Eine solche Ausdauer im Warten hätte man einem Rothwardon wohl nicht zugetraut, jedoch war sich Juan bewusst, welchen Berufsweg er eingeschlagen hatte. Der Großteil der Zeit seiner Anstellung bestand aus Warten und nur ein wirklich Kleiner im aktivem Handeln. Er hatte gelernt, damit umzugehen.
Seit dem frühen Morgen saß er hier und hatte sich nicht von der Stelle gerührt, sah man von den paar Schritten zu den Taschen seines Pferdes ab, um neuen Wein oder etwas zu Essen zu holen.
Mit wachen Augen suchte er immer wieder den Horizont nach Veränderungen ab, aber er wurde immer wieder enttäuscht. Der Agent nahm das teilnahmslos zur Kenntnis und blieb hartnäckig; die gute Sicht von seinem Beobachtungspunkt erlaubte es ihm, dass er sich nicht einmal von seinem Felsen erheben musste, sondern von hier aus beide Pfade überwachen konnte. Skeptisch warf er nun, am späten Nachmittag einen Blick auf das kleine Feuer zu seinen Füßen, welches er mit Absicht auf solcher Größe hielt. Schließlich wollte er sich nicht durch verräterische Rauchschwaden oder zu hellen Feuerschein in der Nacht verraten.
Juan blätterte wieder in seinem Buch und las aufmerksam die folgende Seite, wobei er leise vor sich hinmurmelte. "Das Konservieren der sterblichen Überreste des Versuchskörpers stellt eine besondere Hürde dar, da selbst nach dem Tot des Objektes noch chemische Prozesse ablaufen. Diese Vorgänge äußern sich deutlich sichtbar in der Verwesung; diese zieht sowohl materiellen Verfall nach sich als auch einen gut wahrnehmbaren typischen Geruch. Nichtsdestotrotz eignen sich auch fast komplett zerfallene Körper für jegliche Totenbeschwörungen, wobei auch hier gilt: je fähiger der Beschwörer, desto mächtiger ist auch die Kreatur, welche entsteht. Diese ist in diesem Fall dann durchaus in der Lage, die Stärke eines mächtigeren Skelettkriegers zu erreichen, im Allgemeinen gilt jedoch der Grundsatz, dass diese bestimmte Art der Totenbeschwörung häufig schwächer ist als wenn man mit gleichen Einsatz ein Skelett erschafft. Somit ist die Konservierung von toten Körpern nur für Anschauungszwecke, Versuche oder Ritualen notwendig.". Juan legte die Stirn in Falten. Dieses Kapitel befasste sich mehr mit der Beschwörung als mit der wirklichen Alchemie. Jedoch ließ sich dort ein kleiner Teil herauslösen: Konservierung war ein schwieriges Unterfangen, und wenn man nicht gerade Experimente tätigen wollte, war sie total unnütz. Aber genau dies interessierte den Agenten.
Dennoch klappte er das Buch zu, legte die Hände darauf und blickte wieder zum Horizont. Was sage ich eigentlich, wenn ich dieser Frau gegenüberstehe? Als was gebe ich mich aus? Als Abenteurer?, und er schaute zu dem großen Gardepferd, welches die normalen Tiere deutlich überragte von der Schulterhöhe her. Das wird sie mir nicht glauben, nicht mit solch einer Ausrüstung, und sein Blick fiel danach auf seinen dicken schwarzen Fellumhang, den er sich umgelegt hatte wegen der Kälte in diesen Höhenlagen. Was dann? Ich könnte mich als Bote ausgeben, und wenn sie wirklich zu der Festung will könnte ich behaupten, ich müsste ebenfalls dorthin. So würde ich ihr auf den Fersen bleiben, ohne verdächtig zu wirken. Ja, diese Idee klingt plausibel. Juan konnte sich sehr gut Ausreden zurechtlegen, um seine Identität zu verschleiern, dazu war er jetzt lange genug Agent. Nur sehr wenigen Leuten gelang es, ihn mittlerweile zu durchschauen, und das auch nur erst wenn er mit eben jenen Leuten ein wenig Zeit verbracht hatte. Boten waren dafür berühmt, immer eine der besten Ausrüstungen zu erhalten, schließlich mussten sie schnell voran kommen, also war er mit dieser Aussage auf der sicheren Seite. Agenten kannte im Kaiserreich, wenn sie unterwegs waren so gut wie niemand, also konnte man auch nicht auf sie schließen, nur wenn jemand ausgezeichnet ausgestattet war.
Froh darüber, auch dieses Problem gelöst zu haben, suchte er mit den Augen nochmals die Landschaft ab und vertiefte sich dann, nachdem er abermals nichts Außergewöhnliches erblicken konnte, wieder in sein Buch, bis der Abend dämmerte...