Der Rothwardon tappte die flache Treppe hinab, die Fackel vor sich halten. Er ging um eine Biegung, der Gang fiel weiter ab, dann kam noch eine Biegung. Der Agent bekam aus dem Augenwinkel im Fackelschein eine seltsame Maserung mit und hielt inne. Mit wachen Augen betrachtete er die nach magischen Runen aussehende kreisförmige Gravur in der Wand. „Komisch...“, murmelte er, wandte sich ab und ging weiter. Der Gang führte jetzt schnurgerade geradeaus und hatte auch keinerlei Steigung mehr. Gefühlte fünfzig Meter schlich Juan weiter, dann wurde ihm langsam aber sicher mulmig und er verfiel in Gedanken. Vor und hinter sich herrschte undurchdringliche Dunkelheit, welche nur von dem Feuer der Fackel durchbrochen wurde, somit betrug die Sichtweite nur mehrere Meter. Also so langsam glaube ich, dass ich falsch bin. Obwohl es nach unten geht, an solch eine Dunkelheit erinnere ich mich nicht. Ebenso diese Maserung vorhin. Ich glaube ich sollte umkehren. Aber gerade, als er den Gedanken zu Ende dachte, spürte er an seinem Fuß einen Widerstand. Ganz leicht nur, aber er bemerkte ihn. Durch seinen Kopf zuckte blitzschnell der Gedanke ‚Falle, beweg dich nicht‘, aber Juans Körper handelte anders. Der Fuß wollte den Widerstand durchbrechen und tat dies schließlich auch. Mit einem metallischen Geräusch wie das Reißen einer Harfensaite sah der Agent im dämmrigen flackernden Licht den Metallfaden reißen.

Dann ging alles ganz schnell. Hinter Juan knallte es ohrenbetäubend, für einen Moment waren seine Augen noch an dem Metallfaden gefesselt, welcher bei seinem Reißen noch einmal kurz aufgeblitzt hatte, das sah schon beinahe nach Magie aus. Dann aber fuhr er herum und blickte an das Ende des Ganges, von wo er gekommen war. Er erinnerte sich an die Maserung, die seltsame Gravur in der Wand. Jetzt wusste er, wozu sie da war, denn an eben jener Stelle hatte sich ein riesiger Feuerball materialisiert, welcher den gesamten Gang auszufüllen schien. Diese tödliche Kugel kam direkt den Gang entlang auf ihn zugeflogen, dabei gab sie ein lautes Dröhnen von sich. Juan handelte instinktiv. Er rannte. Er wusste weder, wie weit der Gang noch führte, noch sah er das Geringste vor sich. Er hoffte einfach, sich irgendwie retten zu können. Aber nur fünf Schritte später sah er seine Hoffnungen begraben, denn anscheinend hatte sich aus der Wand im Laufe der Jahre ein Stein gelöst und eben jener lag mitten auf dem Weg. Im Dunkeln sah ihn der Agent nicht und setzte in seiner Hast, so wollte es der Zufall, seinen Fuß genau auf diesen im Weg liegenden Stein. Juan rutschte weg und schlug der Länge nach hin, das Bündel mit den Büchern fiel ihm aus der Hand und rutschte vor ihm in die Dunkelheit. An der Helligkeit der Wände sah er, dass der Feuerball nur noch wenige Meter entfernt sein musste, er spürte die Hitze herannahen...und blieb einfach nur liegen, sich an die noch völlig kalten und feuchten Steinplatten pressend. Das war es dann wohl..., war das Letzte, was er dachte, dann war die Feuerkugel auch schon bei ihm.

Juan dachte er würde sterben und irgendwie wünschte er sich dies fast, denn obwohl die Kugel nur für den Bruchteil einer Sekunde über ihn hinweg fuhr, streifte die volle Hitze über seinen Rücken und die ungeschützten Arme. Seinen Umhang pulverisierte es sofort, das nicht brennbare Leder seiner Rüstung heizte sich blitzschnell auf und bildete eine Rußschicht; die stabile Kapuze hielt der Hitze sonderbarerweise auch stand, aber wärmte sich ebenfalls auf und brannte Juan auf seinem Kopf. Überall spürte er die Hitze, an den Beinen, dem Rücken, dem Nacken, dem Kopf, es brannte fürchterlich. Was ihn aber wirklich zu schaffen machte und ihn fast bewusstlos werden ließ waren die Verbrennungen an seinen Armen, denn diese waren vollkommen ungeschützt. Rüstung an den Armen hieße eingeschränkte Bewegungen, Juan war dagegen, sich dort Rüstungsteile anzulegen. Jetzt wünschte er sie sich so unwahrscheinlich, aber es war zu spät. Der Feuerball verbrannte die Haut an der Oberseite seiner Unterarme und Hände völlig, unsägliche Schmerzen durchfuhren Juan hier, nicht einmal Luft zu Schreien hatte er, da das Feuer der magischen Kugel den Großteil des Sauerstoffs im Gang verbrauchte, welcher sowieso schon nicht in Massen vorhanden war. Der einzige Grund, warum Juan überlebte, war die Tatsache, dass der Feuerball ungefähr einen halben Meter über dem Boden hinwegrauschte, ansonsten füllte er wirklich den gesamten Gang. Nachdem die zerstörerische Kugel über Juan hinweggefegt war, knallte sie in einiger Entfernung an das Ende des Ganges, welcher dort anscheinend wieder einen Knick machte. Es gab abermals eine laute Explosion, und der Feuerball war verschwunden.

Juan blieb regungslos liegen. Der Gang, welcher in seiner Gesamtlänge zirka einhundert Meter maß und in dessen Mitte sich der Agent ungefähr befand, war nun vollkommen schwarz vom Ruß der Feuerkugel; überall waren tausende und abertausende winzig kleine Flämmchen zu sehen, welche den Gang jetzt über die gesamte Länge matt beleuchteten wie winzige Kerzen.
Der Agent atmete flach, die Finger schmerzten ihm, als er sie bewegte, die Arme taten höllisch weh, als er sich aufstemmte vom Boden. Seine gesamte Rückseite war rußverschmiert und brannte ebenfalls wie Feuer, ein paar kleine Flämmchen befanden sich auch noch auf der Rüstung, welche aber sofort erloschen, als sich Juan bewegte. Er ächzte vor Schmerzen und blickte auf. Vor sich sah er den Gang sich erstrecken und dessen Ende, direkt vor sich hatten sich seine Bücher in ein Haufen Asche verwandelt. Das Atmen fiel ihm enorm schwer, denn abgesehen von den Schmerzen war die Luft heiß und schwer einzuatmen, da es einfach an Sauerstoff fehlte, welcher soeben verbrannt worden war. „Ich...lebe...noch...“, stöhnte er ungläubig, auf den Boden starrend. Die Hitze an seinem Rücken ließ langsam nach, jedoch nicht der brennende Schmerz von seinen Unterarmen abwärts. Im fahlen Licht wendete er schwerfällig den Blick dahin; die Arme waren vom Ruß verschmiert, darunter erkannte er schemenhaft viele Brandblasen.
Ächzend wuchtete sich Juan hoch und fiel dann mit dem Rücken gegen die Wand und rutschte sie wieder herunter, da seine Beine noch extrem wackelig waren. Hier blieb er sitzen und wartete, bis der pochende Schmerz an seinem Rückgrat nachließ, welcher durch das Dagegenfallen entstanden war. Dies passierte recht schnell, da die Verbrennungen auf dem Rücken minimal durch die Rüstung gehalten worden waren.

Das sind solche Schmerzen und so wenig Luft hier, ich lebe tatsächlich noch. Und meine Bücher sind hin. Meine Bücher. Juan du machst dir Sorgen um deine Bücher, und was ist mit deinen Armen? Mit deiner Haut? Mit deinem Leben? Er blickte sich in den mit kleinen Flammen übersäten und rußigen Gang entlang. „Den Knall hat man in der ganzen Festung gehört, oder wohl eher beide...“, murmelte er ausgelaugt und leise. Seine Ohren waren durch das Dröhnen und den Explosionen, welche in solch einem engen Gang besonders zum Tragen kamen, noch mit einem leichten Fiepen belegt, trotzdem versuchte er auf etwaige Schritte zu lauschen. Er legte leise stöhnend seine Hand auf den Griff eines seiner Schwerter und zog es langsam; die Schneide legte er quer über seinen Schoss und lehnte den Hinterkopf an die Wand. Die Hitze im Gang erschwerte immer noch das Atmen...