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Ritter
1. Epilog, oder: Der Fall „Charlie“
Als der Wagen endlich hielt, wurde mir bewusst, wie mies es mir ging. Die Auffahrt war der Typ von Straße, der diesen Namen eigentlich nicht verdient. Grotesk große Schlaglöcher und der allgegenwärtige Schlamm erschwerten die Fahrt ungemein. Noch vor fünf Minuten hatte es geregnet und den Weg in eine undefinierbare Schlammbahn verwandelt. Nun nieselte es zwar nur noch, aber vor dem Fußmarsch, der mir noch bevorstand grauste es mir jetzt schon.
Vom Fahrersitz grinste mir Gwall entgegen, der wusste, wie es mir und meinem Magen gerade erging.
Der Saltseeker und ich kannten uns schon seit unserer Kindheit, was ihn aber nicht daran hinderte, mich mit meinen Problemen aufzuziehen. „Und da musst du hoch?“ Er blickte an mir vorbei durch die Seitenscheibe des Fahrzeuges. Ich folgte seinem Blick und musste mit Entsetzen feststellen, dass meine neue Arbeitsstelle noch weiter entfernt war, als zunächst angenommen. Langsam nickte ich.
Allein die Strecke vom Beifahrersitz zum Kofferraum schien ewig zu dauern, immer wieder versank ich mit beiden Beinen im Matsch. Gwall half mir dabei, meinen Koffer auszuladen, doch kaum versuchte ich ihn zu tragen, fühlte ich mich unglaublich müde.
Zum Abschied drückte mich der Saltseeker noch einmal und es fühlte sich so an, als ob meine Eingeweide nach oben wandern würden. Vorsichtig befreite ich mich aus seinem Griff. Seine Haut glänzte in einem fahlen grün, überhaupt schien alles in der Umgebung düster und trüb zu sein.
„Und wie lange bleibst du noch mal?“ fragte er mich und sah mich schräg von der Seite an. „Zwei Monate. Auf Probe“ erläuterte ich ihm erneut und strich ihm über seine Ohren, die mit seiner Gemütsstimmung langsam nach unten wanderten. Wie alle Saltseeker war er groß, grün und wirkte sehr kraftvoll. Aber wie alle Saltseeker war er auch, entgegen seines Äußeren, sehr sanft und in der Tiefe seines Herzen eine kleine Mimose.
(Anmerkung: Ja, ich hätte auch einfach Ork schreiben können. Aber jemand hat behauptet, Orks könnten nicht intelligent sein. Also heißen sie bei mir Saltseeker)
Als ich ihn einfach so stehen ließ und den Weg den Hügel hinauf lief, kam ich mir unglaublich herzlos vor.
Jedes Mal wenn ich zurück sah, hob er hoffnungsvoll den Kopf und wenn ich mich wieder meinem Ziel zuwandte ließ er ihn wieder hängen, mit Ohren und seinem gigantischen Unterkiefer. Doch was blieb mir übrig?
Ich hatte zweieinhalb Jahre Papierkrieg auf dem Arbeitsamt Trokturas ausgehalten, doch am Ende trotzdem keinen Job bekommen.
Dann hatte ich vor zwei Tagen dieses Inserat in der Tageszeitung gesehen, mich gemeldet -und war sofort eingestellt worden.
Als ich nach gut fünf Minuten endlich vor der Eingangspforte angekommen war, beglückwünschte ich mich selbst für die gute Idee, dunkle Kleidung anzuziehen, ich war über und über mit Schlamm bespritzt. Während ich klingelte versuchte ich, so weit dies möglich war, einen Teil davon zu entfernen, strich mir noch mal durch die Haare, die durch den Wind und die Nässe wie ein Bündel orangenes Stroh vom Kopf standen und wartete dann auf jemanden, der mir die Tür öffnete. Während der Wartezeit betrachtete ich das Gebäude. Es war ein großes Haus im viktorianischen Baustil, das wenig Fenster, dafür aber einen umso stärkeren Efeubewuchs auf der weißen Wand aufwies. Es hatte fünf Stockwerke, wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob das Dach nicht noch ein paar mehr beherbergte.
Als endlich die große Holztür aufging, stand eine junge Frau im Rahmen, um die fünfundzwanzig, etwas mollig und ein Kaugummi im Mund. „Da ist wohl mal jemand pünktlich. Dass ich das noch erleben darf“ lachte sie und reicht mir ihre Hand. „Claire. Claire Eastworl. Mein Vater ist der Leiter der Anstalt.“
Die „Modern Aches“- Psychiatrie für Unheilbarkranke entpuppte sich als ein sehr adrettes Sanatorium, das man, wäre da nicht die klinische Sterilität gewesen, ohne Probleme für ein Hotel hätte halten können. Der Boden war schwarz-weiß gekachelt, es gab eine Sitzecke mit Ledersesseln und einen kleinen Empfang. „Sie sind Maggie Haze, nicht wahr? Sie sehen genauso aus, wie ich Sie mir vorgestellt habe. Rothaarig, schlank und grüne Augen. Komisch, nicht wahr? Es muss an ihrem Namen liegen.“
Claire führte mich einen der zwei Treppenhochgänge hinauf. Es schien viele Treppen im Haus zu geben, alle waren sie schneeweiß. Ich wusste nicht warum, aber ich fühlte mich in diesem Haus sehr wohl. Vielleicht lag es aber auch einfach nur daran, das mir jeder Ort lieber wäre als dort draußen, im Regen.
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