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Thema: Schullektüren - nervig oder interessant?

  1. #41
    Zitat Zitat von Freierfall Beitrag anzeigen
    Das ist dann aber eine Leistung des Übersetzers und nicht des ursprünglichen Autor. Und jeglicher Versuch, das ganze irgendwie zu Interpretieren, insbesondere durch Zeitbezug etc. verkommt zu einem Witz.
    Wie will man die Bedeutung einer bestimmten Metapher feststellen, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt keinen Sinn mehr ergibt, oder lediglich übertragen werden konnte, in der Originalsprache jedoch vor dem Zeitgeschichtlichen Kontext jedoch weitere Nebenbedeutungen hatte o.ä.?
    Das tolle an Allegorien ist, dass sie sich in der Regel in jede Sprache einwandfrei übertragen lassen (zumindest im westlichen Raum, ich habe neulich festgestellt, dass sich im Chinesischen tolle Kombinationen bilden, die man einfach nicht adäquat übersetzen kann). Im Grunde sind formale Aspekte und die Konnotation vieler Wörter das Problem ("blessed are the poor in spirit", "heureux les simples d'esprit", "selig sind, die da geistlich arm sind" - drei Sprachen, drei Bedeutungsebenen) und selbst da lässt sich Abhilfe schaffen, zumal - in Lyrik und Dramatik ist das nicht so, das gebe ich zu, wohl aber in Prosatexten - einzelne Fetzen auch nicht von Bedeutung sind, es kommt auf gewichtige Stellen und den Gesamtinhalt an.

    Bei der Synchronisation von Grey's Anatomy gehen auch 50% der Wortwitze flöten, einfach, weil das Deutsche die Einfachheit des Englischen nicht aufgreifen kann und auch so halt eine andere Sprache ist, aber im Gros bleiben die thematischen Schwerpunkte (das ist nämlich, mal so am Rande erwähnt, das Tolle an der Serie: sie hat welche) und die nuancierten Assoziationen erhalten.

    Bücher sind keine feingespinnstigen sprachlichen Gebilde (wobei ich da mal Rilkes Cornet außen vor lassen will, der Mann ist ein Gott), es sind Gesamtwerke und darauf kommt es schlussendlich an. Und natürlich muss der Übersetzer etwas leisten, bei guter Literatur steht er sogar in der Pflicht, interpretatorisch UND schriftstellerisch zu arbeiten und von dessen Leistung sollte es dann auch abhängen, inwieweit sich das Buch in der Übersetzung noch behandeln lässt.
    Bei Hemmingway würde ich sagen, tut's jede "Inhaltsangabe", George Sand schreibt sowieso zu wuchtig, als dass man ihre Texte jetzt groß mit künstlerischer Sorgfalt behandeln müsste, Hesse soll übersetzen wer will...

    Ab einem gewissen Maß kann man sprachliche Verziertheit vernachlässigen. Dieses Maß geht von dort, wo keine vorhanden ist, bis zu gereimten, freien Versen. Bei strengen Gedichten gebe ich dir recht (aus dem Grund, dass man Baudelaire nur auf Französisch lesen sollte), bei Versdramen mit diszipliniertem Versmaß... aber selbst die kann man angemessen übersetzen (zeigen die Texte Shakespeares auf Deutsch oder die Carroll-Gedichte).

    Man kann übrigens Antigone um-, re- und totinterpretieren, das haben auch unzählige Leute gemacht und der größte Teil von denen konnte kein Altgriechisch. Da sind die tollen Hexameter und Zäsuren auch fein kaputtgehauen worden und es enstand nur noch ein sprachliches Wirrwarr (kurzum: eigentlich ist die Übersetzung gräßlich) - dem Prestigegrad des Dramas hat das jedenfalls keinen Abbruch getan.

  2. #42
    Öh, kurze Überlegung was in meiner Realschulzeit derzeit durchgenommen worde. Da wäre in der 7. Klasse soweit ich mich erinnern kann erstmal "Rolltreppe abwärts" von Hans-Georg Noack. Ich habe keine genaue Erinnerung mehr an das Werk, jedoch hab ich es auch nicht wirklich schlecht in Erinnerung. Das war jedoch zu der Zeit auch nur 'n Buch wo man sich durchgelesen hat weil es gefordert wurde und ich mich somit nicht näher damit beschäftigt habe. In den späteren Schuljahren kann ich mich noch an "Romeo und Julia" erinnern, wo ich feststellen musste, dass Shakespeare nicht so mein Fall ist, da dieser zwar durchaus weiß mit Worten umzugehen und auch Konflikte gut zu repräsentieren, jedoch dass auf mich mit der Zeit einfach ermüdend und platt wirkt. Dann gabs noch "Nathan der Weise" von Lessing, dass aber im Unterricht total unterging aus Gründen des Zeitdrucks. Ich hab demnach das Buch nie wirklich gelesen und kann mir deswegen kein Urteil erlauben. Darauf folgte "Die Räuber" von Schiller. Hiervon hatte ich einen guten Eindruck, gefiel mir alles ziemlich gut, die Konfliktsituation, die einzelnen Motive gepaart mit inneren Gewissensbissen, die Handlung an sich und die Rhetorik. Find ich als Schullektüre auch garnichtmal so unangebracht. "Faust I" von Goethe, wie es doch in vielen Abschlussklassen ein Thema war, war jetzt in der 10. auch bei mir im Lehrplan. Ja was soll ich sagen, nimmt ja doch eine besondere Stellung ein und das durchaus zurecht, obwohl mich der Anfang ziemlich kalt lies und einen ermüdenden Effekt erzielte, wurde der Verlauf mit steigender Handlung immer interessanter/besser/whatever. "Faust II" fand ich nachdem "Faust I" Eindruck hinterließ doch ein stückweit besser, auch wenns jetzt (noch) nicht unter meine Schullektüre fällt. Als letztes bisher war dann "Der Vorleser" von Bernhard Schlink dran. Auch hier durchaus Gefallen daran gefunden, wenn auch zwischendrin mir die Laune verging an wenigen Stellen, schnappt man doch wieder Motivation auf, dass Buch durchzuringen. Einteilung find ich hier äußerst vorteilhaft gewählt und Michael als Charakter ist doch auch interessant gestaltet.
    Fazitmäßig sei zu sagen, dass ich die Auswahl vieler Schulen bezüglich der Lektüre die behandelt wird garnicht schlecht finde, weil sonst sich die Mehrheit (lose Behauptung) wohl eh nicht damit freiwillig beschäftigen würde und gerade einen Faust oder die Räuber sollte man durchaus schonmal durchgeblättert haben. War aufjedenfall kein Beinbruch, eher ne Bereicherung. (Auch wenn sich das jetzt weniger enthusiastisch gelesen haben möge)

  3. #43
    @asphyxiôn
    Nathan der Weise war genial, den hab ich in meiner Auflistung noch vergessen.
    Schade, dass ihr das Buch nicht genauer behandeln konntet, bei uns hat es für 2 Schulaufgaben gereicht.
    Nicht nur wegen der Ringparabel ein sehr interessantes Stück, leider nicht ganz so leicht zu lesen (due to the era). Hätte ihn gerne mal in Prosa gesehen.

  4. #44
    Zitat Zitat von Dhan Beitrag anzeigen
    Kk. Bleibt das Argument, dass die Entscheidung, was denn jetzt gehaltreich ist, immer noch subjektiv ist weil ja schließlich nicht alle eher unbekannten Medien unterrichtet werden können.
    Tut mir recht leid, dass die Leistung von Literatur nicht auf PS und Megabit reduziert werden kann.

    Zitat Zitat
    Ah. Dann würd ich aber nach der Pre-Definition auch Effi Briest und Die Leiden des jungen Werther nicht als Literatur bezeichnen. Gerade die Rolle der Effi ist ja nicht mehr als ein konfirmistisches, langweiliges Mädchen.
    Es gibt Leute, die erkennen sich in Effi Briest und ihrer Welt wieder.

    Zitat Zitat
    Ich seh den erzieherischen Wert nicht. Welche wichtigen Eigenschaften eines vorbildlichen Staatsbürgers werden dadurch gefördert?
    Wahrscheinlich Leidensstärke eh? ^^
    Deutschland als Nation wurde unter massiver kultureller Propaganda erzeugt - Wagnerverein, Gesangsverein, Trachtenverein und Literaturforschung. Der Literaturunterricht stellt eine mutierte Fortsetzung dieser inzwischen über 300 Jahre alten Bemühungen dar. Das Ziel ist mehr oder weniger, uns die Liebe zum Deutschen anzuerziehen und uns auf die deutsche Kultur zu prägen, denn die einstellung gegenüber der eigenen Kultur ist Schizophren. Einerseits ist man der Meinung, dass ein Deutscher in einer geradezu extremen Weise mit seiner Kultur verwachsen ist und andererseit glaubt man, dass Fragmente amerikanischer (und früher auch französischer, spanischer oder italienischer) Kultur den Deutschen Verderben indem sie ihn aus seiner intimen Verbundenheit mit seiner Kultur lösen.

    Und wenn das passiert, werden Volk und Staat untergehen.

    Und nein, das ist nicht bescheuert. Mit diesen Argumenten wurde die BpS institutionalisiert.

    Zitat Zitat
    Ich habe irgendwann mit 12 oder so Odysee im Weltraum 2001 gesehen und in Englisch mussten wir aus irgendeinem Grund jede Stunde Morning Has Broken singen. Es hat Jahre gebraucht, bis ich Kubrick und Yusuf wieder freiwillig sehen/hören könnte. Heute bin ich Fan von beidem. Ich stelle die These auf dass ich ohne die frühe Kenntnis wesentlich früher beides geschätzt hätte.
    Mit Macbeth und Die fabelhafte Welt der Amelié wars praktisch andersrum, ich kannte und mochte beides schon vorher und die Schule hätte es beinahe geschafft, mir die durch Unterricht zu verleiden. Von daher finde ich den ungeeigneten Rahmen eben gerade nicht besser als gar nichts.
    Ich habe irgendwo weiter oben erwähnt, dass mir das voll bewusst ist. Schule ist nun mal so, dass man den Stoff runterwürgt und nach der Prüfung wieder auskotzt. Es bleibt nicht viel hängen.

    Zitat Zitat
    Drück dich mal prägnant aus, versteh ich das so richtig, du findest die in deutschen Schulen übliche Literatur auch doof (und nur das Konzept, Schüler mit Literatur zu konfrontieren sinnvoll sofern die Literatur stimmt)? Ich kann echt nicht rauslesen, ob dein Post das jetzt aussagt.
    Ja und ja.

  5. #45
    Bei uns gab's in fast jeder Geschichte eine Figur, die Hitler repräsentierte. Irgendwann waren wir so konditioniert, dass wir schon nach ein paar Seiten eines beliebigen Buches problemlos auf mehreren Seiten die Parallelen zum Nationalsozialismus diskutieren konnten. Und wann immer eine negativ besetzte Rolle auftauchte, war schon absehbar, dass früher oder später ein Mitschüler die Theorie aufstellen würde, dass es sich dabei eigentlich um eine menschgewordene Metapher für Hitler handelt.

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