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Mirokurator
Nice! 
Absolut, das Christentum hatte diese Idee, als Ideal … aber wirklich alltagspräsent war das halt (höchstwahrscheinlich – Quellenlage!) nur im Adel bzw. sogar im Hochadel, wo es zumindest im “durchchristianisierten” Teil des Mittelalters eine sehr rigide Rollenvorstellung gegeben haben dürfte, vielleicht sogar entsprechend unseres modernen Bildes. Das betrifft aber je nach Region und genauer Definition 5%, vielleicht auch nur 1-2% der Bevölkerung. Je weiter man sich davon wegbewegt – und da kann es schon reichen, einem verarmten Landadelsgeschlecht anzugehören –, desto weiter bröckelt wohl auch dieses Idealbild. In einer Bauernfamilie dürfte es bspw. über den größten Teil des Lebens eine sehr flexible Rollenverteilung gegeben haben, vorrangig abhängig von den jeweiligen Notwendigkeiten.
Und dann kommt oben drauf die spannende Unterscheidung zwischen „unterschiedlich“ und „unterschiedlich mächtig“. Selbst im Hochadel bspw. gibt es ja durchaus massiv einflussreiche Frauenfiguren, die die eher männlich (und christlich!) dominierte Geschichtsschreibung überstrahlen – aber halt üblicherweise nicht als Kriegerinnen, Priesterinnen o.ä. Und viele Forscher gehen davon aus, dass das in der Praxis gar nicht ungewöhnlich war, also bspw. starken weiblichen Einfluss in weiblich codierten Feldern oder im Hintergrund zu haben, selbst auf der Ebene einzelner Familienkonstrukte. (Mini-Beispiel: Die Zeitlinie der Hexenverfolgung beginnt ja praktisch erst nach dem Mittelalter. Davor waren „weise Frauen“ offensichtlich eine so relevante Machtgruppe, dass sich ihre Verfolgung gelohnt haben muss.)
Um ein schönes größeres Beispiel von historischer Wahrnehmung zu nennen, sind Klöster total spannend: Nonnen und Mönche haben verdammt ähnlich gelebt (zu denen gibt es naheliegenderweise genug Quellen ^^). Bei einem Mönch haben wir trotzdem schneller mal ein Bierfass, einen runden Buch und ein Lachen vor Augen, obwohl Nonnen wohl ähnlich konstant angetrunken sein dürften, wie das restliche Mittelalter auch. Und die Idee der keuschen Religion ist ja nicht mal heute haltbar, wo gefühlt jeder fünfte Priester irgendeinen Chorknaben-Skandal am Zipfel hat … aber damals, wo sehr viele Menschen nur aus familienpolitischen oder ökonomischen Gründen ins Kloster gegangen sind? Ich meine, klar, man hat öfter mal geheime Tunnel mit Kinderskeletten gefunden, aber wenn wir uns angucken, wie Sexualität selbst heute in gleichgeschlechtlichen Kontexten wie Gefängnissen funktioniert, wäre es wild, anzunehmen, diese Orte wären nicht ein gewaltiger „Saustall“ (im Sinne der christlichen Moral!) gewesen.
Und DANN ist das Christentum in Europa auch nur relativ kurz und örtlich eingeschränkt so monokulturell gewesen, wie es in der (christlichen) Geschichtsschreibung gerne dargestellt wird. Also, selbst unabhängig von Juden, Mauren, Roma etc. gab es noch bis weit in die 1000 Jahre Mittelalter hinein starke vorchristliche Glaubenssysteme, die manchmal parallel gelaufen sind, manchmal ins Christentum übergegangen sind und manchmal für Generationen weiterbetrieben wurden, obwohl Fürst und Kirche ein klares Gesetz hatten. (Schon unsere „deutsche“ Gegend ist da recht wild und divers, und weiter nördlich wird es tendenziell noch mal wilder!) Die Römer hatten ja seeehr unterschiedliche Meinungen von ihrer Christianisierung. Und davor waren halt auch schon Jahrtausende an Kultur und Religion, in denen die Quellenlage immer dürftiger wird ... und immer öfter auf ernsthaft unchristliche Praktiken hinweist, bis hin zu Matriarchaten, komplett anderen Sexualvorstellungen etc.
Wirklich massentauglich wird unsere heutige Vorstellung von historischer Moral, Rollenbildern und ähnlicher Ideologie wahrscheinlich wirklich erst mit dem Mittelstand, also nach 1800.
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