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Drachentöter
[FONT="Palatino Linotype"]Worte in Prosa:[/FONT]
wir besuchen ernst und frieda
wir kreiden nicht mehr streifen auf den sportplatz.
wir kreiden an und verschlingen unsere dürftigkeit, angekettet mit schlingen aus menschlicher wärme, die unsere nackte bedürftigkeit bloß zu umstreifen vermögen.
dann fahren wir mit der bloßen hand über die tabula rasa, als ob die rasen unserer vorgärten, über die unsere mäher dann fahren, nicht schon genug tabus kennen könnten.
können wir uns kennen wollen?
können wir schreien?
wir stimmen darüber überein, dass uns die stimme fehlt, um die stille der vorgärten zu durchbrechen, deren halme nur noch als stummel die nasse erde vor den sprenklern schützen.
aus schutz erwächst ernst. und ernst ist die gewissheit und die nehmen wir immer, ernst schweigen nennt man das. so gewissenhaft schweigt ernst in unserem vorgarten.
am ende leiden wir an der krankheit selbst. zweifel bleiben verborgen, also borge ich mir deine zweifel, um morgen dem kranksein verloren gegenüber zu stehen, mein gegenüber geht so fort, plötzlicher fortschritt ist ja immer gut, sagt ernst.
er hat es wohl sagen hören, hören wir also auf ernst
zu sagen was wir denken, denn am endt steht ja doch nur stille und stillstand ist ja letzten endes immer schlecht, sagt ernst jedermann.
jedermann hat es wohl noch jemanden sagen hören, hören wir also auf jedermann
zu glauben.
glauben an was, an was glauben wir schon, wenn wir aus glauben nur klauben, was des geklaubtwerdens wert erscheint? wenn glauben es wert ist geglaubt zu werden, wer ist dann glaubens genug erscheinenden werten stimmens zu entsagen?
wir stimmten darüber überein, dass uns die stimme fehlte, doch hörten wir jemanden sagen und glaubten jedermann und ernst – und ernst ist zufrieden, wenn wir schweigen, warum also nicht an das schreien gegen den unfrieden glauben, wenn man uns die stimme schon längst geklaut hat, um frieden in unseren vorgärten zu schaffen?
frieda kredenzt ernst kapuzinerkresseblätter und ernst blättert in kessen magazinen blatt für blatt, der platzregen der sprinkler sprenkelt nasse tropfen auf die nasse erde unter den stummelhalmen und stumm und zufrieden mähen wir unsere vorgärten nach länge und breite zu brei.
brei macht sinn. damit ernähren wir unsere kinder.
und unsere narrenkinder ernähren die gesellschaft.
und unsere gesellschaft ernährt uns.
und wer uns ernährt, dem müssen wir geben, um später nehmen zu können, also lasst uns doch leben geben und nehmen, was uns gehört, kapuzinerkresse zum beispiel, oder kaffee, wenn wir in diesem kaff eh umkommen, beim ballspiel überfahren von rasenmähern, die uns rasend vor wut und bedürftig nach stille machen.
und wir dürfen die anderen in ihrer einfachheit und dürftigkeit einfach nicht stören, denn warum sollte man uns dann noch stören, schließlich stürmen nur verstörte menschen nachts halb drei mit dem rasenmäher durch deutsche vorgärten, duschen nach halb drei, rufen na es reicht.
warum sind wir nicht alle wie ernst und frieda. niemand nimmt frieda ernst und ernst ist nie da.
das ist normal. und normal ist super und das ist schon wieder im preis gestiegen, da ist endlich platz für sentimentalitäten und die sprinklertropfen auf ernsts morgenblatt.
Alltagsmelancholie #2
Tumm tumm tumm, trommelte der kleine Trommler und sah sich um, ob man ihn hörte irgendwo.
Doch niemand sah ihn an, niemand lauschte seiner Trommelei.
Niemand beugte sich zu ihm und lobte, wie schön er trommelte.
Niemand schenkte ihm aufgerissenen Auges Aufmerksamkeit und trommelte mit den Fingern auf einem Knie zurück.
Tumm tumm tumm, trommelte der kleine Trommler und lief nach Haus.
Verschwendete Tage
„Vielleicht morgen“, sagte sie, als ich sie bat mir zu sagen, ob sie mich liebte. „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ Und mir wurde bange, denn ich wusste, dass das Morgen noch weit dahin lag und ich mich ihrer noch mit so viel als unwürdig konnte erweisen.
„Vielleicht morgen“, sagte sie den Tag darauf und den danach und den nach diesem, als ich sie wieder bat mir zu sagen, ob sie mich liebte. „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ Und mir wurde bange, denn ich wusste, dass auch morgen sie die selbe Antwort geben würde, wie auch den Tag danach und den nach diesem.
Als ich doch im Gehen war und nicht mehr wiederkehren wollte, sagte sie zu mir: „Ich liebe“, und es keimte Hoffnung in mir auf, „ich liebe deinen Mantel, den du um mich hüllst, wenn wir spazieren gehen.“ Das genügte mir für's Erste.
„Und liebst du denn auch mich?“, bat ich sie am nächsten Tage mir zu sagen, doch „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ meinte sie nur und ich blieb.
„Vielleicht morgen“, sagte sie den Tag darauf und den danach und den nach diesem, als ich wieder flehte doch zu sagen, ob sie mich liebte. „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ Und mir wurde bange, denn mir schwante, dass auch morgen sie die selbe Antwort geben würde, wie auch den Tag danach und den nach diesem.
Als ich doch im Gehen und nicht mehr wiederzukehren bereit war, sagte sie zu mir: „Ich liebe“, und es keimte erneut große Hoffnung in meinem Herzen, „ich liebe deine warmen Worte, die du mir schenkst, bevor wir uns zu Bett begeben.“ Das genügte mir für's Erste.
„Und liebst du denn auch mich?“, flehte ich sie am nächsten Tage an mir zu sagen, doch „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ meinte sie nur und ich blieb.
„Vielleicht morgen“, sagte sie den Tag darauf und den danach und den nach diesem, als ich sie wieder verzweifelt anwarf doch zu sagen, ob sie mich liebte. „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ Und mir wurde bange, denn mir war klar, dass auch morgen sie die selbe Antwort geben würde, wie auch den Tag danach und den nach diesem.
Als ich doch im Gehen war und meine Wiederkehr unmöglich, sagte sie zu mir: „Ich liebe“, und betäubt wurde der Schmerz in meinem Herzen von großer Hoffnung, „ich liebe dein Fragen, ob ich dich liebte.“ Das also genügte ihr.
„Aber liebst du denn auch mich, mich wirklich und innig?“, fragte ich sie am nächsten Tage mir zu sagen, doch „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ meinte sie nur. Ich aber ging von dannen.
Der verlorene Schuh
Ich verlor einmal einen Schuh von meinem liebsten Paar. Das grämte mich sehr, waren es doch die einzigen, die mir noch wie angegossen passten und die noch glänzten, wenn man sie putzte. Aus Trotz vor meinem Schicksal trat ich in nur einem Schuh aus dem Haus und strahlte, weil wenigstens der eine noch so wunderbar saß. Doch die Leute auf der Straße straften mich mit Blicken ob meiner Verschrobenheit und das ging so lang, bis sie mich auslachten und, wie ich über den Marktplatz lief, niemand mir etwas verkaufen wollte, nicht einmal Schuhe. Und wie ich den einen noch ausziehen wollte, merkte ich, dass er zu eng saß und ich nicht mehr herauszuschlüpfen vermochte.
Ich gehe nun gar nicht mehr aus dem Haus. Meinen Schuh aber trage ich stets weiter.
Schwarz und Weiß
Die seichten Nuancen in der Schwärze begannen sich langsam zu drehen, als ich mich behutsam aufsetzte. Immer schneller und schneller – bis sie zu einem weißen Fleck verschmolzen, der langsam Form annahm und schließlich zu meinem Vertrauten wurde.
„Schon wieder so traurig, hm?“, fragte eine Stimme in meinem Kopf. „Traurigsein bedeutet Vergänglichkeit, mein Kleiner. Die Welt gehört den Lächelnden.“ Ich verzog leicht gerührt die Mundwinkel und spürte, wie meine Wangen eine sanfte, rote Wärme ausstoben. Der Punkt tanzte indessen verspielt vor meinen Augen hin und her, ohne dabei auch nur einen einzigen Ton zu erzeugen.
„Na, was macht dir soviel Sorgen?“, forschte die Stimme mit überlegener, freundlicher Wärme. Du, hauchte ich. „Was?!“ – Du. Stille.
Der Punkt war vor meinen Augen zum Stehen gekommen und zitterte nur noch leicht. „Ich?!“, fragte die Stimme. Keine Antwort.
„Aber...“ Die Stimme versank in Ratlosigkeit, die nur einen Augenblick später totaler Lautlosigkeit Platz machte. Ich hörte nur das dumpfe Pochen in meinen Schläfen – ich musste etwas sagen.
Es ist die Dunkelheit... Sie wäre perfekt; – ohne dich. – „Ist das so?!“ Ich hörte deutlich die plötzliche Empörung. Versteh’ mich nicht falsch, ich bin nur... – „Oh, ich hab’ schon verstanden.“ Abermals Stille. Der Punkt stand nun regungslos zwischen meinen Augen, sodass ich erstmals sehen konnte, wie er pulsierte: wie in Zeitlupe; auf, ab ... auf, ab ... Schwärze. Meine Augen begannen umherzukreisen.
Bitte geh nicht. Keine Antwort. Bitte! Nichts... Bis auf: Tapf tapf tapf. Ich drehte mich noch sitzend um und stützte meine Hände in das farblose Gras in der Schwärze, um zu sehen, wie zwei weiße Schuhe vor mir zu stehen kamen. „Ich werde nicht gehen.“, meinte die Stimme in meinem Kopf. Gut., meinte ich und saß einen Moment später wieder reglos wie zuvor. Empört schoben sich die weißen Schuhe um mich herum, bis sie meine Sicht von Neuem erleuchteten. „Warum muss alles vollkommen sein?“, fragte die Stimme in meinem Ohr. „Warum kann nicht einfach alles unvollendet bleiben?“ – Weil dann nichts mehr sicher ist, antwortete ich bestimmt, wenngleich ich mir der zweifelhaften Logik dieser Antwort bewusst war. „Aha...“ Die Schuhe begannen vor meinen Augen miteinander zu tanzen und sich gegenseitig zu umschmiegen.
„Aber was ist denn Sicherheit und wofür brauchst du es?“, versuchte die Stimme nach einer Weile zu ergründen. Ich schloss kurz die Augen. Das verstehst du nicht. – „Ich will es aber verstehen!“ Die Bestimmtheit überraschte mich, verflog aber in den folgenden Worten wieder gänzlich: „Ich will dich verstehen. Wer bist du? Was machst du hier? Warum willst du Sicherheit? Was ist-“ – Wenn ich es doch sage... – „Nein, versuche es!“ Da war die Bestimmtheit wieder – ich schmunzelte für einen Sekundenbruchteil traurig in mich hinein. Ich weiß es selbst nicht. Ich wusste es tatsächlich nicht. Wer war ich? Was tat ich dort? Warum wollte ich Sicherheit? – Was ist aus mir geworden?
„Du weißt es selbst nicht?“ Sie bohrte in meinem Kopf. Ich weiß es selbst nicht, wiederholte ich. Ratlose Stille.
Ein weißer Handschuh legte sich auf meine Schulter und strich mir langsam den Nacken hinauf. Ich bekam Gänsehaut. „Dann bleib hier bei mir.“ – Ich kann nicht. Mein ohnehin von der Schwärze verwaister Blick wurde schummrig und verschwamm schließlich, während ich blinzelnd gegen das kitzelnde Gefühl zwischen meinen Lidern ankämpfte. Tapf tapf...
Weiße Knie landen in meinem Schoß. Ich schließe abermals die Augen und schlucke. Ich kann nicht... Meine Stimme ist so hauchdünn geworden, dass ich mich selbst fast nicht mehr hören kann.
Ein weißer Mund berührt den meinen und streicht zart über meine Lippen. Ich beginne wie wild zu blinzeln und spüre, wie mich eine sanfte, lähmende Wärme umfängt.
Und während meine Hände noch silbern schimmernde Hüften umfassen, versinkt mein Kopf im Gras und alles um mich herum verschwimmt miteinander, bis schließlich nur noch kleine gräuliche Nuancen in der allumfassenden Schwärze zurückbleiben.
Ich werde ein Teil dieser Schwärze. Doch aus irgendeinem Grund verspüre ich keine Angst, keine Unsicherheit mehr. Ich weiß, dass ich jemand bin, ich habe alle Gewissheit, die mir diese sonderbare Welt vorenthalten hat – aber ich bin nicht glücklich...
Und dann beginnen die seichten Nuancen in der Schwärze sich langsam zu drehen, während ich mich behutsam aufsetze. Immer schneller und schneller...
Geändert von Mordechaj (02.05.2009 um 10:09 Uhr)
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