Wieso ist das Diskriminierung? Wirst du als Autobesitzer diskriminiert, weil du KfZ-Steuern bezahlen musst? Wirst du als Tante-Emma-Laden-Besitzer/in diskriminiert, weil man dich nicht subventioniert? Wirst du als Nichtrentner diskriminiert, weil man dir keine Rente zahlt? Wirst du als Arbeiter diskriminiert, weil du keine Sozialhilfe bekommst? Wirst du als Kinderloser diskriminiert, weil man dir kein Elterngeld auszahlt? Wirst du als Kinderloser etwa diskriminiert, weil du keine Elternzeit nehmen kannst?
Es gibt einen großen Unterschied zwischen Diskriminierung und Förderung. Es gibt noch einen viel größeren Unterschied zwischen Bevorzugung und der Förderung der Zivilehe.
Die Zivilehe ist das Samenkorn dessen, was wir heutzutage unter Familie verstehen. Die Familie ist die kleinste soziale Zelle einer Gesellschaft, die erste Instanz für Solidarität, geistige Hygiene, das dem Menschen inhärente Bedürfnis nach Beständigkeit. Das ist im höchsten Maße förderungswürdig. Und ja, die Gesellschaft bricht nicht zusammen, wenn die Steuervorteile wegfallen, aber sie bricht zusammen, wenn Kindergeld, Mutterschutz, Familienversicherung und der ganze andere soziale Kram, der dich armen Schlucker so schlimm diskriminiert, wegfallen, was die rechtliche Konsequenz aus der Abschaffung der Zivilehe wäre, weil du ein grundlegendes Rechtsprinzip ablehnst. Ein Rechtsprinzip übrigens, das in gleich zwei Grundrechtsartikeln des Grundgesetzes auftaucht. Da kannst du mir objektivistisch und liberal sein, wie du willst, mit unserer demokratischen Grundordnung hat die Förderung der Familie um einiges mehr zu tun und darauf kommt es meiner Meinung nach dann schon an. Wir sind auch eine Sozialdemokratie mit solidargemeinschaftlichem Anspruch, nur deshalb gibt es überhaupt soziale Förderung, das ist zwar nicht liberal, aber über alle Maßen humanistisch.Zitat
Der Staat fördert, was fördernswert ist und das jetzt schon in überaus unzureichendem Maße. Aber hey, graben wir die Sozialstruktur mal ein bisschen um, wer braucht schon Familienförderung.
Das versteh ich nicht so ganz. Konservation bedeutet nichts anderes als Erhalt und genau um den geht es mir doch. Dass euch dieser Erhalt nicht zusagt, ist mir schon klar, nur ich werfe dabei mal ganz dreist vor, dass man mit der Forderung nach blindem Liberalismus in der Familienpolitik grundlegende, wissenschaftlich fundierte und selbst für den Laien logische Tatsachen ignoriert, wie eben beispielsweise die, dass die Bevorzugung von Ehepartnern über 25 mit geregeltem Einkommen und ausreichendem pädagogischem Verständnis bei der Adoption dafür sorgt, dass das Kindeswohl soweit kontrollierbar gesichert ist - die Vorteile liegen nahezu auf der Hand. Diskriminierung wäre der völlige Ausschluss von Einzelpersonen aus dem Adoptionsprozess und das ist de facto nicht der Fall. Diskriminierung wäre die Verwärung der Steuervorteile in der Ehe gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen und das ist de facto nicht der Fall.Zitat
Ganz genauso verhält es sich mit dem Erhaltungswert der Familie; in einem Staat, in dem die Familie nicht als förderungswürdig gilt, ist die menschliche Würde soviel wert, wie seine verkommenen Kinderneuropsychiatrien.
Es geht dabei auch nicht darum, dass mir das running system so toll gefällt, weil es funktioniert; ich persönlich finde es so toll, weil es sich so nahtlos in den gesellschaftlichen Anspruch, solidarisch zu handeln, einfügt - ja, das tut auch das traditionelle Familienbild, genauso wie das einer Patchworkfamilie und das von Alleinerziehenden, genauso wie das von Kindern in einem Heim, genauso wie das Kranker in einer Anstalt, genauso wie das Sterbender in der Palliativbehandlung. Meine eigene, subjektive Weltsicht ist in dem Fall ganz dreist genau da ausgeliehen, wo die zahlreichen Urväter unserer Gesellschaft ihre Vorstellungen von sozialem Verhalten herhaben, nicht in der Effektivität des Systems (ich glaube, man findet heutzutage niemanden mehr, der das deutsche Sozialsystem als effektiv bezeichnen würde), sondern in dem ewigwährenden Bestreben, die menschliche Würde zu schützen. Und ich versteh nicht ganz - soviel geb ich zu, denn mein Tunnelblick des subjektiven Denkens schränkt mich da offensichtlich sehr ein -, was dieser ständige, über alle Maßen dogmatische Liberalismus im Bezug auf eben jenes höchst transzendentale Anliegen soll. Wer sich auch nur ein oder zwei Minuten mit den philosophischen und realen Grundlagen unseres Sozialsystems und seiner humanistischen Motivation auseinandersetzt, wird erkennen, dass das große Ganze darauf hinausläuft, dass die menschliche Würde - und da stimmen mir vielleicht auch die Radikalliberalen zu - nur dann erhalten werden kann, wenn Familie existiert, wenn die Familie dafür Sorge trägt, dass die ersten 4 Stufen der Bedürfnispyramide ausgefüllt sind, wenn Familie ersetzt wird, wo keine ist. Und ja, zu diesem Sozialsystem gehört auch die Förderung des Ehestandes als - wie schon erwähnt - Samenkorn der Familie, denn das traditionelle Familienbild ist noch immer das am stärksten vertretene. Dazu gehört die Förderung der Elternschaft, von Familien mit Kindern, von Kindern selbst. Dazu gehört genauso die Förderung Alleinerziehender, von Pflegefamilien und Adoptiveltern, die genau dem selben Rechtsprinzip gehorcht. Gäbe es dieses Rechtsprinzip nicht, wäre nicht nur unser Anspruch auf Solidarität und Sozialdemokratie hinfällig, unsere Gesellschaft als solche würde einen dermaßen großen Rückschritt machen, dass Nietzsche, Hesse und Sophie Scholl in ihren Gräbern bis in die Türkei rotieren.
Und noch einmal: Die steuerliche Förderung der Zivilehe ist ein grundlegender Teil dieses Rechtsprinzips und wenn man sie abschafft, negiert man dadurch automatisch eben jenes Rechtsprinzip oder aber das Rechtsprinzip der generellen Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, oder im besten Fall negiert man alle beide zusammen und dabei zusätzlich noch den Anspruch auf Sozialstaatlichkeit (und dadurch automatisch die Ewigkeitsgarantie mit Art.79, die Formulierung der Staatsform in Art.20 und naja, halt die Hälfte von diesem ganzen anderen Grundrechtskram).
Ich sag mal ganz offen, dass ich die Diskutierung der Förderungswürdigkeit der Ehe und damit halt zwangsläufig der Familie ebenso sinngestört finde, wie die Diskussion, ob man nicht für reiche Leute die Option einbauen sollte, sich aus dem Sozialsystem rauszuhalten: Beides ist über alle Maßen undemokratisch, nahezu staatsfeindlich, nahezu menschenfeindlich und verschließt nicht nur die Augen vor allen Realitäten unserer Gesellschaft, sondern ignoriert jede Definition von humanem Denken und Handeln, entbehrt - im Endschluss, ich werfe keinem vor, er sei ein Unmensch, weil er diese oder jene Weltanschauung und diese oder jene Theorie vertritt - einer essentiellen Form von Menschlichkeit, welche sich die Gesellschaft über Jahrhunderte hinweg erwerben musste und die erst in den letzten Jahrzehnten bis Jahren ihre derzeitige Reife erreicht hat.
Zu weit ausgeholt? Tja, willkommen in einer demokratischen Grundordnung, die komplex und fundiert ist, deren Sozialstattlichkeit sich auf für den Erhalt der Würde essentiellen Maximen begründet.