Zitat Zitat von Freierfall Beitrag anzeigen
Das ist dann aber eine Leistung des Übersetzers und nicht des ursprünglichen Autor. Und jeglicher Versuch, das ganze irgendwie zu Interpretieren, insbesondere durch Zeitbezug etc. verkommt zu einem Witz.
Wie will man die Bedeutung einer bestimmten Metapher feststellen, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt keinen Sinn mehr ergibt, oder lediglich übertragen werden konnte, in der Originalsprache jedoch vor dem Zeitgeschichtlichen Kontext jedoch weitere Nebenbedeutungen hatte o.ä.?
Das tolle an Allegorien ist, dass sie sich in der Regel in jede Sprache einwandfrei übertragen lassen (zumindest im westlichen Raum, ich habe neulich festgestellt, dass sich im Chinesischen tolle Kombinationen bilden, die man einfach nicht adäquat übersetzen kann). Im Grunde sind formale Aspekte und die Konnotation vieler Wörter das Problem ("blessed are the poor in spirit", "heureux les simples d'esprit", "selig sind, die da geistlich arm sind" - drei Sprachen, drei Bedeutungsebenen) und selbst da lässt sich Abhilfe schaffen, zumal - in Lyrik und Dramatik ist das nicht so, das gebe ich zu, wohl aber in Prosatexten - einzelne Fetzen auch nicht von Bedeutung sind, es kommt auf gewichtige Stellen und den Gesamtinhalt an.

Bei der Synchronisation von Grey's Anatomy gehen auch 50% der Wortwitze flöten, einfach, weil das Deutsche die Einfachheit des Englischen nicht aufgreifen kann und auch so halt eine andere Sprache ist, aber im Gros bleiben die thematischen Schwerpunkte (das ist nämlich, mal so am Rande erwähnt, das Tolle an der Serie: sie hat welche) und die nuancierten Assoziationen erhalten.

Bücher sind keine feingespinnstigen sprachlichen Gebilde (wobei ich da mal Rilkes Cornet außen vor lassen will, der Mann ist ein Gott), es sind Gesamtwerke und darauf kommt es schlussendlich an. Und natürlich muss der Übersetzer etwas leisten, bei guter Literatur steht er sogar in der Pflicht, interpretatorisch UND schriftstellerisch zu arbeiten und von dessen Leistung sollte es dann auch abhängen, inwieweit sich das Buch in der Übersetzung noch behandeln lässt.
Bei Hemmingway würde ich sagen, tut's jede "Inhaltsangabe", George Sand schreibt sowieso zu wuchtig, als dass man ihre Texte jetzt groß mit künstlerischer Sorgfalt behandeln müsste, Hesse soll übersetzen wer will...

Ab einem gewissen Maß kann man sprachliche Verziertheit vernachlässigen. Dieses Maß geht von dort, wo keine vorhanden ist, bis zu gereimten, freien Versen. Bei strengen Gedichten gebe ich dir recht (aus dem Grund, dass man Baudelaire nur auf Französisch lesen sollte), bei Versdramen mit diszipliniertem Versmaß... aber selbst die kann man angemessen übersetzen (zeigen die Texte Shakespeares auf Deutsch oder die Carroll-Gedichte).

Man kann übrigens Antigone um-, re- und totinterpretieren, das haben auch unzählige Leute gemacht und der größte Teil von denen konnte kein Altgriechisch. Da sind die tollen Hexameter und Zäsuren auch fein kaputtgehauen worden und es enstand nur noch ein sprachliches Wirrwarr (kurzum: eigentlich ist die Übersetzung gräßlich) - dem Prestigegrad des Dramas hat das jedenfalls keinen Abbruch getan.