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Ritter
1.Abschnitt:
Jemanden, von etwas zu überzeugen, dass er nur äußerst ungern tut, ist schwer, einen Freund von etwas solchem zu überzeugen, ist nicht viel einfacher.
Vor allem, wenn gewisse Dinge jemanden verletzen können. „Ihr seid doch alle bescheuert! Was bei Gott kann ich dafür, dass ihr eure Kaffeesucht nicht unter Kontrolle habt?“ Sämtliche Besucher und Mitarbeiter des Elektronik-Fachmarktes die sich in der Nähe befanden drehten sich zu der Gruppe von drei Leuten, die dicht bei den Haushaltsgeräten standen. Wenige Minuten später konnten sie beobachten, wie ein Mann von einem zweiten Kahlköpfigen und einer schwarzhaarigen Frau in Richtung Toilette geschoben wurde. Er zeterte etwas von „Das könnt ihr mir doch nicht antun!“ und „Ihr miesen Drecksäcke!“. Die Beiden versuchten mehrmals, ihn durch die Türe zu drücken, aber der Dritte, dessen Haare zu Dreadlocks geflochten waren, krallte sich im Türrahmen fest.
Er schrie sich weiterhin die Seele aus dem Leib, dann erbarmte sich der Glatzkopf und schlug ihm auf den Kopf, worauf er sofort verstummte und auf die Knie ging.
Die Leute drehten sich weg. So sind sie. Solange es nicht ihre Probleme waren, kümmerten sie sich nicht darum. Außerdem wurde er ja nicht erschossen.
Fazzo fand sich auf einer verschmierten Toilette wieder. Er saß auf dem Klodeckel und fühlte sich genauso dreckig wie die Sprüche an der Wand. Er blickte an sich hinab. Das schmutzige graue T-Shirt war blutig und vom Zerren und Ziehen seiner „Freunde“ ausgedehnt, sodass es ihm wie ein Sack vom Leib hing.
Er stand langsam auf, wurde aber von einem plötzlichen Gewicht nach unten gezogen, dessen Ursprung sein Bauch war. Fazzo hielt sich am Türgriff fest, wobei er fast abrutschte, da er mit irgendetwas beschmiert war.
Langsam schleppte er sich in den Vorraum der Toilette, stützte sich auf das Waschbecken und starrte in den darüber hängenden Spiegel. Sein fahles, mit dunklen Flecken übersähtes Gesicht starrte ihm entgegen. Seine glasigen Augen, deren Pupillen sich bereits langsam auflösten, starrten ins Leere, aber das taten sie immer, obgleich er es nicht wahrnahm. An einigen Stellen hatte sich sein Gesicht bereits zersetzt, er deckte diese mit Pflastern ab, weshalb er wie ein Schauspieler aus einer schlechten Apotheken-Werbung aussah.
Der Zombie richtete sich auf und fuhr sich durch die Mähne aus Dreadlocks, die auch schon ein paar kahle Flecken hatte. Auf eine groteske Art und Weise gefiel er sich. Fazzo drehte und wand sich vor dem Spiegel, betrachtete sich von allen Seiten, bis er sich daran erinnerte, weshalb er eigentlich in diesen sehen wollte.
Seit seinem tödlichen Autounfall vergaß Fazzo ziemlich viel, sogar seinen richtigen Namen und weil einige Vandalen seinen Grabstein zertreten hatten, konnte er ihn nun nicht einmal nachlesen.
Langsam zog er sein T-Shirt hoch. Auf alten Fotos, die man ihm eingeschweißt an sein Gedenkband gehängt hatte, schien er einmal Muskeln gehabt zu haben, aber die waren schon wieder verwest.
Jetzt war da nur eine glatte Fläche mit…mehreren frischen Schnittwunden. Er schlug sich mit der Faust auf die Bauchdecke. Neben dem normalen, matschigen Geräusch, war nun ein dumpfes Scheppern zu hören.
„Nein, nein, nein, nicht schon wieder!“ Bei jedem Wort hämmerte er auf das Waschbecken ein, wodurch sich kleine Risse in Nähe der Halterung bildeten. Im Gegensatz zu typischen Filmzombies, waren Fazzos Hände einigermaßen gepflegt, wenn man von den dunklen Verfärbungen einmal absah.
Fazzo krümmte sich, ein sicheres Zeichen, dass er weinen wollte, aus Wut und Enttäuschung, doch er konnte nicht, seine Tränendrüsen mussten nachgefüllt werden, aber er hatte keine große Lust sein ganzes Auge zu entnehmen. „Dann eben nicht. Diese elenden…“ Sein Fluch wurde von einer zweiten Stimme unterbrochen und als er sich umdrehte, lehnte der Kahlkopf im Türrahmen. „Du sollst nicht fluchen, mein Freund. Schweige still und erfreue dich deines Lebens.“
Geändert von Lobstercookie (24.02.2009 um 14:59 Uhr)
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