Bithor saß noch eine ganze Weile auf dem Stein am Dorfplatz, der ihm schon fast eine zweite Heimat geworden war. Er war immer noch fassungslos ob der Geschehnisse des vergangenen Tages. Er hatte einen Unschuldigen an den Galgen gebracht. Seine Glieder verkrampften sich. Nicht nur, dass die Bestien sein Herz durch die vielen Tode der Dorfbewohner belastete, wurde es jetzt auch noch durch seine ganz persönliche Schuld erweitert. Er war es gewesen, der Lars an den Galgen gebracht hatte. Er hatte ihn schließlich als Erster dafür vorgeschlagen.

Bithor atmete tief ein. Die Luft kam ihm in dieser Nacht noch kälter als sonst vor. Er spürte, dass etwas passieren würde. Seine gerechte Strafe erwartete ihn schon. Langsam nahm Bithor seinen Stab und machte sich auf den Heimweg. Es war ihm allerdings, als ob er dabei einen Teil seiner Seele am Dorfplatz zurückließ.

Sein ganzes Leben hatte er, abgesehen von den Feldzügen, immer in diesem Dorf verbracht. So gehässig er auch manchmal sein konnte, so sehr liebte er dieses Dorf und seine Bewohner doch. Er selbst hatte nie eine Familie gehabt, von daher war das Dorf immer ein Ersatz dafür gewesen. Bithor fragte sich, ob sich irgendwann irgendwer an ihn erinnern würde oder ob er nur eine Episode der Geschichte bleiben würde, an die sich in einigen Jahren niemand mehr erinnern würde.

Gedankenversunken erreichte Bithor seine Hütte und öffnete sie. Langsam tastete er sich zu den Flaschen vor. Ja, diese Form kannte er nur zu gut. Behutsam füllte er sich ein Glas Absinth ein und leerte es in einem Zug. Bithor dachte über die Ereignisse der letzten Tage nach, während die Flasche sich zunehmend einem Zustand der volllständigen Leere näherte. Er hatte Fehler gemacht und wusste nicht, wie er sie je wieder gutmachen könnte.

Seine alten Knochen tasteten sich zu seiner Harfe voran und er begann ein Lied der tiefsten Trauer zu singen. Immer mehr näherte er sich einem Zustand der vollkommenen Melancholie, doch dann vernahm er ein ihm unbekanntes Geräusch. Er hielt mit dem Spielen inne. Löste der Alkohol jetzt schon Täuschungen bei ihm aus? Nein, dies war keine Phantasie. Er spürte ihre Nähe, konnte ihren heißen fauligen Atem in seiner Nähe spüren.

"Na kommt meine kleinen Schoßhündchen, ich habe keine Angst vor euch. Meine kleinen Feenfreunde werden mich schon vor euch beschützen."

Mit diesen Worten griff Bithor um sich und konnte eine der Bestien am Kopf berühren. Sanft tätschelte er den Kopf des Wolfes, bevor er wieder begann zu singen.

Selbst die Bestie schien von dieser Tat irritiert zu sein. Schnell griffen seine animalischen Instinkte allerdings wieder und mit einem schnellen Biss zerfetzte sie die Kehle des alten Skalden.

Von der Wucht der Attacke umgeschmissen, blieb Bithor auf dem Rücken liegen. Seine blinden Augen starrten zur Decke. So sollte es also enden. Alt, verlassen von der Menschheit und zerfleischt von einer Bestie lag er mit dem Tod ringend auf seinem Rücken. Tränen flossen ein letztes Mal über seine Wangen. Er hatte keine Angst vor dem Tod, fürchtete sich aber um das Schicksal des Dorfes. Vor seinem Auge begannen sich Lichter zu drehen, begannen sich wie im Tanz um ihn zu bewegen.

"Ich komme, meine Feenfreunde. Muhääh. Ich komme ...", waren seine letzten Gedanken, bevor sich seine Augen zum letzten Mal schlossen. Kurz darauf hörte der Dorfdepp Bithor für immer auf, zu atmen. Seine Geschichte war zu Ende geschrieben.