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Thema: Studium: Übersetzen

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  1. #16
    Ja, ich studiere so was. Sprachwissenschaft Chinesisch und Japanisch mit Fokus auf Übersetzung. Ist ein Bachelor, auf den man dann einen M.A. Translation machen kann, der einem Dipl. Übers. entspricht.

    Generell gilt: die Berufschancen sind absolut scheiße. Übersetzer werden zwar gebraucht, aber fest anstellen will so was keiner. Die meisten arbeiten als Freelancer auf Honorarbasis und besonders ertragreich ist das nicht. Und in den meisten Fällen übersetzt du dann auch nur Gebrauchsanweisungen von Staubsaugern. Klar, es gibt auch fest angestellte Übersetzer für Manga oder Videospiele, aber das sind dann die Traumjobs in der Branche und an die ranzukommen, ist sehr schwer. Darauf auf zu sein ist, als würdest Du als Medizinstudent darauf abzielen, irgendwann ein obszön reicher plastischer Chirurg in Miami Beach zu sein, um Brüste irgendwelcher Promis aufzublasen.

    Ich will Dir den Studiengang nicht madig machen (hey, immerhin studiere ich den Kram selber ^^), aber man sollte sich darüber im Klaren sein, daß man damit weder reich wird, noch mit Sicherheit irgendwo landet, wo man als Fan gerne landen würde.

    Zu den Sprachen gilt: Du solltest mindestens zwei können. Englisch zählt nicht, das kann inzwischen jede Sekretärin übersetzen und dafür stellt man keinen teuren Übersetzer mehr ein. Also zwei Sprachen, je ungewöhnlicher desto besser, und beide mindestens (!) auf dem B1-Niveau. Mein Studiengang setzt sogar zwei Sprachen voraus, mit nur einer kommt man gar nicht rein. Englisch ist wie gesagt sowieso eine Grundvoraussetzung, also hat man hinterher Englisch plus zwei weitere Sprachen. Die eigene Muttersprache muß man ebenfalls *perfekt* beherrschen, da man, wie schon gesagt wurde, auch so Dinge wie Dialekte, Wortspiele usw. irgendwie rüberbringen muß. Und man übersetzt generell nur in seine Muttersprache rein, niemals aus der Muttersprache in die Fremde. Bei Englisch ist das noch 'ne Ausnahme, wenn man wirklich, wirklich gut Englisch kann, aber man wird z.B. nie einen Deutschen, der Chinesisch spricht, engagieren um einen Text ins Chinesische zu übersetzen, sondern immer einen Chinesen, der Deutsch spricht.

    Übersetzen ist auch nicht gleich Dolmetschen. Mit einem M.A. Translation oder einem Dipl. Übers. ist man kein Dolmetscher. Dafür gibt es gesonderte Studiengänge, ich glaube Tübingen hat einen Diplomdolmetscher. Ansonsten kann man auf den Übersetzter-Abschluß noch einen Aufbaukurs machen, um das zu lernen. Ist aber 'ne ganz andere Kiste. Übersetzen kann ich ganz gut, möchte ich behaupten, aber beim Dolmetschen sucke ich gewaltig.

    Und um noch die Frage nach Chinesisch und Japanisch zu beantworten: Chinesisch ist *viel* einfacher, zumindest auf Übersetzung zugeschnitten. Die japanische Grammatik ist eine Bitch und einen japanischen Text zu übersetzen ist ein Spießrutenlauf, der einen zum Heulen bringt. Chinesische Texte sind relativ einfach, zumindest die nicht-fachsprachlichen. Und auch bei den fachsprachlichen ist es hauptsächlich ein Vokabelproblem, das sich mit einem guten Wörterbuch lösen läßt. Die Grammatik ist ziemlich simpel und nicht so schwer zu erlernen.
    Was das Sprechen angeht, so ist Chinesisch vermutlich schwieriger, weil es eben eine tonale Sprache ist und das für Europäer etwas total ungewohntes ist. Als Beispiel sei angeführt, daß man bei romanischen Sprachen bei Fragen immer am Ende die Stimme hochzieht. Das muß man sich im Chinesischen ganz schnell abgewöhnen, weil man sonst was völlig anderes sagt! Dafür gibt's da sogenannte Fragepartikel, die anzeigen, daß es sich um eine Frage handelt, die man stellt. Aber das würde jetzt zu weit führen. Japanisch ist zwar eigentlich auch eine tonale Sprache, aber deutlich weniger ausprägt als das Chinesische. Dort gibt es nur Wortakzente und keinen Tonverlauf, außerdem verstehen einen Japaner auch, wenn man das nicht kann (es klingt nur komisch für sie) und Homophone, die sich nur durch die Betonung unterscheiden, sind relativ selten. Im Chinesischen begegnen sie einem aber dauernd.

    Ich würde als Übersetzer dennoch hundertmal lieber Chinesisch machen als Japanisch, weil die Grammatik einfach doch das Hauptargument ist. Die Töne und das alles sind beim schriftlichen Übersetzen herzlich egal, weil man eh seine Schriftzeichen hat und mit denen ist es eindeutig, was da steht. Man muß nicht mal wissen, wie man den Kram ausspricht, um es zu übersetzen.
    Als Anfänger bei asiatischen Sprachen wird man die Schriftzeichen erstmal hassen, bis man irgendwann das Prinzip mit den Radikalen und Elementen verstanden hat und sie dann sehr einfach zu lernen werden. Dann liebt man sie. Generell gilt: je mehr Schriftzeichen ein Text hat, umso leichter ist er zu verstehen. Chinesisch hat da den tollen Vorteil, daß es nur Schriftzeichen hat. Einen Text, der in Pinyin, Zhuyin oder einer anderen Transkription geschrieben ist, kann man nicht übersetzen, da machen einem die Homophone einen Strich durch die Rechnung. Da gibt's schöne Beispiele von klassischen Texten, die nur aus ein und der selben Silbe bestehen, ein paar hundertmal. Wenn man da keine Zeichen hat, kann man auch gleich aufgeben.
    Die Japaner haben zusätzlich zu den Schriftzeichen noch ihre Silbenalphabete und die sind ähnlich scheiße beim Übersetzen, wie Transkriptionen. Und leider tendieren moderne japanische Texte dazu, die exzessiv zu verwenden und immer weniger Schriftzeichen. Es ist nicht so schlimm wie Chinesisch in Pinyin, aber auch nicht so angenehm wie Chinesisch in Zeichen.

    Chinesisch ist allerdings lernintensiver, weil man eben alle Zeichen lernen muß und das in zwei Formen. Die vereinfachten (für Texte aus der VR China und Singapur) und die traditionellen (für Texte aus Hong Kong und Taiwan). Schreiben mußt Du nur eine Form können, das kann man sich meistens aussuchen, aber lesen solltest Du beides können. Man weiß ja nie, wo der Text herkommt, der einem präsentiert wird. Und nichts ist nerviger, als sich Zeichen raussuchen zu müssen, die man noch nie gesehen hat. Für Japanisch mußt Du hingegen nur die traditionellen Zeichen lernen (mit den japanischen Varianten, aber das sind nicht besonders viele und man erkennt sie auch meistens, wohingegen vereinfachtes Chinesisch die totale Vergewaltigung ist und mit den traditionellen Zeichen so viel zu tun hat wie das lateinische mit dem kyrillischen Alphabet).

    Einen Auslandsaufenthalt in einem Land, wo Deine Erstsprache gesprochen wird, würde ich Dir aber auf jeden Fall empfehlen. Da nimmst Du viel Sprachgefühl mit und das hilft ungemein. Wenn Du wirklich nur übersetzen willst und Dir egal ist, die Sprache auch aktiv zu sprechen (das ist zum Beispiel für Übersetzer für klassisches Chinesisch relativ egal), dann geht's auch ohne, aber es lohnt sich.

    Geändert von Ranmaru (04.08.2009 um 00:37 Uhr)

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