Dipl. User mit summa cum laude
Es klopfte an der Tuer. Ganze DREI Mal. Das liess sich leider nicht ignorieren. Ineluki rollte mit den Augen, seufzte, warf ein schwarzes Tuch ueber seinen Schreibtisch und ging zur Tuer. Beim Oeffnen durchschnitt ein heller Lichtstrahl die angenehme Dunkelheit des Raumes und brannte in seinen Augen.
"Ja ? Was gibt es denn so wichtiges ? "
Der Mann vor ihm schluckte.
"Die Hoelle wird sich schon nicht aufgetan und Monstrositaeten ausgespien haben, oder ?" fuegte Ineluki in einem Ton hinzu, der irgendwo zwischen Spott und Verbitterung schwang. Doch als er sag, wie sein Gegenueber schlagartig erblich, fuehlte er sich sofort schuldig.
"Na na .. wird schon nicht so schlimm sein ... Ich komme ja schon ..."
Ineluki griff sich seinen bodenlangen schwarzen Mantel, seinen Zylinder, die Handschuhe und seinen Gehstock mit dem aus Silber gefertigtem Kopf eines heulenden Wolfes als Knauf und trat neben den Mann hinaus ins Sonnenlicht. Seine Augen schmerzten noch immer und fuer einen kurzen Moment war er fast blind, dann fing er sich. Auf dem Dorfplatz war bereits eine grosse Menge versammelt. Der Mann neben ihm wirkte verlegen und stotterte irgendwas unzusammenhaengendes.
Auf dem Dorfplatz angekommen verstummte die Menge allmaehlich und bildete eine Gasse fuer Ineluki und den Mann, der ihn geholt hatte, und liess beide zum Brunnen in die Mitte.
"Wie ich hoere, soll es eine Abstimmung geben ? Was ist denn ueberhaupt vorgefallen ?"
Die Menge begann aufgeregt durcheinander zu plappern und Ineluki musste mehr als einmal zur Ordnung aufrufen. Schliesslich verkuendete er folgendes:
"Werwoelfe also ? .. Das ist in der Tat eine schreckliche Bedrohung fuer unser Dorf. Ich bin zwar kein Experte auf diesem Gebiet, Erasmus von Nackenpfeffer aus Koenigsberg oder Hieronimus van Hellsing sind die Koryphaen, aber bis jemand diese zu uns bringen kann, vergehen Wochen und bis dahin wird man wohl mit mir Vorlieb nehmen muessen. Auch ich habe ueber diese schrecklichen Kreaturen einiges auf meinen Studien in Rumaenien gehoert. Und wenn jemand meinen Rat sucht, stehe ich euch gerne zur Seite. Allerdings gebe ich folgendes zu Bedenken:
1. Wir wissen nicht, woher die Werwoelfe kommen. Es koennte ein marodierendes Rudel von ausserhalb sein, aber, und das mag euch erschrecken, sie koennten bereits unter uns sein. JEDER von uns hier koennte ein Werwolf sein, ja es vielleicht sogar nicht einmal wissen. Wir wissen ebenfalls nicht, wie viele Werwoelfe es sind, oder ob sie sich untereinander kennen. Zwar sollen Werwoelfe in ihrer Tierischen Form wilde Bestien sein, zu keiner menschlichen Regung faehig, doch wissen wir nicht, inwiefern sie miteinander kommunizieren koennen. Wahrscheinlich sind sie in ihrer tierischen Form nicht dazu faehig und kennen die Identitaet der anderen nicht, doch wir wissen nicht, inwiefern ihre daemonisch Seite in ihrem menschlichen Leben zu tragen kommt und sie sich vielleicht dann gegenseitig kennen. Ich mag es nicht ausschliessen.
2. Wenn die Werwoelfe wirklich unter uns sein sollten, dann kennen sie auch unsere Staerken und Schwaechen. Unser engster Freund, der eigene Ehemann, ja sogar ICH koennte ein Werwolf sein. Und wenn die Tierische Seite wirklich Einfluss auf unsere Ratio, unsere Denkfaehigkeit hat, dann werden die Werwoelfe nicht nur in der Nacht versuchen, uns zu fressen, sondern auch versuchen, uns am Tag gegeneinander aufzuwiegeln, Misstrauen zwischen uns saehen, den verdacht von sich selbst ablenken, oder sich extra verdaechtig machen, damit sie sagen koennen, dass sie, wenn sie ein Werwolf waeren, sich doch nie so verdaechtig benommen haetten und viel schlauer vorgegangen waeren.
3. Der hier zu waehlende Hauptmann setzt sich selbst groesster Gefahr aus. Er ist ein wichtiges taktisches und moralisches Ziel, denn wenn er faellt, muss sich die Buergerwehr neu formieren und es bricht vielleicht Zwist ueber seine Nachfolge aus. Ich stehe jederzeit gerne mit Rat und Tat zur Verfuegung, aber ICH bin der Meinung, dass, gerade ob dieser grossen Gefahr, unser Hauptmann nicht nur ueber natuerliche Schlaeue und umfassende Kenntnis der hier wohnenden Personen haben sollte, sondern auch ueber perfide Kenntnisse im Umgang mit Waffen und Kampf besitzen muss, da er sich einer staerkeren Gefahr von Angriffen aussetzt.
Daher schlage ich Daen Wallace als unseren Hauptmann vor, denn er ist ein gewitzter Geist, wenn auch hinter einer einfaeltigen Fassade, ist kraeftig, ja stark wie ein Baer und hat von uns allen die meiste Erfahrung im Umgang mit Waffen, und das nicht nur in Bezug auf ihre Anfertigung sondern auch in Bezug auf ihre Handhabung.
Demnach waere es vielleicht ratsam, dass Daen, sollte er nun Hauptmann werden oder nicht, uns allen einen Auffrischungskurs im Umgang mit Hieb- und Stichwaffen gibt. Allerdings rate ich von einer allgemeinen Bewaffnung dringend ab. Wir Menschen neigen in solchen Situationen zu paranoiden Wahnvorstellungen, und es waere nicht das erste Mal, dass so eine Situation als blutiges Massacker endet, und am Ende festgestellt wird, dass alles auf einem Missverstaendnis beruhte oder die Werwoelfe von Ausserhalb kamen und laengst weitergezogen waren. Daher meine Meinung: Waffen und Waffentraining ja, Nachts eine Ausgangssperre und die Waffen neben das Bett. Staendiges Mitfuehren von Waffen: NEIN.
Ausserdem gebe ich zu bedenken, Paranoia hin oder her, dass auch unser Hauptmann unter Umstaenden einer der Werwoelfe sein koennte, denn es koennte JEDER von uns sein. Achtet also genau so auf seine Befehle, wie auf die Aktionen aller anderer und insbesondere auch auf euere eigenen. Ueberbewertet Hinweise allerdings nicht, denn vieles, was ganz alltaeglich ist, scheint unter strengster Beobachtung verdaechtig.
Mehr habe ich wohl fuer den Moment nicht zu sagen. "
Mit diesen Worten blieb Ineluki erwartungsvoll in der Mitte des Marktplatzes stehen und sah sich um, wer als naechstes das Wort ergreifen und seinen Rednerplatz einnehmen wuerde. Fuers erste schienen allerdings ersteinmal alle durcheinander schnattern zu wollen.