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ᵵ Ghost Rider ᵵ
Katakomben unter der Festung der Heiler
Am Fuß des Hügels angekommen, zügelte Juan sein Reittier und blickte zurück und hinauf zur Festung. Nur noch die Türme waren zu sehen, und das nur im Ansatz. Zufrieden, dass er nun außer Sichtweite war, saß er ab und führte sein Pferd nach rechts, abseits des Weges durch das Gelände. Die Kälte und der Wind zerrten an ihm, die Sonne war noch nicht aufgegangen als dass sie irgendeine Spur von Wärme spenden konnte.
Eine gute Stunde verging, inzwischen zeigte sich die Sonne am Horizont und warf ihr wärmendes Licht auf die öde und karge Landschaft. Der Agent war gut voran gekommen und schließlich erreichte er den gepflasterten Weg hinter der Festung. Er atmete durch und blickte sich um. Ein gut befestigter Weg, wie geschaffen für schwerere Transporte wie ich sie sah. Hier entlang dürften die Vorräte die Heiler erreichen und sie versorgen. Aber warum so ein umständlicher Zugang? Vorsicht Juan...dir steht es nicht zu, Fragen zu stellen. Der Rothwardon bewegte sich auf das große, schwere, zweiflügelige Holztor zu und dann stand er schon davor. Er wollte soeben anklopfen, da schwang einer der Flügel nach innen auf und ein Mönch trat heraus und bat ihn wortlos herein. Juan leistete dieser Anweisung Folge, und kaum war er durch das Tor getreten, schloss sich der schwere Holzflügel hinter ihm mit lautem Krachen.
Drinnen mussten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen und er zwinkerte ein paarmal. Der Mönch nahm ihm unterdessen die Zügel des Pferdes aus der Hand und führte es an der Wand zu Juans Rechten entlang bis zu einem kleinen Unterstand mit Heu, wo er es festband. Nun endlich hatten sich die Augen des Agenten an das karge Licht gewöhnt, und was er sah, verschlug ihm die Sprache.
Anscheinend war der gesamte Hügel, auf dem die Festung stand, untergraben und von einer komplexen, riesigen Katakombe durchsetzt. In der Eingangshalle, in der Juan jetzt stand, war der Boden komplett gepflastert, die Wände gemauert und die Decke ebenso. Viele leere Pritschenwagen standen an den Hallenwänden, wie zu einer Kette aufgereiht und ganz offensichtlich schon entladen. Der Mönch, welcher das Pferd weggeführt hatte, trat an Juan heran. „Folgt mir bitte“, meinte er kurz angebunden und ging ohne Zurückzuschauen voraus. Juan folgte ihm schweigend, sich weiterhin staunend umblickend.
Sie betraten den nächsten Raum, welcher nur wenig kleiner war wie die Eingangshalle und sich direkt an diese anschloss. Und nun verstand Juan, was der Festungsleiter mit seinem Hinweis auf das Schweigegelübde gemeint hatte. Hier türmten sich tausende und abertausende von Knochen zu großen Haufen, welche nicht selten doppelte Mannshöhe erreichten. Seine Augen tasteten diese Ansammlungen von Überresten genauestens ab, und sollte ihn doch Dagon höchstpersönlich holen, er könnte schwören, dass sie menschlich waren. Sein Verdacht sah er auf’s grausamste kurz vor dem Hallenausgang bestätigt: Hier befanden sich große unförmige Hügel, mit großen Leinentüchern abgedeckt. Diese wiesen im spärlichen Licht große glänzende rote Flecken auf, und unter den Rändern der Tücher schauten hier und da Arme und Beine hervor. Juan schüttelte verwirrt den Kopf und hielt inne, den Leinenhügel wie gefangen anstarrend. Was ist das hier für eine kranke Vereinigung?!Der Mönch packte ihn plötzlich am Arm. „Nur nicht Anhalten, dies ist eigentlich nicht für eure Augen bestimmt“, der Mann klang süffisant, lächelte auch bei den Worten und zog dann Juan mit sich. Der Agent ließ die Augen nicht von dem Hügel, bis sie schließlich den Raum verlassen hatten. Nun gingen sie schweigend durch verwinkelte Gänge, die aber alle sehr säuberlich und stabil gemauert waren.
Der Gang führte sie an vielen Türen vorbei, hinter denen sich die ominösesten Geräusche vernehmen ließen: Spruchformeln, Geschrei wie von einer Folter, herzerweichendes oder auch furchteinflößendes Stöhnen, Kampfgeräusche. Aber all dies vernahm der Rothwardon nicht. Vor seinem geistigen Auge sah er immer noch diese Berge von Leichen und Knochen; mit leerem Blick und eine schiere Ewigkeit folgte er dem Mönch. Dieser hielt dann plötzlich an, beinahe wäre Juan ihm in den Rücken geprallt. Mit einer Geste wies er auf einen Durchgang, dann auf die Treppe, die am Ende des Ganges lag und nach oben führte. „Da könnt ihr euch umziehen, eine schwarze Robe wie sie jeder trägt, eine schwarze Kapuze wie sie jeder trägt. Wie ihr bestimmt bemerkt habt, reden wir kaum ein Wort. Dazu würde ich euch auch raten, ihr wirkt so weniger nicht hier zugehörig. Stummheit ist hier keine Seltenheit. Und dann könnt ihr da entlang gehen, am Ende der Treppe erwartet man euch. Und...“, der Mönch bewegte sein Gesicht nahe an das von Juan und verfiel in Flüsterton, welcher sehr bedrohlich wirkte, „...denkt daran: Schweigen ist Gold.“. Damit verschwand der Mann in die Richtung, aus die sie gekommen waren. Juan stand allein im Gang.
Der Agent begab sich dann in dem ihm zugewiesenen Raum. Ein Schrank, ein einfaches Bett, ein kleines Tischchen daneben mit einer kleinen brennenden Öllampe, die einzige Lichtquelle. Fensterlos, dunkel, aber keineswegs schmierig war der Raum. Einfach nur karg, wie die Landschaft draußen. Die Augen des Rothwardonen blieben auf der kleinen Öllampe hängen. „Viel zu klein für den großen Raum, aber ein extravagantes Gasthaus kann ich hier wohl nicht erwarten.“.
Er schloss die Tür und öffnete dann den Schrank, in welchem eine schwarze Hose, ein gleichfarbiges Hemd und ebensolche Schuhe waren, sowie eine schwarze Robe und die dazugehörige Kapuze. Der Agent entkleidete sich fast vollständig bis auf seine Untersachen und verstaute alles im Schrank. Dann zog er sich die für ihn zurechtgelegte Kleidung über. Als er den Schrank schließen wollte, fiel sein Blick auf das Buch. Sein Buch. Schweigend Hob er es auf, verschloss die Schranktür, trug dann das Schriftstück zum Bett und überlegte. Dass sie mein Zimmer durchsuchen, glaube ich nicht, aber sicher ist sicher. Er legte sich auf den Bauch und schaute unter das Bett. Hier fand er auch ein paar Querbalken des Gestells und verklemmte hier das Buch. Dabei fiel ihm auf, dass nicht einmal hier auch nur der Ansatz von Spinnenweben zu entdecken war. Schwerfällig richtet er sich wieder auf und setzte sich dann ebenso auf das Bett, den Kopf auf die Hände gestützt. Ich habe nichts gegen Leichen. Nichts gegen Knochen. Aber ich bin in einem Heilerorden! Was hat diese Konzentration von Nekromantie hier zu suchen? Dieser Auftrag ist brisant. Der Orden wird von dem Hohepriester der Kaiserstadt geschützt. Weiß er etwa davon? Wer noch? Hat mich mein Gefühl bei dem Schädel im Büro doch nicht getäuscht. Auftrag ist Auftrag, mein Eid oder mein Leben. Nun endlich richtete sich Juan auf, verließ sein dunkles Zimmer und folge der Anweisung des Mönches. Langsam, einen Schritt vor dem andren setzend, ging er die besagte Treppe hinauf.
Das Ende der Stufen kam ihm nur zu bekannt vor. Hier blickte auf die Rücken der beiden Wächter, an welchen er noch letzte Nacht vorbeigekommen war. Einer der beiden drehte sich um, als er ein Geräusch hinter sich vernahm. Die Augen fielen auf Juan, und mit einer kurzen Geste gab der Wächter Juan zu verstehen, er solle die Kapuze aufsetzen. Dies tat er auch, sein Gesicht war nun nicht mehr zu erkennen im Düstern der Festungsanlage. Weiterhin stumm wies der Mann in Richtung des Büros. Juan nickte kaum merklich und machte sich auf den Weg. Welch Scharade, für mich als Agent bis jetzt die beste Verkleidung...
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