Obwohl ich mehrfach gegen die Tür des Büros schlug, wurde mir nicht geöffnet. Bevor ich jedoch anfangen konnte, zu fluchen, kam ein junger Mann in meine Richtung, mit strohblonden Haaren und einen Lächeln, das man noch nicht mal in vollkommener Dunkelheit ertragen konnte.
„Mister Eastworl ist nicht da. Er musste zu einer Besprechung mit dem Chefarzt. Kann ich etwas für Sie tun?“ fragte er honigsüß. Möglichst unfreundlich drückte ich ihm den Fragebogen in die Hand. „Ja, es wäre sehr nett von Ihnen, wenn sie die Unterlagen ihm überreichen könnten. Vielen Dank.“ Damit verschwand ich wieder in die andere Richtung.
Mein Zimmer lag noch weiter hinten im Gang als der Verhörraum. Es war nicht besonders groß, bot aber ein Bett, einen Tisch und einen relativ breiten Schrank. Eine Tür führte zu einem kleinen Badezimmer. Als ich mich auf das Bett fallen ließ, bemerkte ich, dass ich mein Handy auf dem Nachtstisch hatte liegen lassen.
„Zehn neue Nachrichten in Abwesenheit“ prangte auf dem Bildschirm. Zehn? Normalerweise bekam ich so viele Anrufe nicht in einem Monat. Auf die Frage meiner Mail-Box, ob ich denn automatisch zurückrufen wolle, antwortete ich aus Gewohnheit mit nein, um dann per Hand die Nummer einzugeben. Kaum zwei Sekunden hatte das Telefon Zeit zu klingeln, dann wurde der Hörer aus seiner Position gerissen und Gwall jammerte mir kläglich ins Telefon, wo ich denn die ganze Zeit gewesen wäre.
Erst jetzt, als ich auf den Wecker neben mir blickte, wurde mir bewusst, wie lange ich weg gewesen war, bzw. wie lange die Fahrt gedauert hatte- es war bereits 9 Uhr. Nachdem Gwall irgendetwas Unverständliches in den Hörer geheult hatte, kamen mal wieder die mütterlichen Gefühle für diesen ach so uneigenständigen Saltseeker hoch.
„Jetzt beruhig dich erst mal. Gwall, ich arbeite. Ich kann nicht die ganze Zeit für dich da sein.“ Mit solchen oder ähnlichen Sätzen versuchte ich ihn zu beruhigen und gleichzeitig mich zu rechtfertigen.
Es war mittlerweile Zehn, als sich Gwall entschloss, endlich aufzulegen.
Mit einem etwas schlechten Gewissen, dass ich ihn am Ende abgewürgt hatte, zog ich mich um und ging zu Bett.

Am nächsten Morgen fand ich mich recht früh im Verhörsaal wieder, nicht etwa auf Anweisungen von Mister Eastworl, sondern vielmehr, weil Charlie mich um ein Gespräch gebeten hatte.
Er saß bereits wieder auf seinem Stuhl, so, als ob er die ganze Nacht hier verbracht hätte.
Im Gegensatz zu Gestern sah er um einiges ärgerlicher aus.
Als ich mich setzte, fing er an, allerdings sehr undeutlich, zu sprechen. „Ich habe Ihren Abschlussbericht gesehen“, nuschelte er.
Ich war erstaunt. Ich hatte geglaubt einen ganz normalen Bericht abzugeben und keinen endgültigen. „Ich wusste nicht, dass es der letzte Bericht war“ gab ich zu. „Na und? Selbst wenn nicht, Sie hätten mich so oder so damit tiefer gerissen. Das hab ich alles Ihnen zu verdanken!“ Damit öffnete er leicht den Mund und deutete auf seine Zähne. Ich musste genau hinsehen um überhaupt etwas zu erkennen. Auf den Zähnen lag ein dünner, metallener Schutz, der mit Drähten nach oben gespannt war. Die Drähte führten nach hinten, weiter in den Mund hinein. „Das ist nicht dazu da, dass meine Zähne beim Essen geschützt werden. Wissen sie wofür das ist? Damit ich nicht mehr den Mund öffnen kann! Die Drähte sind hinten so ins Zahnfleisch gedreht, dass sie mir alles aufreißen, wenn ich den Mund aufmache!“
Im selben Moment kam Claire ins Zimmer. „Na, na, Charly. Übertreib nicht, ja?“ Mit einem Wink forderte sie mich auf, ihr zu folgen. „Ich hoffe, dass Sie wissen, dass das nur Stuss war. Die Drähte reißen ihm natürlich nichts auf. Sie halten nur die Kiefer zusammen. Aber so sind manche eben. Sie sind die Guten, die Psychiater die Bösen, die sie nicht verstehen. Deswegen reden sie sich manchmal was ein. Wo wir gerade dabei sind…ich kann Ihnen jemanden vorstellen.“ „Und der wäre?“ „Ihr zweiter Patient.“