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Drachentöter
[FONT="Palatino Linotype"]Worte in Versen:[/FONT]
Entschuldigung postum
Man streut uns Brotkrumen
Wässert die Dornenhecken
Fertigt Handschuhe aus Katerfell
In unseren Büchern steht nichts
Außer der Verfall alter Generationen
Die Liebe jener Unwürdigen
Zeit bleibt, es besser zu machen
Sie lachen, sie streuen Salz
Jemand schläft in Karthago
Und verzeiht vielleicht
Reinheit
Am Ende schlagen wir Sturzbäche
Schnee schmilzt, warum also
Auf den Frühling warten
In Filmen
Die Banalität der Schuld
Wäscht uns rein
Freudenstrahlen in einem Gesicht
Falsches Lachen in den Küchen
Du zählst hier nichts
Schneeballschlachten im Hafen
Und Gier nach Waschpulverbrisen
Fühle ich, bin ich frei
Alltagsmelancholie #1
In ei'm Garten sah ich stehen
Einst zwei Blumen, still entzweit.
Sprach ich, im Vorübergehen:
„Ach, du treue Einsamkeit.“
Wenn ich bloß fliegen könnte
„Ach, wenn ich doch bloß fliegen könnte,
Frei, so frei wie ein Vögelein.“
Und in des Sommers Abendröte
Wuchsen dir der Flügel zwei'n.
Die Schwingen erhoben entschwindend
Schwebtest du in den Lüften dich windend
Und landetest auf einem Stein.
„Ach, wenn ich doch bloß singen könnte,
Schön wie singt ein Vögelein.“
Und in des Sommers Abendröte
Wuchs dir ein Schnabel krumm und fein.
Das Köpfchen erhoben frohlockend
Krächztest du laut und erschrocken
Und wolltest schon nicht mehr sein.
„Ach, wenn ich doch bloß küssen könnte,
Innig und lieb wie ich war dein.“
Und in des Sommers Abendröte,
Brach mein Schatz unter Schluchzen und Schrei'n.
In Sorgen ich flehte „Helie, sei gewogen.“
Und großer Schwingen, krächzend flogen
In die Wolken der Raben nun zwei'n.
Vom Verfliegen der Zeit
„Wir haben nur Minuten“,
schrien die Vögel laut in die Welt,
„Nur wenige Minuten,
die sind alles was zählt.“
„Wir haben nur Momente“,
raunte der Sand leis’ in der Uhr
„Nichts als Momente...“
raunte er, wie er sanft durch sie fuhr.
„Nur Sekunden gar, nur Sekunden“,
kreischte ein Wind und rauschte:
„nur eine Hand voll Sekunden...“
Und ich stand da und lauschte
wohl Stunden um Stunden.
Metonymie der Stille
Ein verlorenes Gefühl in den Adern
Ein Anflug von Übelkeit
Spritzennadeln injizieren
Tausendjährige Dornenhecken, sanft
In den Fugen der Stille: ein Aufschrei
Geht durch die Glieder und dann
Flucht in die Weiten des Mohnfeldes.
Im kalten Morgengrauen erwachen wir
Der Wahrheit näher als zuvor
Ein verlorenes Gefühl strömt vorbei
Ein zweites Mal verpasste Chancen
Entgleisung
Schlag auf Schlag im Takt
Wir fliegen davon in Schwermut
Doch finden wir Hoffnung in einer Blüte
Explosion eines Steins
Funken auf Metall
Ein Streich unter Jungen
Momentbeben in unseren Gliedern
Wir sind zum Leid bereit
In unseren Händen die Blüte vergeht
Unser Flug führt ins Nirgendwo
Wir landen im Nichts
Fluktuiert von einem Traum aus Mohn
Schneewehen wischen über unsere Gesichter
Wir verbrennen darin, darauf:
Glück
Echt
Brieftauben zwischen den Städten
Picken sich Seite an Seite
Sehnsuchtsvolle Zeilen in den Nacken
Ein Pappus auf Reisen
Mit saftigen Früchten daran, die
Im Lichte der Sonne glänzen
Seltsames Volk, diese Menschen
Seltsame Reisen, wie
Ein Zug ohne Bahngeleise
Jemand darin schweigt
Jemand schafft Lachen und vergisst
Was echt ist
Zwang
Wiederholte Worte der Hoffnung
Wiederholte Worte der Hoffnung
Wir zählen sie alle
Eins, zwei, drei
Wiederholte Worte der Hoffnung
Imperative sagen
Umarme mich, denn du weißt
Was meinem Herzschlag wohl tut
Superlative meinen
Halte mein Herz, bis es zerbricht
Dann bist du frei
Initiative ergreifen
Bis sie Zwang wird
Bis sie Zwang wird
Bis sie Zwang wird
Käfig
Ich habe mich befreit, in meinem Käfig
von Menschen
von Kühen
von Affen
von Hunden
in meinem Käfig
Ich habe mich hingesetzt, in meinem Käfig
auf einen Stuhl
auf einen Karton
auf den Boden
in meinem Käfig
Ich habe gelärmt, in meinem Käfig
ich habe gesprochen
ich habe gemuht
ich habe gekreischt
ich habe gebellt
ich habe geweint
in meinem Käfig
Ich habe Dinge gesehen, in meinem Käfig
Einsamkeit
Erholung
Stille
Nichts
in meinem Käfig
In meinem Käfig, da bin nur ich
ich und meine Gedanken
und keiner mehr dahinter
und keiner mehr frei
und nicht einer mehr
in meinem Kopf
In meinem Kopf
ist mein Leben verdorben
Alltagsmelancholie #3
Ich sehe einen Tropfen
An meinem Autofenster.
Dahinter jene Frau:
Im blauen Mantel, im Regen
An der Straße wartend.
Wenn ich jetzt kurbelte,
Fragte, ob sie mich der Liebe wegen liebte,
Wären wohl beide verschwunden.
Vom Staatengründen
Äpfel im Garten zwischen
Furchen den Sparten zischen
Leise im Dunst
Darunter Vernunft.
Und wie zu belehren
Singt Kadmos zu Ehren
Der Vogel ein Lied
Ein fremdes und einst
Als er flog in den Höhen
Der Drache, zu stehen
Wider dem Ehrenmanne:
So war er frei
Und war fröhlich alsbald.
Was nützten die Waffen
Was Speer und was Fels
Im Kampfe wider die Schwachen
Die man knechtet und quält?
Und die Furchen im Lehm
Die man formte so schwer?
Und die Sehnsucht, die man spürte
so sehr?
Doch frei sein.
Frei sein und lachen -
Das alles bedeutet
Nun nichts mehr.
Sterben
Gespräche über Schuld,
Bald fasst uns die Gewalt:
Groß Reden über Bäume
Schnee und Eis so voller Wahrheit
Zarter Mantel Unschuld
Auen so weit wie
Treue
Oh, in Schweigen gehüllte Ewigkeit
Eure Andacht stört meine Kreise
Eure Gegenwart streift die weiße Haut
Schlägt die Gegenwart in den Wind
Oder Sturzbäche die Vergangenheit
Die Stühle kurz und klein
Sind Winde,
schnell wie Südseeschnecken und Muscheln,
Bedeutungslose, ewig weise Philosophen
Verschwendet Zeit mit Gebeten
Zählt die Halme der Auen, fegen
Die Winde darüber, von Neuem
Fürchten wir die Einsamkeit
Der Schmerz die Bedeutungslosigkeit
Die Trauer den Kummer
Die Halme die Unzählbarkeit
Von Sand am Meer, die Zahlen:
Mehr als Nichts, Unsterblichkeit
Bedeutungsloser, ewig weiser
Sieh am Wegesrand die Bäche:
Unrecht so unvergänglich ungestüm gezeiht
Gestattet das Verweilen
Cyrano
schlaftrunken bettele ich
nach Narben
auf unserer weißen Haut
kein Streich darauf
darunter fiel
ein Kleiner Junge
an großen Nasen
so voller Treue
führt man sich selbst herum
und wärmt jemandes Hand
auf dass ein anderer sie nehme
am Fenster sitzend
von der Freiheit schwärmend
doch mit den Worten eines Fremden
Ein Scheusal auf dem Trockenen
Ein Wasserrad verrät die Schwachen
Die Becher leer, bis dass ein anderer spricht
Von Durst oder Gerechtigkeit
Noch weiß er es nicht
Im süßen Augenblick der Stille
Regt leis’ ein Kummer sich empor
Schwindet, kommt und bleibt und geht nicht
Wer ist das Scheusal, das sein Gesicht darin verlor
Im sanften Mantel schwerer Steine
Schmiegt das Rädchen sorglos sich dagegen
Stockt und staut den teuren Stoff
Oh, was Winde über Auen fegen
Oh, was ist mein Scheusal groß
Molch und Seekuh
Wir machen halbe Worte um Sachen, die wir nicht ganz verstehen
wir schlürfen Blut aus tiefen Krügen, deren Boden wir nicht sehen
wir fürchten Tod, Liebe, Hass und Schmach, derer wir groß Reden machen
am Ende schlafen wir
allein
sein ist was wir wollen.
unsere Stille ist monochrom, unsere Welt stumm.
Schnee fällt auf die schwachen, schwarzen Rabenfedern unserer Milch.
Milch, die wir uns mit Honig versüßen.
wir sind nichts.
wir spucken große Töne über Dinge, die wir einfach nicht verstehen wollen
wir spucken Blut zurück in Krüge, aus denen wir nicht hätten trinken sollen
wir sterben, schmachten und hassen, aus Angst vor unserer selbst
am Ende wachen
Molch und Seekuh
und schwimmen in unserer verdorbenen Milch.
Der Teebeutel im Kakao des Archäologen
Anachronismen durchstreifen die Gegenwart
Wie Reif in den Fugen der Zeit
Wie ein Korn in den Speichen der Gleichgültigkeit
Wie Mohn in meinem Kaffee
Es sind Gleichnisse, die niemand wählt
Und Orte, die niemand nennt
Und Pfirsichmarmelade
Und Frühstücken sollten etwas bedeuten
Der Teebeutel im Kakao des Archäologen
bringt mich auf seltsame Nostalgien; –
Und wenn der Tag nie geendet hätte:
Wären wir noch immer dort, wo wir angeblich nie waren?
Wäre die Enttäuschung geringer?
Strände mit Schilf auf echtem Glanzpapier
Sind alle Realität, die wir kriegen können
Am Ende sind wir Vagabunden vor Bahngeleisen
Die vergessen haben zu seufzen
Die Weintrauben stehlen, um fremd zu bleiben
Beim Bäumchen-wechsel-dich-Spiel muss einer immer in der Mitte stehen.
Abendweise
Der Weise Name ist Gespalten
auf halben Weg zieht
sie vorbei
Mir scheint, als ob nur sie gespalten
und alles andere: ganz und frei
und nimmer da sind Klang und Melodei
mir
singen ihre Düfte dann und wann
wie gefangen sie ist, in ihrem Kleid
Bald bin ich frei, sind ihre Worte
bald ganz, bald bin ich dein
tatsächlich sind die Worte Worte
ich hör’ sie noch und bin allein
mit ihren Illusionen von jener Sorte
als dass nicht zu wählen ich vermag, was schwammig und was rein
Kühl, im Nachthemd umfängt mich ihr Schein
und allen Worten müssen Taten folgen
Bald bin ich ganz, bald bin ich dein.
Geändert von Mordechaj (02.05.2009 um 15:18 Uhr)
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