Aus glutroten Augen beobachtete sie aufmerksam die langen, schlanken Finger ihrer Schülerin und Ziehtochter. Geschickt führten diese den Dietrich ins Schloss und nach nur wenigen, präzisen Bewegungen hatte sie das Schloss geknackt. Wohlwollend nickte sie der jungen Waldelfe zu, als diese vorsichtig zu ihr aufblickte und ein Lächeln huschte über das elfenbeinfarbene Gesicht der Schülerin. Vor fast fünfzig Jahren hatte sie sich ihrer angenommen. Aus dem plumpen, dicklichen Kind war eine hochgewachsene junge Elfe geworden.
Vorsichtig öffnete sie die Tür und spähte in den spärlich beleuchteten Raum. In der hinteren Ecke befand sich eine Falltür, vorne stand eine große, reichverzierte Truhe neben einem Bücherregal. Sie bedeutete ihrer Schülerin, die Falltür in der hinteren Raumecke zu öffnen. Dort würden sie in wenigen Minuten in den Abwasserkanälen Vivecs verschwinden. Natürlich mit der Beute, die sie jetzt aus der Truhe befreien würde.
Ohne Hast öffnete sie das Schloss. Obwohl die Gelenke ihrer dunkelblauen Finger langsam steif wurden vom Alter liefen die vertrauten und über Jahrhunderte einstudierten Bewegungen reibungslos ab.
Rasch steckte sie den Kunstgegenstand in den Beutel und durchquerte den Raum. Die Schülerin hatte die Falltür bereits geöffnet. Vorsichtig stieg sie die Sprossen hinunter, spürte die feuchte Kälte der Kanäle in ihre Knie kriechen. Am Boden der Leiter angekommen überprüfte sie schnell den Sitz des Beutebeutels und blickte dann zur Luke hinauf. Ihre Schülerin kam geschmeidig, fast katzengleich und völlig lautlos die Stufen hinabgeklettert.
Zurück im Unterschlüpf verstaute sie die Beute in einer unscheinbaren Truhe. "Meine Schülerin", wandte sie sich an die Bosmerin, "ich habe dich alles gelehrt, was ich dich lehren kann. Ich fühle das Alter in meinen Knochen. Es wird Zeit, dass du allein arbeitest. Nimm dies als Geschenk von mir zu deiner abgeschlossenen Ausbildung." Damit überreichte sie der jungen Frau ein schlichtes, braunes Lederetui. "Habt Dank", hauchte die Waldelfe und nahm die meisterhaft gefertigten Dietriche ihrer Lehrerin entgegen. Einen Moment blickten die Frauen sich stumm an, bevor sie sich gegenseitig in die Arme fielen.
"Ich hab dir doch gesagt, das ist totsicher!"
Die krallenbewehrte Pfote drängte den kleinen Beutel zurück in die Hand des Kaiserlichen. "Nur 100 Draken. Ihr könnt das Zehnfache damit verdienen!" Zögerlich wechselte ein zweiter Beutel den Besitzer.
"Aaaahhh, guuuut", schnurrte der Khajit, als er die Draken unter seinem Mantel verschwinden ließ. "Noch ein Tipp für einen guten Kunden, hmmm? Seht Ihr, Waldelfe dort drüben? Ganz allein, keine Freunde. Khajit ihr Getränk ein wenig gesüßt. Wird süßes Mädchen glücklich machen. Mann aus Cyrodiil geht zu ihr, morgen oder übermorgen. Verkaufen...", als er das letzte Wort flüsterte, deutete er auf den Beutel in der Hand des Kaiserlichen und verließ dann wie ein Schatten die Taverne.
Am nächsten Abend nahm Talek seinen Mut zusammen und setzte sich zu der Bosmerin an den Tisch. Ihre Kleidung war einfach, ließ jedoch nicht auf Armut schließen. Auch konnte sie scheinbar reichlich in der Taverne essen und trinken. Wie sie wohl hierher, in das Fremdenviertel von Vivec gekommen war? Ihre rabenschwarzen Haare glänzten im flackernden Schein der Kerzen. Ihre große, schlanke Gestalt saß zusammengesunken am Tisch und eine seltsame Traurigkeit schien auf ihrem elfenbeinfarbenen Gesicht zu liegen. Aber vielleicht lag der Eindruck auch nur an den beunruhigenden schwarzen Augen, die wie Kohlestücke in dem Gesicht lagen und denen jegliches Weiß fehlte.
Er winkte dem Wirt, als er mit seinem Mahl an dem Tisch stand, an welchem er eben noch gesessen hatte. "Ist mit Euch alles in Ordnung?", fragte er vorsichtig in Richtung der Waldelfe. Sie zuckte zusammen und steckte eilig ein fleckiges Lederetui in ihre Gürteltasche. "Ja, Danke", antwortete sie dann mit heiserer Stimme.
Der Kaiserliche wandte sich seinem Teller zu und nahm eine Gabel voll. "Etwas fad, findet Ihr nicht?", er zog einen kleinen Beutel hervor und krümelte wenige weiße Kristalle auf sein Essen. "Essen sollte die Sinne erfreuen und vom Leid des Lebens ablenken, findet ihr nicht?" Er nahm noch einen Bissen. "Möchtet Ihr vielleicht auch einmal probieren?" bevor sie reagierte, landeten auch einige Kristalle auf ihrem Teller. Zögerlich nahm sie wieder ihre Gabel und wandte sich ihrem bereits halb geleerten Teller zu. Der Kaiserliche lächelte und nickte aufmunternd.
Sie aßen schweigend. Nachdem der Wirt die Teller abgeräumt hatte, flüsterte Talek: "Ich komme gleich zurück. Tut mir den Gefallen und wartet, hm?" Er stand auf und bestellte an der Theke zweimal cyrodiilischen Branntwein. Auf dem Weg zurück zum Tisch ließ er noch einige Krümel der weißen Substanz in das Glas fallen, welches für die Bosmerin bestimmt war.
Mehrere Gläser später lag ein seeliges Lächeln auf dem Gesicht der jungen Frau. Ihre Wangen waren gerötet und ihr Kummer schien vergessen. "Guuuuut...", seufste sie, als sie das letzte Glas leerte und abstellte. Ihr Kopf sank gegen Taleks Schulter, der verträumt über ihr langes Haar streichelte. "Ich kann Euch mehr davon besorgen", flüsterte er in ihr spitz zulaufendes Ohr. "Als Freundin mache ich euch ein Sonderangebot", mit diesen Worten tasteten sich seine Finger zwischen ihren Rock und ihr Hemd, streichelten zarte, warme Haut. "Kommt mit", flüsterte er, und half der schwankenden Elfe auf die Beine.
Vielleicht hatte der Khajit Recht gehabt. Er konnte eine Menge verdienen. Aber der Preis in Draken war zunächst noch nicht wichtig.
Licht fiel durch das schmale Fenster, stach wie Messer in ihre Augen. Ihr Schädel drohte zu explodieren, statt ihrer Zunge schien sich ein Stück fauliges Kaguotifleisch in ihrem Mund zu befinden. Sie wältzte sich aus dem Bett, ihr Rücken schmerzte protestierend. Tiefblaue Abdrücke zierten ihre Handgelenke. Ein Brennen und eine winzige Spur Blut an der Innenseite ihrer weißen Oberschenkel ließ Übelkeit in ihr Aufsteigen. Zitternd zog sie ihren Rock und ihr Hemd über, suchte noch nach dem Gürtel und dem Lederetui in der Tasche.
Dann verließ sie fluchtartig die Unterkunft des Kaiserlichen.
Die dreckige Wasseroberfläche in den Kanälen spiegelte ein blasses Gesicht, das von zerzausten schwarzen Haaren umrahmt wurde. Brennend heiß liefen ihr die Tränen über das Gesicht. Sie zog die Beine an und umklammerte ihre Knie. Das Lederetui mit den Dietrichen ihrer vor wenigen Tagen verstorbenen Meisterin presste sie dicht an sich.
Langsam verging die Übelkeit und der Ekel. Langsam versiegten die Tränen.
Machten Platz für etwas anderes. Für das Verlangen. Nach Süße, nach Trost, nach Vergessen. Nach einer Stimme, die ihr zuflüsterte, das alles gut werden würde. Wie eine Marionette erhob sie sich und ging den Weg zurück.
10 Stunden Dienst im Fremdenviertel hatten noch immer für schwere Beine gesorgt. Hinter der goldenen Helmmaske staute sich seine eigene, warme Atemluft. Der Brustpanzer lastete schwer auf seinen Schultern, obwohl der Gürtel schon einen Großteil des Gewichts trug. Als er auf der untersten Ebene den riesigen Gebäudekomplex verließ, atmete er dankbar die nach frischem Seewasser riechende Luft ein, die sich unter seinen Helm verirrte. Zügigen Schrittes lief er auf den Gondelführer zu. Je schneller er zu Hause war, umso schneller konnte er aus dieser Rüstung und sein wohlverdientes Bad genießen.
"Zum Tempel", wies er den Bootsführer kurz an und ließ die abgezählte Summe Draken in seine Hand fallen. Der Dunmer nickte knapp und blickte beinahe ehrfürchtig zu ihm auf, bevor er eilig die schwankende Brücke hinunter lief um sein Boot fertig zu machen. Tanar seufste hinter seiner Maske. Er war weder sehr groß, vermutlich nicht einmal größer als der Gondolier, noch hatte er besonders breite Schultern oder war überhaupt irgendwie von beeindruckender Statur. Doch die breiten Schulterplatten der Rüstung, die unfreundlich dreinblickende Maske, der blecherne Klang seiner Stimme darunter und der generelle Ruf der Ordinatoren ließen ihn sogar vor Orks und Nord, die leicht das doppelte von ihm wogen zu einer Respektsperson werden. Dazu kam, das der übervolle Dienstplan und das ewige Herumstehen irgendwann sogar den freundlichsten Dunmer wortkarg und schroff werden ließen.
Er schritt einige Meter hinter dem Bootsführer den schwankenden Steg hinunter und bemerkte erst als er das Boot betrat, das sich noch ein Passagier an Bord befand. Als er sich ihr gegenüber setzte, schien sie noch mehr in sich zusammen zu sinken und beinahe unsichtbar zu werden. Er beobachtete, wie die hohe Mauer des Fremdenviertels an der Gondel vorbeizog, das Wasser glatt und sanft um die Bootswände spülte. Doch immer wieder wurde sein Blick von der Gestalt der Bosmerin angezogen. Ihre Kleidung sah alt und abgewetzt aus. Ihr langes, schwarzes Haar hing ihr stränig ins Gesicht. Das Licht der tiefstehenden Sonne verfing sich in den zerzausten Locken, die jedoch nur stumpf und spröde wirkten. Die Hände in ihrem Schoß hatten lange Finger, doch schlank schien als Beschreibung nicht zu passen. Abgemagert und wie bei einem Skelett standen die Fingerknöchel hervor. Ihre blasse Haut hätte vornehm wirken können, hatte aber mehr den Farbton von totem Wachs. Ihre Wangen waren eingefallen und unter ihren halb geschlossenen Augen zeichneten sich schwarze Ringe ab.
"Welches Leid muss ihr zugestoßen sein?", fuhr es ihm durch den Kopf. Und obwohl es sonst nicht seine Art war, setzte sich dieses Gefühl fest. Schwer zu beschreiben, aber es schien etwas wie Mitgefühl zu sein.
Plötzlich hob die Waldelfe den Kopf und lächelte ihn an. Hatte sie seine Gefühlsregung bemerkt? Doch nein, versuchte er seinen hektisch gewordenen Herzschlag zu beruhigen. Sein Gesicht war hinter der Maske verborgen, niemand hätte etwas erkennen können. Dann erkannte er den Grund ihrer plötzlichen Freude. Zwischen ihnen schwebte eine schillernde Libelle in der abendlichen Luft. Mit kindlicher Freude streckte sie die Hand nach dem Insekt aus und in ihren schwarzen Augen lag ein heller Glanz. In diesem Moment erkannte Tanar die Schönheit, die hinter den tiefen Schatten in ihrem Gesicht verborgen lag.
Die Libelle flog zur Seite und erntfernte sich von der Gondel. Die Bosmerin drehte sich hektisch nach dem Insekt um. Zu hektisch. Ihre plötzliche Bewegung brachte das Boot ins Schwanken. Sofort griff Tanar nach dem Bootsrand, hielt sich fest und versuchte die Bewegung auszugleichen. In voller Rüstung baden zu gehen war ein Vergnügen, das er lieber auf später verschieben wollte. Da auch der leicht gekleidete Gondolier scheinbar ein Bad vermeiden wollte, schwankte das Boot nun zur anderen Seite. Die junge Frau reagierte wie in Zeitlupe, griff neben den Bootsrand und fiel ins Wasser.
Erschrocken drehte Tanar sich in ihre Richtung. Sie schwamm mit dem Gesicht nach unten neben dem Boot im Wasser. Ihre Schwimmbewegungen waren hektisch, aber unkontrolliert. Irgendetwas schien mit ihr absolut nicht zu stimmen.
Beherzt griff er nach ihrem Körper und dankte im Stillen dem Gondolier, dass er auch diese plötzliche Bewegung seiner Passagiere ausgleichte und das Boot vor dem Kentern bewahrte. Er griff die Bosmerin am Gütel und der Schulter und zog sie mit Leichtigkeit zurück ins Boot. Sie schien fast nichts zu wiegen, als sie neben ihm saß und ihren Oberkörper gegen seinen lehnte.
In der kühlen Abendluft fing die Gerettete schnell an zu zittern. Ohne weiter darüber nachzudenken, zog er den Umhang von seinen Schultern und wickelte sie darin ein.
"Ich kümmere mich um sie", waren die Worte, mit denen er sich vom Gondolier verabschiedete.
Nachdem er sie gebadet und ins Gästebett seines kleinen Heims im St. Delyn Bezirk gesteckt hatte, kam Tanar endlich dazu, über die seltsame Situation nachzudenken. Wer war die Fremde, die jetzt in seinem Haus schlief? Was sollte er mit ihr tun? Lebte sie hier in Vivec?
Vor ihm auf dem Tisch lagen die Habseligkeiten der Bosmerin. Viel war es nicht, nur ein kleiner Rucksack und eine Tasche, die an ihrem Gürtel befestigt war. Nach einigen Minuten kam Tanar zu dem Schluss, sich die Sachen anzusehen. Nicht um zu spionieren, aber vielleicht konnte er herausfinden, ob sie hier Familie oder Freunde hatte, zu denen er seinen Gast morgen bringen konnte.
Er öffnete die Gürteltasche und zog ein fleckiges, abgestoßenes Lederetui hervor. Als er es öffnete, blickte er auf ein vollständiges Sortiment Dietriche. Gut gearbeitete, aber schlecht gepflegte Dietriche. Eine seltsame Traurigkeit legte sich auf sein Gemüt. Die Waldelfe war eine Kleinkriminelle. Er legte die Dietriche beiseite und wandte sich dem Rucksack zu. "Nein, bitte nicht...", flüsterten seine Lippen, als er die beiden Skoomaphiolen aus dem Stofflappen auswickelte. Nicht nur eine Kleinkriminelle, auch noch eine Drogensüchtige. Vermutlich stahl sie, um ihre Sucht bezahlen zu können. Vielleicht hatte sie sogar ihren Körper verkauft. "Warum...?"
Er hatte schon viele Drogensüchtige in den unteren Kanälen Vivecs aufgelesen. Nur die, die den Gebrauch der Droge übertrieben, waren davon so gezeichnet wie die Frau aus dem Boot. Warum hatte er die Anzeichen nicht gleich erkannt? Hatte er sie nicht erkennen wollen?
Sie hasste ihn. Hasste ihn aus ihrem ganzen, tiefsten Herzen. Oder jedenfalls mit dem, was die Droge davon übrig gelassen hatte.
Sie erinnerte sich an das kalte Wasser. Überall um sie herum. In ihren Augen, ihrem Mund. Sie wollte schreien, den Kopf aus dem Wasser heben, doch ihre Arme fanden keinen Halt. Dann wurde sie gerettet.
Und jetzt war sie hier. Eingesperrt in einem kleinen Raum, mit nichts weiter als einem Bett und einem Tisch. Licht fiel durch ein kleines, schmales Fenster, erlaubte jedoch keine Flucht. Sie wollte zurück zu Talek, wollte den Zucker kosten, seine Stimme hören. Sie schrie und weinte, schlug und trat gegen die Wände, hämmerte mit ihrem Kopf gegen die Tischplatte. Der Dunmer, das einzige Gesicht in ihrem Gefängnis, brachte ihr Nahrung und Wasser, streckte die Hand nach ihr aus, doch sie schlug sie zurück und kreischte nach Talek. Nach der Droge, die sie von ihm bekam.
Es wurde dunkel und wieder hell. Mehrmals, immer wieder.
Manchmal wachte sie auf, und erinnerte sich an eine Stimme, die im Schlaf zu ihr gesprochen hatte. Eine sanfte Stimme, nicht die von Talek. Sie erinnerte sich nicht an die Worte, aber der Klang beruhigte sie.
Wenn sie tobte, war der Dunmer wieder da, hielt ihre Arme und drückte sie fest an sich. Und er sprach zu ihr. Mit der Stimme aus ihren Träumen. Doch diesmal verstand sie die Worte: "Du musst kämpfen! Halte durch! Ich weiß, dass du es kannst."
Sie erwachte aus einem bösen Traum. Sie wusste nicht, wie lange sie in dem kleinen Gästezimmer verbracht hatte, fragte auch nicht danach, wollte es nicht wissen. Erst Wochen später verstand sie, dass der gleiche Mann, der sie aus dem Wasser gezogen hatte, sie nicht nur vor dem Ertrinken gerettet hatte. Er hatte sie vor Talek und der Droge gerettet. Er hatte ihren Hass und ihre Wut ertragen, weil er etwas in ihr gesehen hatte, weil er daran geglaubt hatte, was sie längst aufgegeben hatte.
Sie liebte ihn dafür.
Als er ihr das Etui mit den Dietrichen überreichte, und sie aufforderte, sie zu vernichten, standen ihr die Tränen in den Augen. Sie gab sie ihm zurück, bat ihn, darauf aufzupassen, denn es war das letzte, was sie an eine Frau aus ihrem vorherigen Leben erinnerte. Ein Leben vor der Sucht. Eine Frau, die ihr noch immer etwas bedeutete. Tanar verstand. Er nahm die Dietriche.
Sie blickte in den Spiegel im Bad. Ihre Haut sah noch immer fahl aus, doch die Ringe unter ihren Augen waren zurückgegangen. Ihre Lippen hatten wieder einen leichten rosa Farbton und in ihren Augen war der alte Glanz zu erkennen. Nur ihre Haare waren zerstört. Trocken und brüchig hingen sie von ihrem Kopf. Langsam nahm sie das Messer, dass vor ihr auf der Komode lag und setze an ihrer Stirn an. Einige Augenblicke später deutete nurnoch ein wenige Millimeter langer Rest von der schwarzen Haarpracht, die ihr einst über die Schultern fiel.
Entschlossen blickte sie auf den versiegelten Brief und den Beutel mit Draken. Sie würde Tanar nicht enttäuschen. Sie würde ein neues Leben beginnen. Ein ehrliches Leben.
"Jeder neue Rekrut bekommt natürlich eine Ausrüstung und ein Zimmer in der Gildenhalle gestellt, wenn Ihr es wünscht. Wir werden zunächst sehen, welche Waffen und Rüstungen Euch liegen, und dann einige Wochen mit dem Grundlagentraining verbringen. Danach könnt ihr einfache Aufgaben übernehmen, Eure eigenen Draken verdienen und Karriere machen." Der Ausbilder der Kämpfergilde lächelte die Bosmerin mit dem kahlgeschorenen Kopf an. "In diesem Brief verbürgt sich Tanar Valaai, ein angesehener Bürger und Ordinator, für Eure Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit. Die Beitrittsgebühr habt Ihr ebenfalls entrichtet, Ihr könnt also gleich hierbleiben und mit dem Meister der Waffenkammer sprechen. Es sei denn, Ihr habt noch etwas zu erledigen." Ihre kohleschwarzen Augen blickten ihn unverwand an, wärend er auf eine Antwort wartete. "Nun gut", fuhr er nach einigen Augenblicken des Schweigens fort, "wenn dem nicht so ist, wen darf ich dann in unsere Mitgliederliste eintragen?"
"Irwaen", antwortete die Bosmerin mit fester Stimme.