Rise of the Ronin
Mit Rise of the Ronin hat sich Team Ninja an ihr erstes Open-World-Spiel im Stil eines Ubisoft-Titels gewagt – und ist meiner Meinung nach sang- und klanglos gescheitert. Die Ubi-Formel haben sie zwar gut kopiert, die Map ist voller Symbole, die es abzuklappern gilt. Man muss aber keine Türme erklimmen, um die Karte aufzudecken – hier haben sie sich andere (bessere) Mechaniken überlegt. Trotzdem ist Rise of the Ronin kein besonders gutes Spiel geworden. Die Geschichte ist wirklich nur etwas für History-Fans, die sich nach japanischer Geschichte sehnen. Mit der Zeit werden die handelnden Personen extrem zahlreich, sodass man irgendwann den Überblick verliert, wer für welche Fraktion kämpft. Zwar sind die Charaktere optisch gut unterscheidbar, aber es ist einfach übertrieben. Außerdem sind alle so bierernst, und der eine oder andere übertreibt es mit dem typischen japanischen Overacting. Die Geschichte wird stellenweise für meinen Geschmack zu theatralisch erzählt: Es gibt keine Wendungen, keine wirklich erinnerungswürdigen Momente oder Szenen, die Emotionen hervorrufen. Das Questdesign ist ebenfalls eine Zumutung: Kämpfen, kämpfen und kämpfen. Mehr macht man nicht. Eine reine Schleichmission? Jemanden eskortieren? Für zehn Minuten eine Welle von Feinden aufhalten? All das gibt es nicht. Jede Quest endet immer in einem Kampf – selbst wenn man nur Blumen pflücken soll. Die Grafik bzw. die Technik stammt ebenfalls aus PS4-Zeiten, und das nicht einmal gut. The Last of Us oder Ghost of Tsushima sind da um Welten voraus. Für ein ehemaliges PS5-exklusives (!) Spiel ist das ein echtes Armutszeugnis. Immerhin wurden die gröbsten Schnitzer ausgebügelt, aber eine Augenweide ist das Spiel trotzdem nicht geworden. Es fehlt eine grafische Identität: Alles sieht gleich aus, es gibt keine besonderen Highlights. Was ich ebenfalls kritisieren muss: Das Spiel übertreibt es mit seinen Spielmechaniken. Besonders zu Beginn wird man alle zehn Minuten mit etwas Neuem konfrontiert und verliert dadurch den Überblick über das neu Gelernte – was bei mir zum ersten Ragequit geführt hat. Trotz des hohen Spieltempos muss man sich wirklich die Zeit nehmen, um alles in Ruhe zu studieren und auszuprobieren, sonst verliert man sich irgendwo in einem halbgaren Gameplay und versteht nur die Hälfte. Nächste Übertreibung: das Loot-System. Da wird sogar Borderlands neidisch. Das Spiel überhäuft einen mit tonnenweise Ausrüstungsgegenständen – man verbringt viel Zeit im Inventar, um Ausrüstungsmanagement zu betreiben. Ich mag es zwar generell, wenn man seinen Charakter gestalten und ausbauen kann, aber hier ist es einfach nur übertrieben.
Und nach all der Kritik komme ich zum besten Teil des Spiels, der für mich auch der Grund war, es durchzuspielen, alle Nebenquests zu erledigen, jedes Banditenlager zu säubern und 40 Stunden in das Spiel hineinzubuttern: das Kampfsystem. Wer Team Ninja und ihre anderen Spiele kennt (Ninja Gaiden, Nioh, ...), weiß, dass sie das Kämpfen im Blut haben. Das Kämpfen macht extrem viel Spaß. Es ist eine Mischung aus Ghost of Tsushima mit dem hohen Spieltempo von Sekiro. Wie in Sekiro kontert man zum richtigen Zeitpunkt, durchbricht die Haltung des Gegners und setzt dann stylische kritische Treffer. Das erzeugt auch noch am Ende ein befriedigendes Gefühl. Das Trefferfeedback ist super, und das Blut spritzt nur so herum. Das Spiel ist kein echtes Soulslike – was für mich ein großer Pluspunkt ist. Es gibt drei Schwierigkeitsgrade, wobei der höchste am ehesten einem Soulslike entspricht. Der mittlere war für mich die perfekte Balance zwischen Machbarkeit und Herausforderung.
Rise of the Ronin hätte so viel Potenzial gehabt. Man scheint sich jedoch die Übertreibung als Ziel gesetzt zu haben, denn mehr schafft das Spiel nicht. Lediglich das Kampfsystem, das in meinen Augen der große Gameplay-Killer ist, dürfte das Spiel vor der kompletten Katastrophe gerettet haben. Neben Ghost of Tsushima u. Assassin's Creed Shadows und dem kommenden Ghost of Yōtei ist dieses Setting gut bedient, wo ein Rise of the Ronin einfach nur untergeht und das zurecht.