Der Nachfolger zu Teslagrad ist definitiv ein interessantes Spiel. Das osteuropäische vorindustrielle Setting, weicht einem nordisch-mythologisch angehauchten und spinnt die Geschichte der Teslamancer weiter in die Vergangenheit und beleuchtet näher die Vergangenheit der Wikinger, die im ersten Teil noch als Plot-Device dienten um zu erklären wie der König von Elektropia zu seiner Macht kam und korrumpierte.
Hierbei liegt auch dieses mal wieder die größte Stärke - nämlich dem Ausbau jener des ersten Teil: der Spielwelt und die damit umgebende Lore.
Wieder gibt es Rollen zu sammeln, statt 36, dieses mal stolze 81 Stück(!) die detailierter auf vergangene Ereignisse eingehen, neue Erkenntnisse liefern und das ganze mit den den aktuellen Geschehnissen des Spiels kombinieren. Wieder einmal wird die gesamte Handlung stumm erzählt. Im Zentrum stehen Lumina, eine der Protagonisten aus World to the West und Galvan ein mysteriöser Teslamancer der Lumina auf ihren Weg nach Hause vor den Nachfahren der Wikinger beschützt. Das ganze entwickelt noch eine sehr tragische Komponente wenn man das volle Ausmaß der Tragödie die Elektropia als wiederfahren ist erfährt, als noch ihre alte Königin Elenor herrschte.
Die eigentliche Haupthandlung ist dabei sehr schmal und nahtlos aneinander gepaced, Schlag auf Schlag gibt es so gut wie gar keine Downtime wenn man nur schnurstracks den kritischen Weg verfolgt. So ist der 2. Teil dieses mal streng genommen sogar noch kürzer als der Erstling, schon in weniger als 2 Stunden kann man die Credits über den Bildschirm flimmern sehen.
Ich habe mir durchaus etwas Zeit genommen war aber dann dennoch überrascht das ich schon am Ende des Spiels war mit nur 22 von 81 Rollen.
Die komplette Spielwelt besteht aus Fjorden, einem Tunntelsystem, einen Berg, das Schloss der Wikinger und den angrenzenden alten Teslatower des damaligen Elektropia. Noch viel mehr Metroidvania und mehr "Ori-Style" als der Erstling hält sich das Puzzlen dieses mal in Grenzen. Stattdessen fokussiert sich Teslagrad 2 stärker auf präzises und vor allem schnelles Plattforming. So erhält man schon früh die Fähigkeit mit nem Affenzahn zu sliden und das mit dem nötigen Momentum sogar Abhänge herauf, was sich dann mit der "Blink" Fähigkeit aus dem ersten Teil nur noch weiter kombinieren lässt. Wieder mal gibt es auch Polaritäten aber dieses Mal spielen sie eine noch prominentere Rolle für das Plattforming.
Einerseits begrüße ich den neuen Fokus, andererseits bin ich als Plattforming Veteran nur noch schwer zu fordern und so bietet auch dieses Spiel mal wieder zahlreiche Checkpoints an sehr vielen Stellen teilweise noch innerhalb des selben Raums, was nie wirklich groß eine Anpannung daher kommen lässt.
Gleichzeitig würde ich aber auch sagen dass die Plattforming-Passagen nie einen gewissen Anspruch überschreiten. Das Spiel ist damit insgesamt für meine Bedürfnisse eher lasch ausgefallen, dürfte aber Plattforming-Neulingen vielleicht umso mehr gefallen.
Die Bosse in dem Spiel können dabei schon mal etwas gefährlicher sein. Fairerweise haben die Entwickler für diese anders als im ersten Teil jetzt einen "Schild" bereitgestellt. Quasi ein Power-Up vor dem eigentlichen Kamof bei dem man sich einen freien Treffer erlauben darf. Das man nun nicht mehr von allem instant-gekillt werden kann und dafür das Schild nur in den Bosskämpfen zum Einsatz kommt ist wie ich finde ein fairer Kompromiss und hat diese deutlich weniger frustrierend gestaltet, ohne dass man deren Anspruch im restlichen Sinne reduzieren musste. Gerade der Endboss war an sich sehr gut auf die Mechaniken des Spiels abgestimmt und hat dann auch Spaß gemacht.
Der eigentliche Appeal des Spiels begann dann für mich aber wirklich nach der Story. als man nun mit allen Fähigkeiten die Spielwelt durchforstet und ab da wird klar dass Teslagrad 2 ein sehr vertikales Spiel ist, nicht nur von der Art der Fortbewegung sondern auch wie das Spiel strukturiert ist.
- Der eigentliche Hauptfad von unter 2 Stunden ist nur sowas wie ein Appertizer, der die Gelegenheits-Spieler mit einem einfachen, dafür aber längenlosen Pfad begnügt
- Das finden aller Rollen macht dann ungefähr 90% des Spiels aus, die sind wirklich an allen erdenklichen Ecken versteckt und die Suche nach ihnen offenbart viele versteckte Abzweigungen, Gebiete und Abkürzungen.
- dabei lassen sich sogar neue versteckte Fähigkeiten finden die für die Progression nicht erforderlich sind, aber das Auffinden der Rollen vereinfachen, doch um diese zu erhalten muss man besondere Time Trials bestehen. Die fordern das Wissen über die Spielwelt, da sie von ihrer Zielgebung open-ended genug sind, dass man seine eigene Route planen muss.
Die Time Trials fand ich leider wegen der ungünstigen Steuerungsbelegung etwas nervig. Leider sind sowohl der Slide, als auch Mjölnirs Hammer auf der selben Taste belegt (und lassen sich auch nicht entbinden), was dazu führt dass man den Slide nicht in der Luft gedrückt halten kann und ständig ausversehen eine Art Stampfangriff nach unten in der Luft ausführt.
Ich hatte jedenfalls sehr viel Spaß die Rollen aufzufinden und mich vertrauter mit der Umgebung zu machen, der Mangel einer Teleport-Schnellreise hat das Erlebnis für mich auch immersiver wirken lassen, stattdessen hat man sich für eine in meinen Augen viel interessantere Idee entschieden. So finden sich überall in der Spielwelt Harpunen, welche Kilometer lange Seile in die Luft und über die ganze Spielwelt verteilt schießen. Früh erhält man im Spiel die Möglichkeit als Elektrizität verwandelt, die Seile entlang zu leiten. So kommen nach und nach immer Fäden im Himmel dazu, die sich über sämtliche Locations wie ein Netz ziehen. So kann man in Sekundenschnelle vom Balken des 7. Stocks des Turms, auf ein fliegendes Schiff, auf den Schneeberg gelangen, ohne dass es irgendwie allzu erzwungen wirkt. Abseits davon ist das Spieltempo schnell genug, dass man niemals zu viele Passagen wiederholen müsste bzw diese allzu lange dauern,, nachdem man sämtliche Fähigkeiten nutzen kann.
Was mich dabei die ganze Zeit zusätzlich motiviert hat, war der fantastische Artstyle, bei dem die 2D Umgebung durch den geschickten Einsatz von Rotoskopie eine unglaubliche Tiefe erzeugt.
Das gepaart mit der nordischen Musik, welche ich einfach gänsehaut-erregend finde und es schafft es eine Art monumentales Feeling für die verlassene Spielwelt zu erzeugen. Die Erhabenheit der nordischen Einöde wird einfach unglaublich gut eingefangen. Musikalisch ist das IMO das bisher der Höhepunkt aller Spiele die Rain Games bisher erstellt hat.
Teslagrad bietet auch neben dem erwähnten Sammelobjekten noch viele Geheimnisse, so gibt es überall Steintafeln mit nordischen Runen die man als Deutscher tatsächlich zumindest so zu 20% entziffern kann, dank dem germanischen Gemeinsamkeiten. Demnach gibt es tatsächlich auch sehr viel Text im Spiel zur Lore, die jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ohne einen sprachkundigen vollstädnig entschlüsselt werden kann. Spannend ist es trotzdem irgendwo meiner Meinung nach und das Verständnis dieser Tafeln ist auch nicht wichtig um die Story im Gesamten zu verstehen.
Wer wirklich die gesamte Spielwelt durchforstet und vermeitnlich alle Geheimnisse lüftet wird am Ende noch mal vom Spiel mit was Besonderen belohnt, aber mehr will ich dazu nicht sagen.
Zu guter letzt noch 3 meiner Lieblingsstücke aus dem OST: