines Funkeln in ihre Augen. Ihre Mundwinkel zuckten kaum merklich.
Raa zog ihren Dolch und hob ihn an ihren Kopf. Es gab ein reißendes Geräusch. Ein ausgewaschen roter Farbklecks fiel zusammen mit ein paar Haaren zu Boden und wurde gleich darauf weggeweht.
Fünf weitere Bänder folgten dem ersten. Dann waren Raas Haare wieder komplett schwarz. Die roten Seidenbänder waren schon immer ihre Lieblingsbänder gewesen und hatten ihr selbst auf der Insel Mut gegeben. Zum ersten mal seit Jahren brauchte sie sie nicht mehr.
Raa Mon warf den Seidenbänderbeutel von sich und schritt zum Lagerfeuer.
Das Mädchen merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Es war auch nicht zu übersehen. Als sie näher kam, wurde ihr Gesicht düster und ihre Augen funkelte gefährlich. Es war schlimmer als sie es sich vorgestellt hatte: Das Feuer war ... es war fast zur Glut verkommen.
Nur noch wenige einsame Flammen leckten über ein paar schwarze Holzscheite. Sie wusste, was das bedeutete. Raa Mon schritt zum Waldrand und las - in Ermangelung von Holzscheiten - einen Arm voll möglichst trockener Äste und Zweige auf. Dann ging sie zurück und drapierte sie - so gut sie konnte - um und über die Flammen. Sie trat zurück und betrachtete ihr Werk. Das Feuer brauchte mehr, viel mehr.
Unwillkürlich wurde ihr bewusst, dass sie mehr Holz getragen hatte, als sie es gestern zustande bekommen hätte. Und dass sie die Hitze der Flammen weniger berührt hatten als sonst. Raa hob das Kinn. Am Tag ihres Triumphes über sich selbst, an dem Tag, an dem sie über sich herausgewachsen war, würde ihr das Versagen des Lagerfeuers keinen Strich durch die Rechnung machen.
Sie füllte ihre Lunge mit soviel Luft wie diese aufnehmen konnte und rief aus vollem Hals über den Platz:
"Wir wurden sabotiert! Helft alle, das Lagerfeuer zu erneuern!"