"HAUPTMANN DAEN WALLACEUND EISSCEDA SIND TOT!", waren die ersten Worte, die Vater Nerys an diesem Tag zu hören bekam. Der Tag hätte besser beginnen können.
Eilig kleidete er sich an, doch seine Kutte hing schief: Er hatte wahrlich nicht gut geschlafen. "VERFLUCHT!", entglitt es ihm. Sein Atem stockte. Vergib mir Herr, dass ich fluchte... und so rann er hinaus und folgte der Blutspur, die ihm nicht entgehen konnte. Dunkles, schweres Blut hatte sich mit jungem vermischt und schien den gleichen Krieg zu führen wie ihre verstorbenen Besitzer... Eilig schritt er weiter: Er wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Dann sah er sie. Eissceda, den guten Gehilfen, halb zerfleischt klebte er am Baum. Was für eine Bestie...?! Dann eine Gestalt, die sich an ... konnte das sein? eine tote Bestie kuschelte? KUSCHELTE? Er sah genauer hin. Der Wolf, der Mord: Es ist Daen gewesen. Daen. Harter Grimm und Zorn spiegelten sich auf seinem Gesicht und ließen Nerys das Ausmaß der Situation endlich bewusst werden. Verraten.
Nun erhob sich die Gestalt, die eben noch... sie erhob sich. Auratus.
"Du weißt es?", entfuhr es ihm heiser. Auratus nickte verwirrt. Tränen rannen ihr über das Gesicht, Daens Tochter. "Seit heute morgen.", meinte sie. Nur mit Mühe konnte sie ihre Stimme bändigen.
Dann geschahen einige Dinge, die Nerys sich vorher nie zugetraut hätte: "Verzeih mir, dass ich es dir nicht eher sagte." Er sah betreten zu Boden. "Er beichtete es mir kurz nach deiner Geburt. Ich durfte es dir vor seinem T... vorher nicht sagen." Die Worte klangen wie die eines Fremden, doch sie sprudelten einfach aus ihm heraus. Eine einzelne heiße Träne entsprang seinem Auge, rann über seine Wange und fand den Tod in Auratus Hand. Nerys blickte sie an und umarmte sie. Egal, ob sie ein Bastard war, egal, ob auch sie ein Werwolf sein könnte, egal, wer ihr Vater war: Er umarmte sie.
Nur was er war, hatte Daen mir verschwiegen.
Nach kurzen Augenblicken, die noch kürzer und dennoch lang und erholsam schienen, ließ er sie los. "Ich muss ... sie begraben." Und obwohl er sonst faul war und die Arbeit früher nie selbst erledigt hätte, trug er Eisscedas Leichnahm in die Kirche, holte eine Schaufel und grub, wo Daen gestorben war, sein Grab. Als er fertig war, ließ er kurz die Dorfbewohner holen, die Daens Beerdigung beiwohnen wollten, obwohl er ein Werwolf war. Doch Nerys musste ihn begraben - für Auratus und für sich, da er Daen zu Lebzeiten stets geschätzt hatte. Er sah um sich, mit Dreck und Blut beschmiert, die Kutte unordentlich und schief, und begann zu reden:
"Er mag ein Wolf gewesen sein, vielleicht der schlimmste unter ihnen. Er mag ein Lügner, ein Verräter gewesen sein, vielleicht der schlimmste Lügner unter uns. Doch er war auch Daen, der uns beschützen wollte, der unter uns weilte und uns bereicherte, der half wo er nur konnte. Und an diesen Daen gedenke ich mich zu erinnern. Margery: Rum, zum Anstoßen auf diesen Kerl und diese Bestie: Auf Daen!", sagte er halb grimmig und zornig, halb feierlich und vergebend. Ob Daens Geist die Rede wohl vernommen hatte?
Danach trank er ordentlich vom Rum und begrub Daen unter der Erde, auf der er gestorben war.
Nach dieser eher außerkirchlichen Beerdigung brauchte er erstmal etwas Erholung. Doch obwohl er früher mit Sicherheit Hähnchenschenkel gegessen hätte, reichte ihm nun etwas Brot und Käse in seiner Stube. Viel Zeit hatte er nicht, denn Nerys wollte den heldenhaften Toten, der wohl schon die ganze Nacht draußen gelegen hatte, bald die Ehre zukommen lassen, die ihm gebührte. So kümmerte er sich abermals um ein Grab und rief die Dorfbewohner erneut zusammen. Ich hoffe nur, dass das bald ein Ende nimmt. Ich möchte Hochzeiten feiern, nicht Tag für Tag meine Freunde begraben. Doch Nerys begann zu Reden, in der Hoffnung, dass Eisscedas Geist seine Grabesrede noch hören könne:
"Einen schweren Verlust haben wir zu beklagen. Heute Nacht ist der tapferste Mann von uns gegangen, ein Mann, dessen Verstand so scharf wie seine Klinge war, so gefährlich wie sein Gewehr, dessen Mut ihn weit überragte und dessen Liebe und Selbstlosigkeit uns beschützte, ja, uns noch heute umgibt. Als er noch lebte, schuftete er in der Taverne für unser aller Wohlsein und half stets, wo er konnte. Tief bedauern wir, ihm und Margery nicht eher geglaubt zu haben. Ich bitte um Vergebung, auch wenn Worte nicht vermögen, die Zeit zurückzudrehen. Und auch wenn Worte nie zeigen können, wie dankbar ich, nein, wir alle sind, so möchte ich dennoch danken für das Opfer, dass er bereit war zu geben.
Möge seine Seele ihre Flügel spannen und nach Hause kehren, in das Reich des Herrn, denn er starb totesmutig für unser aller Wohl. Lasst uns ihn auf ewig gedenken, so bald werden wir keinen treffen, der ihm gliche. Stoßt mit mir auf Eissceda an, Held von Düsterwald!"
Ehe die Sonne den Zenit erreicht hatte, waren zwei der Dorfbewohner, einer Held, einer Verräter, unter der Erde. Trotz des Erfolgs, schon zwei der Bestien erwischt zu haben, war es deprimierend. Aber es war ein neuer Tag, und Nerys spürte, dass Daen nicht der letzte Werwolf war.
Plötzlich hörte er ein schrilles Läuten. Die Alarmglocke! Er lief zu Ineluki, Margery, Bithor, Mivey, Olman, Spitfire und den anderen.
Ineluki hielt Daens Schwert in Händen. Das konnte wohl nur bedeuten, dass Ineluki der neue Hauptmann war. Nerys kniff seine Augen zusammen. Ausgerechnet Ineluki. Doch als sein Blick auf Margery fiel, kam ihm die Taschenuhr wieder in den Sinn. Es ging wohl nicht anders. Nerys schritt zu Margery und sagte leise zu ihr:
"Seid gegrüßt, Margery. Der Herr sei mit euch. Diese Taschenuhr fand ich bei Schlaftablettes Asche. Ich vermute, dass ein Werwolf sie dort verlor, doch kann ich den Namen des Inhabers nicht erkennen, meine Augen sind so schlecht geworden. Ich kann nur drei (bzw. vier) Buchstaben darauf erkennen.
Naja, der Grund, weshalb ich euch das erzähle: Ihr habt, neben Auratus, die besten Augen im Dorf, die lesen können, und Auratus wollte ich nicht bitten. Also, Margery, sagt mir bitte, was in diese Taschenuhr eingraviert ist."
[occ: Sorry für die Länge des Posts, aber ich wollte alles unterbringen und nicht etliche Posts daraus machen. Ich hab versucht, es durch Absätze und Unterstreichungen überschaubarer zu machen und schreibe noch eine Zusammenfassung im Anmerkungenthread.]