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Thema: Schullektüren - nervig oder interessant?

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  1. #1
    Zitat Zitat von Dhan Beitrag anzeigen
    ...Ich habe dein Dosenargument augegriffen. Erläutere dieses doch bitte genauer.
    So wie ich das verstanden hatte, entwickeln die Geschmackssinne eines Kindes, das gute Nahrung konsumiert, insofern in eine andere Richtung wie die eines Kindes, das sich nur von Konserven ernährt, dass es überhaupt befähigt ist, gute Nahrung zu genießen. Dieser Teil des Arguments ist noch recht unstrittig.
    Das Metapher zeigt auf, dass die Schule ein Ort ist, wo der Schüler mit Dingen konfrontiert werden kann, die ihm neu sind und über die er keine oder nur uninformierte Meinungen hat. Wie das unvermeidliche Kind, dass von mindestens einem Gericht nur Dosenfutter kennt. Die Schule hat die Möglichkeit, diesem Kind auch mal etwas gut verarbeitetes zu servieren.

    Du erziehst damit niemanden, der sich total abhebt von allem Schmutz und Schund. Nur jemanden, dem vielleicht bewusst ist, dass die Literatur sich mit mehr als drei Emotionen und mit anderen Themen als dem Ermorden des Obermotzes befasst hat. Der Wert guter Literatur ist unter anderem, dass du darin jemanden findest, in dem du dich wiedererkennst und der dir sagt, dass du als Person Tiefe besitzten kannst. Dies wird dir bei der üblichen Gebrauchsliteratur, sei das Star Wars oder etwas von R. A. Salvatore, eher selten passieren.

    Zitat Zitat
    Ich verstehe nur nicht, wie du dies auf "Literatur" überträgst.
    Mit deinem Satz "Geschmack ist Bildungssache und der Bildung wegen schickt man Kinder zur Schule." sagst du doch praktisch aus, dass Literatur lesen zu einem Literaturfan macht, zumindest in einem gewissen Rahmen, n´est pas?
    Keineswegs. Der Deutschunterricht in der Unterstufe ist auf den Erwerb von Grundfähigkeiten in Sprachbenutzung und -verständnis ausgelegt, der Literaturunterricht in der Oberstufe dann ist sträflich verkürzte Literaturgeschichte mit extrem starker ideologischer Prägung. Deswegen lesen wir z.B den konservativen Goethe anstatt der ganzen "Hurra, Volksherrschaft und Revolution!"-Schrifsteller seiner Periode. Die wesentlich bessere französische Literatur der Zeit fällt leider, leider unter den Tisch. Wäre erzieherisch zudem sicherlich sinnvoller, De Sade zu lesen als Goethe.
    Es geht in der Schule nicht darum, einen Literaturliebhaber oder Literaturverständigen zu erzeugen sondern darum einen Staatsbürger zu erziehen. Das ist ein trauriger Zustand, aber es hat den Nebeneffekt, dass ein Schüler zumindest mit einigen akzeptablen Werken in Kontakt kommen kann. Rilke war z.B. Teil meiner Deutschmaterialen und Kafka haben wir ebenfalls gelesen. Natürlich geschieht das in einem gänzlich ungeeigneten Rahmen, aber besser als garnichts ist es.

    Zitat Zitat
    Hmm du verstehst meine Texte absolut nicht.
    "Dass man ihnen etwas Anständiges vorgesetzt hat" - sagt WER? Und WARUM? Genau dies ist doch über all die Posts meine Frage die du ständig ignorierst.
    Was Deutschland angeht? Da ist die Literatur angeblich Staatsbürgerschaftskunde. Land der Dichter&Denker und so. Die Auswahl wird im allgemeinen danach getroffen, welche Werke rückblickend von den Nachkommen für eine Epoche als besonders bedeutend angesehen werden. Die Auswahl ist dementsprechend auch durch literaturfremde Kriterien motiviert, wie z.B. der Spaltpilz Goethe, der weitgehend durchgenommen wird weil er zu einer Symbolfigur der deutschen nationalen Identität gemacht worden ist. Oder die Tagebücher der Anne Frank, die man anstelle der Bücher der ganzen dreckigen linken Marxisten liest. Wo kommen wir den hin, wenn unsere Kinder Bücher von Marxisten lesen?

    Als Österreicher ist mir die Effie Briest übrigens erspart geblieben. Kann mich nicht zu dem Buch äußern. Was das 19.Jhdt angeht habe ich Flaubert, Schnitzler und Stendhal gelesen. Kann mich nicht erinnern, dass Nietzsche viel für die deutsche Literatur seiner Epoche übrig hatte und es scheint, als sei sein Urteil begründet gewesen.

    Zitat Zitat
    und gerade die Gegenwartsliteratur ist gefärbt von internationalen Einflüssen
    Literatur war immer gefärbt von internationalen Einflüssen. Zu jeder Zeit. Der strikt nationale Literaturunterricht ist in meinen Augen eine große Perversion.

  2. #2
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Das Metapher zeigt auf, dass die Schule ein Ort ist, wo der Schüler mit Dingen konfrontiert werden kann, die ihm neu sind und über die er keine oder nur uninformierte Meinungen hat.[...]
    Kk. Bleibt das Argument, dass die Entscheidung, was denn jetzt gehaltreich ist, immer noch subjektiv ist weil ja schließlich nicht alle eher unbekannten Medien unterrichtet werden können.
    Zitat Zitat
    Der Wert guter Literatur ist unter anderem, dass du darin jemanden findest, in dem du dich wiedererkennst und der dir sagt, dass du als Person Tiefe besitzten kannst. Dies wird dir bei der üblichen Gebrauchsliteratur, sei das Star Wars oder etwas von R. A. Salvatore, eher selten passieren.
    Ah. Dann würd ich aber nach der Pre-Definition auch Effi Briest und Die Leiden des jungen Werther nicht als Literatur bezeichnen. Gerade die Rolle der Effi ist ja nicht mehr als ein konfirmistisches, langweiliges Mädchen.
    Zitat Zitat
    Es geht in der Schule nicht darum, einen Literaturliebhaber oder Literaturverständigen zu erzeugen sondern darum einen Staatsbürger zu erziehen.
    Ich seh den erzieherischen Wert nicht. Welche wichtigen Eigenschaften eines vorbildlichen Staatsbürgers werden dadurch gefördert?
    Wahrscheinlich Leidensstärke eh? ^^
    Zitat Zitat
    Natürlich geschieht das in einem gänzlich ungeeigneten Rahmen, aber besser als garnichts ist es.
    Ich habe irgendwann mit 12 oder so Odysee im Weltraum 2001 gesehen und in Englisch mussten wir aus irgendeinem Grund jede Stunde Morning Has Broken singen. Es hat Jahre gebraucht, bis ich Kubrick und Yusuf wieder freiwillig sehen/hören könnte. Heute bin ich Fan von beidem. Ich stelle die These auf dass ich ohne die frühe Kenntnis wesentlich früher beides geschätzt hätte.
    Mit Macbeth und Die fabelhafte Welt der Amelié wars praktisch andersrum, ich kannte und mochte beides schon vorher und die Schule hätte es beinahe geschafft, mir die durch Unterricht zu verleiden. Von daher finde ich den ungeeigneten Rahmen eben gerade nicht besser als gar nichts.
    Zitat Zitat
    Was Deutschland angeht? Da ist die Literatur angeblich Staatsbürgerschaftskunde. Land der Dichter&Denker und so. Die Auswahl wird im allgemeinen danach getroffen, welche Werke rückblickend von den Nachkommen für eine Epoche als besonders bedeutend angesehen werden. Die Auswahl ist dementsprechend auch durch literaturfremde Kriterien motiviert, wie z.B. der Spaltpilz Goethe, der weitgehend durchgenommen wird weil er zu einer Symbolfigur der deutschen nationalen Identität gemacht worden ist. Oder die Tagebücher der Anne Frank, die man anstelle der Bücher der ganzen dreckigen linken Marxisten liest. Wo kommen wir den hin, wenn unsere Kinder Bücher von Marxisten lesen?

    Als Österreicher ist mir die Effie Briest übrigens erspart geblieben. Kann mich nicht zu dem Buch äußern. Was das 19.Jhdt angeht habe ich Flaubert, Schnitzler und Stendhal gelesen. Kann mich nicht erinnern, dass Nietzsche viel für die deutsche Literatur seiner Epoche übrig hatte und es scheint, als sei sein Urteil begründet gewesen.
    Drück dich mal prägnant aus, versteh ich das so richtig, du findest die in deutschen Schulen übliche Literatur auch doof (und nur das Konzept, Schüler mit Literatur zu konfrontieren sinnvoll sofern die Literatur stimmt)? Ich kann echt nicht rauslesen, ob dein Post das jetzt aussagt.

    Geändert von Dhan (01.05.2009 um 23:49 Uhr)

  3. #3
    Zitat Zitat von Dhan Beitrag anzeigen
    Kk. Bleibt das Argument, dass die Entscheidung, was denn jetzt gehaltreich ist, immer noch subjektiv ist weil ja schließlich nicht alle eher unbekannten Medien unterrichtet werden können.
    Tut mir recht leid, dass die Leistung von Literatur nicht auf PS und Megabit reduziert werden kann.

    Zitat Zitat
    Ah. Dann würd ich aber nach der Pre-Definition auch Effi Briest und Die Leiden des jungen Werther nicht als Literatur bezeichnen. Gerade die Rolle der Effi ist ja nicht mehr als ein konfirmistisches, langweiliges Mädchen.
    Es gibt Leute, die erkennen sich in Effi Briest und ihrer Welt wieder.

    Zitat Zitat
    Ich seh den erzieherischen Wert nicht. Welche wichtigen Eigenschaften eines vorbildlichen Staatsbürgers werden dadurch gefördert?
    Wahrscheinlich Leidensstärke eh? ^^
    Deutschland als Nation wurde unter massiver kultureller Propaganda erzeugt - Wagnerverein, Gesangsverein, Trachtenverein und Literaturforschung. Der Literaturunterricht stellt eine mutierte Fortsetzung dieser inzwischen über 300 Jahre alten Bemühungen dar. Das Ziel ist mehr oder weniger, uns die Liebe zum Deutschen anzuerziehen und uns auf die deutsche Kultur zu prägen, denn die einstellung gegenüber der eigenen Kultur ist Schizophren. Einerseits ist man der Meinung, dass ein Deutscher in einer geradezu extremen Weise mit seiner Kultur verwachsen ist und andererseit glaubt man, dass Fragmente amerikanischer (und früher auch französischer, spanischer oder italienischer) Kultur den Deutschen Verderben indem sie ihn aus seiner intimen Verbundenheit mit seiner Kultur lösen.

    Und wenn das passiert, werden Volk und Staat untergehen.

    Und nein, das ist nicht bescheuert. Mit diesen Argumenten wurde die BpS institutionalisiert.

    Zitat Zitat
    Ich habe irgendwann mit 12 oder so Odysee im Weltraum 2001 gesehen und in Englisch mussten wir aus irgendeinem Grund jede Stunde Morning Has Broken singen. Es hat Jahre gebraucht, bis ich Kubrick und Yusuf wieder freiwillig sehen/hören könnte. Heute bin ich Fan von beidem. Ich stelle die These auf dass ich ohne die frühe Kenntnis wesentlich früher beides geschätzt hätte.
    Mit Macbeth und Die fabelhafte Welt der Amelié wars praktisch andersrum, ich kannte und mochte beides schon vorher und die Schule hätte es beinahe geschafft, mir die durch Unterricht zu verleiden. Von daher finde ich den ungeeigneten Rahmen eben gerade nicht besser als gar nichts.
    Ich habe irgendwo weiter oben erwähnt, dass mir das voll bewusst ist. Schule ist nun mal so, dass man den Stoff runterwürgt und nach der Prüfung wieder auskotzt. Es bleibt nicht viel hängen.

    Zitat Zitat
    Drück dich mal prägnant aus, versteh ich das so richtig, du findest die in deutschen Schulen übliche Literatur auch doof (und nur das Konzept, Schüler mit Literatur zu konfrontieren sinnvoll sofern die Literatur stimmt)? Ich kann echt nicht rauslesen, ob dein Post das jetzt aussagt.
    Ja und ja.

  4. #4
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Literatur war immer gefärbt von internationalen Einflüssen. Zu jeder Zeit. Der strikt nationale Literaturunterricht ist in meinen Augen eine große Perversion.
    Naja, aber ich finde schon, dass sich das aus historischer Sicht dann auch alles nachvollziehen lässt, nicht zuletzt, weil man ja die tollen Literaturforscher hat, die das für einen rausgefunden haben - man braucht nur mal Rilke zu googlen und schon hat man eine Hand voll Referenzen zu internationaler Literatur. Aber in der Gegenwartsliteratur ist dieser Informationsumfang eben nicht auf dem höchsten Stand, u.a., weil gute Autoren beinahe ein Schattendasein pflegen (eine Autorin wie Leslie Kaplan wird es nie auf eine deutsche Bestsellerliste schaffen, vor allem nicht, wenn dort 5 überhypte Stephenie-Meyer-Romane rumvampiren).
    Ansonsten: Wie gesagt, es ist sehr verständlich, dass man an der Schule die eigene Kultur vertreiben will - ich würde mich auch nicht mit China identifizieren müssen wollen -, aber bis zu einem gewissen Punkt sollte man Einblick in die internationale Welt nehmen dürfen. Und da soll man von mir aus gern den ollen Goethe streichen. Ich würde es vielleicht keine Perversion nennen (obwohl das dem schon recht nahe kommt), aber zumindest unvorteilhaft und falsch.

  5. #5

    Users Awaiting Email Confirmation

    Schullektüren schwanken oft zwischen schön zu lesen und furchtbarster Moppelkotze, aber in beiden Fällen behaupte ich einfach mal, dass es nicht gut gehen kann.

    Schlechte Bücher sind indiskutabel, das ist schonmal klar. Bücher wie "Donna, ich und die Sache mit Tommy" (zwei Mädchen schließen dauernd Wetten miteinander ab, eine verarscht daher den unbeliebtesten Jungen der Klasse, der ist wohl irgendwie kriminell und am Ende wird jeder von jedem gemobbt) und "Die Lunte brennt" (Jugendliche machen Urlaub im Ferienhaus, fahren Autos zu Schrott, jagen Züge in die Luft, konsumieren Drogen und alles dreht sich irgendwie um Sex) gehören weggeschlossen und nicht ahnungslosen Mittelstüflern vorgesetzt ... Wurgs. Auch alte Klassiker wie "Romeo und Julia" in der ältesten deutschen Übersetzung haben im Deutschunterricht nichts zu suchen, wenn 99% der Schüler kaum ein Wort verstehen aufgrund der antiken Sprachweise. Ich liebe alte Sprache, aber da war ich in meiner Klasse eine Ausnahme.

    Gute Bücher ("Andorra" oder "Sansibar" beispielsweise) machen zwar schon irgendwo Freude zu lesen und können streckenweise sogar richtig begeistern, aber das bis zum Erbrechen Auseinandergepuzzele der Lektüre durch die Aufgaben in der Schule verleidet einem jedes noch so gute Buch. Ich hatte jedenfalls nach der Lerneinheit definitiv keinen Bock mehr auf die Teile und mochte sie einfach nicht mehr sehen - Begeisterung für die Werke alter Meister kommt so nicht auf!

    Geändert von Spongie *W* (03.05.2009 um 03:30 Uhr)

  6. #6
    Zitat Zitat
    Literatur war immer gefärbt von internationalen Einflüssen. Zu jeder Zeit. Der strikt nationale Literaturunterricht ist in meinen Augen eine große Perversion.
    Ich sehe keinen Sinn darin, Bücher die einen gewissen Literarischen Anspruch haben, in Übersetzungen zu lesen (nicht so schlimm wie bei Gedichten, aber ähnlich. Übersetzungen von Gedichten, die mehr sind, als bloße Inhaltsangaben entbehren für mich jeder Existenzberechtigung oO")
    Oder dann sollte man zumindest so ehrlich sein, und statt Honoré de Balzac irgend einen Otto Puschinski als Autor angeben -.-"

    Btw, ein IMO sehr gutes Buch für den Schulunterricht ist Homo Faber, leider wird es ausgerechnet an meiner Schule nicht gelesen. Das ist mal was, das ich wirklich lesenswert fand, an solchen semi-klassikern, die sich auch vom Umfang und Schwierigkeitsgrad als Schullektüre eignen.

  7. #7
    homo faber war sehr interessant und tlaulig. verglichen mit so gegenstandlosen dingen wie... ich guck mal gerade in mein regal, wo alle stehen...

    the graduate
    der gute mensch von sezuan
    oder auch
    der schimmelreiter

    ...verglichen damit sehr schön!

  8. #8
    Zitat Zitat von Freierfall Beitrag anzeigen
    Ich sehe keinen Sinn darin, Bücher die einen gewissen Literarischen Anspruch haben, in Übersetzungen zu lesen (nicht so schlimm wie bei Gedichten, aber ähnlich. Übersetzungen von Gedichten, die mehr sind, als bloße Inhaltsangaben entbehren für mich jeder Existenzberechtigung oO")
    Oder dann sollte man zumindest so ehrlich sein, und statt Honoré de Balzac irgend einen Otto Puschinski als Autor angeben -.-"
    Das Problem heutzutage ist eben, dass internationale Literatur nicht mehr international verwendbar sein muss und nur noch selten gewissen literarischen Ansprüchen genügt. Man findet heute spärlich Übersetzer von Gedichten, die ihr Handwerk mit wirklicher Detailliebe durchführen (Übersetzungen von Rimbaud reichen von "Inhaltsangabe" über "gescheiterter Versuch, den Stil beizubehalten" bis zu "annehmbar"); gerade aber verdichtete Texte lassen sich in Übersetzungen oftmals gar nicht mehr so schlecht lesen (manchmal wird ein Schreibstil sogar von einer Übersetzung aufgewertet; Hemmingway beispielsweise schreibt fürchterlich - "Der alte Mann und das Meer" lässt sich aber sehr gut lesen, ohne, dass der Stil stark abweichen würde). Romane und Novellen kann man gut und gerne in Übersetzungen behandeln.

    Heutzutage sind auch bravouröse Shakespeare-Übersetzungen kein Einzelfall mehr, Rilke hat einige dänische Meisterwerke zu deutschen Meisterwerken übersetzt.

    Gut sind auch ganz alte Übersetzungen (Antigone), wo die Leute sich noch im Klaren waren, dass Sprache ein beugsames Gebilde ist und - passende - Genitive und Ellipsen gemischt in Inversionen und Satzverschränkungen noch Gang und Gebe waren.
    Andererseits lassen sich auch moderne Autoren sehr gut übersetzen und existieren deshalb auch schon in solcher Form; Marcel Proust beispielsweise, obwohl der 3 Sätze auf 10 Seiten zieht; für die Franzosen ist es Kafka (der schreibt auch schon so französisch); Kundera... Auch was Gedichte angeht, Israel Eliraz beispielsweise oder Leslie Kaplan, Bei Dao, Hsia Yü, Clara Janés ... Prosadichtung ist das Sonnett des 21ten Jahrhunderts.

    Ich finde jedenfalls nicht, dass man es dran festmachen sollte, ob ein Text übersetzt ist, oder nicht, sondern an der Qualität, denn das Spektrum ist durchaus sehr breit.
    Der kleine Prinz ist übrigens in der Übersetzung von hoher Qualität, was für Saint-Exupérys zwar einfachen, aber aber emotionsgetränken Schreibstil dann doch eine reife Leistung ist.



    Oh, und ja: Der Schimmelreiter ist Gift für die Augen, bereitet Alpträume und führt zwangsläufig dazu, dass man als vergrämter Ostfriese in einem Leuchtturm sitzt und Bierdecken sammelt.

  9. #9
    Das ist dann aber eine Leistung des Übersetzers und nicht des ursprünglichen Autor. Und jeglicher Versuch, das ganze irgendwie zu Interpretieren, insbesondere durch Zeitbezug etc. verkommt zu einem Witz.
    Wie will man die Bedeutung einer bestimmten Metapher feststellen, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt keinen Sinn mehr ergibt, oder lediglich übertragen werden konnte, in der Originalsprache jedoch vor dem Zeitgeschichtlichen Kontext jedoch weitere Nebenbedeutungen hatte o.ä.?

  10. #10
    Zitat Zitat von Freierfall Beitrag anzeigen
    Das ist dann aber eine Leistung des Übersetzers und nicht des ursprünglichen Autor. Und jeglicher Versuch, das ganze irgendwie zu Interpretieren, insbesondere durch Zeitbezug etc. verkommt zu einem Witz.
    Wie will man die Bedeutung einer bestimmten Metapher feststellen, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt keinen Sinn mehr ergibt, oder lediglich übertragen werden konnte, in der Originalsprache jedoch vor dem Zeitgeschichtlichen Kontext jedoch weitere Nebenbedeutungen hatte o.ä.?
    Das tolle an Allegorien ist, dass sie sich in der Regel in jede Sprache einwandfrei übertragen lassen (zumindest im westlichen Raum, ich habe neulich festgestellt, dass sich im Chinesischen tolle Kombinationen bilden, die man einfach nicht adäquat übersetzen kann). Im Grunde sind formale Aspekte und die Konnotation vieler Wörter das Problem ("blessed are the poor in spirit", "heureux les simples d'esprit", "selig sind, die da geistlich arm sind" - drei Sprachen, drei Bedeutungsebenen) und selbst da lässt sich Abhilfe schaffen, zumal - in Lyrik und Dramatik ist das nicht so, das gebe ich zu, wohl aber in Prosatexten - einzelne Fetzen auch nicht von Bedeutung sind, es kommt auf gewichtige Stellen und den Gesamtinhalt an.

    Bei der Synchronisation von Grey's Anatomy gehen auch 50% der Wortwitze flöten, einfach, weil das Deutsche die Einfachheit des Englischen nicht aufgreifen kann und auch so halt eine andere Sprache ist, aber im Gros bleiben die thematischen Schwerpunkte (das ist nämlich, mal so am Rande erwähnt, das Tolle an der Serie: sie hat welche) und die nuancierten Assoziationen erhalten.

    Bücher sind keine feingespinnstigen sprachlichen Gebilde (wobei ich da mal Rilkes Cornet außen vor lassen will, der Mann ist ein Gott), es sind Gesamtwerke und darauf kommt es schlussendlich an. Und natürlich muss der Übersetzer etwas leisten, bei guter Literatur steht er sogar in der Pflicht, interpretatorisch UND schriftstellerisch zu arbeiten und von dessen Leistung sollte es dann auch abhängen, inwieweit sich das Buch in der Übersetzung noch behandeln lässt.
    Bei Hemmingway würde ich sagen, tut's jede "Inhaltsangabe", George Sand schreibt sowieso zu wuchtig, als dass man ihre Texte jetzt groß mit künstlerischer Sorgfalt behandeln müsste, Hesse soll übersetzen wer will...

    Ab einem gewissen Maß kann man sprachliche Verziertheit vernachlässigen. Dieses Maß geht von dort, wo keine vorhanden ist, bis zu gereimten, freien Versen. Bei strengen Gedichten gebe ich dir recht (aus dem Grund, dass man Baudelaire nur auf Französisch lesen sollte), bei Versdramen mit diszipliniertem Versmaß... aber selbst die kann man angemessen übersetzen (zeigen die Texte Shakespeares auf Deutsch oder die Carroll-Gedichte).

    Man kann übrigens Antigone um-, re- und totinterpretieren, das haben auch unzählige Leute gemacht und der größte Teil von denen konnte kein Altgriechisch. Da sind die tollen Hexameter und Zäsuren auch fein kaputtgehauen worden und es enstand nur noch ein sprachliches Wirrwarr (kurzum: eigentlich ist die Übersetzung gräßlich) - dem Prestigegrad des Dramas hat das jedenfalls keinen Abbruch getan.

  11. #11
    Öh, kurze Überlegung was in meiner Realschulzeit derzeit durchgenommen worde. Da wäre in der 7. Klasse soweit ich mich erinnern kann erstmal "Rolltreppe abwärts" von Hans-Georg Noack. Ich habe keine genaue Erinnerung mehr an das Werk, jedoch hab ich es auch nicht wirklich schlecht in Erinnerung. Das war jedoch zu der Zeit auch nur 'n Buch wo man sich durchgelesen hat weil es gefordert wurde und ich mich somit nicht näher damit beschäftigt habe. In den späteren Schuljahren kann ich mich noch an "Romeo und Julia" erinnern, wo ich feststellen musste, dass Shakespeare nicht so mein Fall ist, da dieser zwar durchaus weiß mit Worten umzugehen und auch Konflikte gut zu repräsentieren, jedoch dass auf mich mit der Zeit einfach ermüdend und platt wirkt. Dann gabs noch "Nathan der Weise" von Lessing, dass aber im Unterricht total unterging aus Gründen des Zeitdrucks. Ich hab demnach das Buch nie wirklich gelesen und kann mir deswegen kein Urteil erlauben. Darauf folgte "Die Räuber" von Schiller. Hiervon hatte ich einen guten Eindruck, gefiel mir alles ziemlich gut, die Konfliktsituation, die einzelnen Motive gepaart mit inneren Gewissensbissen, die Handlung an sich und die Rhetorik. Find ich als Schullektüre auch garnichtmal so unangebracht. "Faust I" von Goethe, wie es doch in vielen Abschlussklassen ein Thema war, war jetzt in der 10. auch bei mir im Lehrplan. Ja was soll ich sagen, nimmt ja doch eine besondere Stellung ein und das durchaus zurecht, obwohl mich der Anfang ziemlich kalt lies und einen ermüdenden Effekt erzielte, wurde der Verlauf mit steigender Handlung immer interessanter/besser/whatever. "Faust II" fand ich nachdem "Faust I" Eindruck hinterließ doch ein stückweit besser, auch wenns jetzt (noch) nicht unter meine Schullektüre fällt. Als letztes bisher war dann "Der Vorleser" von Bernhard Schlink dran. Auch hier durchaus Gefallen daran gefunden, wenn auch zwischendrin mir die Laune verging an wenigen Stellen, schnappt man doch wieder Motivation auf, dass Buch durchzuringen. Einteilung find ich hier äußerst vorteilhaft gewählt und Michael als Charakter ist doch auch interessant gestaltet.
    Fazitmäßig sei zu sagen, dass ich die Auswahl vieler Schulen bezüglich der Lektüre die behandelt wird garnicht schlecht finde, weil sonst sich die Mehrheit (lose Behauptung) wohl eh nicht damit freiwillig beschäftigen würde und gerade einen Faust oder die Räuber sollte man durchaus schonmal durchgeblättert haben. War aufjedenfall kein Beinbruch, eher ne Bereicherung. (Auch wenn sich das jetzt weniger enthusiastisch gelesen haben möge)

  12. #12
    @asphyxiôn
    Nathan der Weise war genial, den hab ich in meiner Auflistung noch vergessen.
    Schade, dass ihr das Buch nicht genauer behandeln konntet, bei uns hat es für 2 Schulaufgaben gereicht.
    Nicht nur wegen der Ringparabel ein sehr interessantes Stück, leider nicht ganz so leicht zu lesen (due to the era). Hätte ihn gerne mal in Prosa gesehen.

  13. #13
    Bei uns gab's in fast jeder Geschichte eine Figur, die Hitler repräsentierte. Irgendwann waren wir so konditioniert, dass wir schon nach ein paar Seiten eines beliebigen Buches problemlos auf mehreren Seiten die Parallelen zum Nationalsozialismus diskutieren konnten. Und wann immer eine negativ besetzte Rolle auftauchte, war schon absehbar, dass früher oder später ein Mitschüler die Theorie aufstellen würde, dass es sich dabei eigentlich um eine menschgewordene Metapher für Hitler handelt.

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