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Thema: Literarische Arbeitsproben (Textfluten‼ - diesmal wirklich)

Baum-Darstellung

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  1. #2
    [FONT="Palatino Linotype"]Worte in Versen:[/FONT]


    Entschuldigung postum
    Man streut uns Brotkrumen
    Wässert die Dornenhecken
    Fertigt Handschuhe aus Katerfell

    In unseren Büchern steht nichts
    Außer der Verfall alter Generationen
    Die Liebe jener Unwürdigen

    Zeit bleibt, es besser zu machen
    Sie lachen, sie streuen Salz
    Jemand schläft in Karthago
    Und verzeiht vielleicht


    Reinheit
    Am Ende schlagen wir Sturzbäche
    Schnee schmilzt, warum also
    Auf den Frühling warten

    In Filmen
    Die Banalität der Schuld
    Wäscht uns rein

    Freudenstrahlen in einem Gesicht
    Falsches Lachen in den Küchen
    Du zählst hier nichts

    Schneeballschlachten im Hafen
    Und Gier nach Waschpulverbrisen
    Fühle ich, bin ich frei


    Alltagsmelancholie #1
    In ei'm Garten sah ich stehen
    Einst zwei Blumen, still entzweit.
    Sprach ich, im Vorübergehen:
    „Ach, du treue Einsamkeit.“


    Wenn ich bloß fliegen könnte
    „Ach, wenn ich doch bloß fliegen könnte,
    Frei, so frei wie ein Vögelein.“
    Und in des Sommers Abendröte
    Wuchsen dir der Flügel zwei'n.

    Die Schwingen erhoben entschwindend
    Schwebtest du in den Lüften dich windend
    Und landetest auf einem Stein.

    „Ach, wenn ich doch bloß singen könnte,
    Schön wie singt ein Vögelein.“
    Und in des Sommers Abendröte
    Wuchs dir ein Schnabel krumm und fein.

    Das Köpfchen erhoben frohlockend
    Krächztest du laut und erschrocken
    Und wolltest schon nicht mehr sein.

    „Ach, wenn ich doch bloß küssen könnte,
    Innig und lieb wie ich war dein.“
    Und in des Sommers Abendröte,
    Brach mein Schatz unter Schluchzen und Schrei'n.

    In Sorgen ich flehte „Helie, sei gewogen.“
    Und großer Schwingen, krächzend flogen
    In die Wolken der Raben nun zwei'n.


    Vom Verfliegen der Zeit
    „Wir haben nur Minuten“,
    schrien die Vögel laut in die Welt,
    „Nur wenige Minuten,
    die sind alles was zählt.“

    „Wir haben nur Momente“,
    raunte der Sand leis’ in der Uhr
    „Nichts als Momente...“
    raunte er, wie er sanft durch sie fuhr.

    „Nur Sekunden gar, nur Sekunden“,
    kreischte ein Wind und rauschte:
    „nur eine Hand voll Sekunden...“
    Und ich stand da und lauschte
    wohl Stunden um Stunden.


    Metonymie der Stille
    Ein verlorenes Gefühl in den Adern
    Ein Anflug von Übelkeit
    Spritzennadeln injizieren
    Tausendjährige Dornenhecken, sanft

    In den Fugen der Stille: ein Aufschrei
    Geht durch die Glieder und dann
    Flucht in die Weiten des Mohnfeldes.

    Im kalten Morgengrauen erwachen wir
    Der Wahrheit näher als zuvor
    Ein verlorenes Gefühl strömt vorbei
    Ein zweites Mal verpasste Chancen


    Entgleisung
    Schlag auf Schlag im Takt
    Wir fliegen davon in Schwermut
    Doch finden wir Hoffnung in einer Blüte

    Explosion eines Steins
    Funken auf Metall
    Ein Streich unter Jungen

    Momentbeben in unseren Gliedern
    Wir sind zum Leid bereit
    In unseren Händen die Blüte vergeht

    Unser Flug führt ins Nirgendwo
    Wir landen im Nichts
    Fluktuiert von einem Traum aus Mohn

    Schneewehen wischen über unsere Gesichter
    Wir verbrennen darin, darauf:
    Glück


    Echt
    Brieftauben zwischen den Städten
    Picken sich Seite an Seite
    Sehnsuchtsvolle Zeilen in den Nacken
    Ein Pappus auf Reisen
    Mit saftigen Früchten daran, die
    Im Lichte der Sonne glänzen
    Seltsames Volk, diese Menschen
    Seltsame Reisen, wie
    Ein Zug ohne Bahngeleise
    Jemand darin schweigt
    Jemand schafft Lachen und vergisst
    Was echt ist


    Zwang
    Wiederholte Worte der Hoffnung
    Wiederholte Worte der Hoffnung
    Wir zählen sie alle
    Eins, zwei, drei
    Wiederholte Worte der Hoffnung

    Imperative sagen
    Umarme mich, denn du weißt
    Was meinem Herzschlag wohl tut

    Superlative meinen
    Halte mein Herz, bis es zerbricht
    Dann bist du frei

    Initiative ergreifen
    Bis sie Zwang wird
    Bis sie Zwang wird
    Bis sie Zwang wird


    Käfig
    Ich habe mich befreit, in meinem Käfig
    von Menschen
    von Kühen
    von Affen
    von Hunden
    in meinem Käfig

    Ich habe mich hingesetzt, in meinem Käfig
    auf einen Stuhl
    auf einen Karton
    auf den Boden
    in meinem Käfig

    Ich habe gelärmt, in meinem Käfig
    ich habe gesprochen
    ich habe gemuht
    ich habe gekreischt
    ich habe gebellt
    ich habe geweint
    in meinem Käfig

    Ich habe Dinge gesehen, in meinem Käfig
    Einsamkeit
    Erholung
    Stille
    Nichts
    in meinem Käfig

    In meinem Käfig, da bin nur ich
    ich und meine Gedanken
    und keiner mehr dahinter
    und keiner mehr frei
    und nicht einer mehr
    in meinem Kopf

    In meinem Kopf
    ist mein Leben verdorben


    Alltagsmelancholie #3
    Ich sehe einen Tropfen
    An meinem Autofenster.
    Dahinter jene Frau:
    Im blauen Mantel, im Regen
    An der Straße wartend.
    Wenn ich jetzt kurbelte,
    Fragte, ob sie mich der Liebe wegen liebte,
    Wären wohl beide verschwunden.


    Vom Staatengründen
    Äpfel im Garten zwischen
    Furchen den Sparten zischen
    Leise im Dunst

    Darunter Vernunft.
    Und wie zu belehren
    Singt Kadmos zu Ehren
    Der Vogel ein Lied

    Ein fremdes und einst
    Als er flog in den Höhen
    Der Drache, zu stehen
    Wider dem Ehrenmanne:
    So war er frei
    Und war fröhlich alsbald.

    Was nützten die Waffen
    Was Speer und was Fels
    Im Kampfe wider die Schwachen
    Die man knechtet und quält?
    Und die Furchen im Lehm
    Die man formte so schwer?
    Und die Sehnsucht, die man spürte
    so sehr?

    Doch frei sein.
    Frei sein und lachen -
    Das alles bedeutet
    Nun nichts mehr.


    Sterben
    Gespräche über Schuld,
    Bald fasst uns die Gewalt:
    Groß Reden über Bäume
    Schnee und Eis so voller Wahrheit
    Zarter Mantel Unschuld
    Auen so weit wie
    Treue

    Oh, in Schweigen gehüllte Ewigkeit
    Eure Andacht stört meine Kreise
    Eure Gegenwart streift die weiße Haut

    Schlägt die Gegenwart in den Wind
    Oder Sturzbäche die Vergangenheit
    Die Stühle kurz und klein
    Sind Winde,
    schnell wie Südseeschnecken und Muscheln,
    Bedeutungslose, ewig weise Philosophen

    Verschwendet Zeit mit Gebeten
    Zählt die Halme der Auen, fegen
    Die Winde darüber, von Neuem

    Fürchten wir die Einsamkeit
    Der Schmerz die Bedeutungslosigkeit
    Die Trauer den Kummer
    Die Halme die Unzählbarkeit
    Von Sand am Meer, die Zahlen:
    Mehr als Nichts, Unsterblichkeit
    Bedeutungsloser, ewig weiser

    Sieh am Wegesrand die Bäche:
    Unrecht so unvergänglich ungestüm gezeiht
    Gestattet das Verweilen


    Cyrano
    schlaftrunken bettele ich
    nach Narben
    auf unserer weißen Haut
    kein Streich darauf
    darunter fiel
    ein Kleiner Junge

    an großen Nasen
    so voller Treue
    führt man sich selbst herum
    und wärmt jemandes Hand
    auf dass ein anderer sie nehme
    am Fenster sitzend
    von der Freiheit schwärmend
    doch mit den Worten eines Fremden


    Ein Scheusal auf dem Trockenen
    Ein Wasserrad verrät die Schwachen
    Die Becher leer, bis dass ein anderer spricht
    Von Durst oder Gerechtigkeit
    Noch weiß er es nicht

    Im süßen Augenblick der Stille
    Regt leis’ ein Kummer sich empor
    Schwindet, kommt und bleibt und geht nicht
    Wer ist das Scheusal, das sein Gesicht darin verlor

    Im sanften Mantel schwerer Steine
    Schmiegt das Rädchen sorglos sich dagegen
    Stockt und staut den teuren Stoff
    Oh, was Winde über Auen fegen
    Oh, was ist mein Scheusal groß


    Molch und Seekuh
    Wir machen halbe Worte um Sachen, die wir nicht ganz verstehen
    wir schlürfen Blut aus tiefen Krügen, deren Boden wir nicht sehen
    wir fürchten Tod, Liebe, Hass und Schmach, derer wir groß Reden machen
    am Ende schlafen wir
    allein

    sein ist was wir wollen.
    unsere Stille ist monochrom, unsere Welt stumm.
    Schnee fällt auf die schwachen, schwarzen Rabenfedern unserer Milch.
    Milch, die wir uns mit Honig versüßen.
    wir sind nichts.

    wir spucken große Töne über Dinge, die wir einfach nicht verstehen wollen
    wir spucken Blut zurück in Krüge, aus denen wir nicht hätten trinken sollen
    wir sterben, schmachten und hassen, aus Angst vor unserer selbst
    am Ende wachen
    Molch und Seekuh

    und schwimmen in unserer verdorbenen Milch.


    Der Teebeutel im Kakao des Archäologen
    Anachronismen durchstreifen die Gegenwart
    Wie Reif in den Fugen der Zeit
    Wie ein Korn in den Speichen der Gleichgültigkeit
    Wie Mohn in meinem Kaffee

    Es sind Gleichnisse, die niemand wählt
    Und Orte, die niemand nennt
    Und Pfirsichmarmelade
    Und Frühstücken sollten etwas bedeuten

    Der Teebeutel im Kakao des Archäologen
    bringt mich auf seltsame Nostalgien; –
    Und wenn der Tag nie geendet hätte:
    Wären wir noch immer dort, wo wir angeblich nie waren?
    Wäre die Enttäuschung geringer?

    Strände mit Schilf auf echtem Glanzpapier
    Sind alle Realität, die wir kriegen können
    Am Ende sind wir Vagabunden vor Bahngeleisen
    Die vergessen haben zu seufzen
    Die Weintrauben stehlen, um fremd zu bleiben

    Beim Bäumchen-wechsel-dich-Spiel muss einer immer in der Mitte stehen.


    Abendweise
    Der Weise Name ist Gespalten
    auf halben Weg zieht
    sie vorbei

    Mir scheint, als ob nur sie gespalten
    und alles andere: ganz und frei
    und nimmer da sind Klang und Melodei
    mir
    singen ihre Düfte dann und wann
    wie gefangen sie ist, in ihrem Kleid

    Bald bin ich frei, sind ihre Worte
    bald ganz, bald bin ich dein
    tatsächlich sind die Worte Worte
    ich hör’ sie noch und bin allein
    mit ihren Illusionen von jener Sorte
    als dass nicht zu wählen ich vermag, was schwammig und was rein

    Kühl, im Nachthemd umfängt mich ihr Schein
    und allen Worten müssen Taten folgen
    Bald bin ich ganz, bald bin ich dein.

    Geändert von Mordechaj (02.05.2009 um 15:18 Uhr)

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