Pathfinder: Kingmaker - Enhanced Edition



Eigentlich wollte ich mir Pathfinder Kingmaker (kurz PK) für den dunklen, kalten Winter aufheben, aber ihr wisst ja; das Sommerloch trifft uns alle. Fast ein Jahr habe ich mir mit dem Spielen Zeit gelassen, solche Spiele brauchen genug Patches und Zeit bis sie gut gereift sind. Und das hat sich ausgezahlt, denn ich habe PK in der Enhanced Edition (v2.0.6.) und den Season-Pass DLCs gespielt - also der ultimativen Fassung. Genug der Einführung...

Wer mich kennt, weiß, dass ich CRPGs liebe. Im Februar Pillars of Eternity 2, letztes Jahr Divinity 2 DE und jetzt PK. Das Spiel basiert auf dem Pathfinder Regelwerk, welches wiederum auf dem Dungeons & Dragons Regelwerk basiert. Und Leute ich muss sagen, die Bezüge zum Regelwerk in diesem Spiel, habe ich noch nie so transparent gesehen wie in anderen CRPGs (und auch so direkt). Und das merkt man, denn PK ist verdammt komplex und das reinste Umfangmonster. Das Spiel erklärt zwar wirklich vieles anhand der guten Tooltips, aber hier und da fehlt ein gewisses Detail, welches man erst im Netz findet. Ich empfehle übrigens www.prd.5footstep.de als gute deutsche Nachschlageseite. Und an dieser Stelle auch eine Warnung: Wer noch nie ein CRPG gespielt hat, bitte Finger weg von PK. Es gibt leichtere und bessere für Neueinsteiger, PK würde euch mit seiner Komplexität erschlagen. Es gibt zig Klassen, Unterklassen, Völker usw. Allein die Fertigkeiten, die man in einem Kampf einsetzen kann, gliedern sich in Zaubersprüche, Schriftrollen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Attribute und in Talente. Selbst das Ausrüsten seiner Gruppe erfordert einiges an Grips, denn einfach die Rüstung mit den höchsten Werten anlegen ist nicht drin. Beispiel: Ein Ring gibt + 5 Rüstungswert. Findet man einen zweiten der +6 gibt, ergeben sich am Ende nicht wie gedacht +11, sondern nur +6 (immer nur der höchste). Boni sind meist nicht kumulativ. Und das war nur ein Beispiel. Wer aber Komplexität mag und sich in Zahlen verlieren kann, wird seine hellste Freude an PK haben. Es ist ein Spiel, dass Zeit erfordert, aber wenn man sich erst so richtig drauf eingelassen hat, sieht man die Magie und den Fleiß der Entwickler dahinter. Und keine Angst, man muss nichts bewusst machen, das Spiel rechnet die Würfe etc. automatisch im Hintergrund aus.

Auch ein Grund der nicht für Neueinsteiger spricht: PK ist ein Zeitlimit-Spiel. Ein Großteil der Hauptquests sind zeitlich limitiert. Keine Angst, man muss nichts innerhalb von Sekunden schaffen, es spielt im größeren Rahmen ab. Der erste große Zeitlimit ist z.B: 90 Tage und ich hatte noch 35 Tage übrig. Man schafft alles schön, trotzdem ist immer ein ungutes Gefühl da. Und meist weiß man gar nicht, dass es eines gibt. So sollte man Aussagen im Questlog wie z.B: "Wir sollten uns beeilen" wortwörtlich nehmen, es gibt viele versteckte Timer im Hintergrund. Das Spiel merkt sich wirklich die kleinsten Entscheidungen, die mich im Finale besonders überrascht haben. Um allein das wahre Ende freizuschalten, sollte man z.B. den entspr. Guide dazu lesen, weil eine Abweichung ausreicht und alles wäre vorbei. PK ist das reinste Entscheidungsspiel, bin oft minutenlang da gesessen und das bei kleinen Miniquests. Auch ein Pluspunkt für PK.

PK kommt mit einem einzigartigem Feature daher, dem Königreich-System. Man hat sein eigenes Reich mit Dörfern, Städten und Untertanen. Man erweitert es, baut es aus, sitzt Minister ein, löst Probleme usw. Es ist beleibe keine Aufbausimulation, aber es lockert das Spiel neben dem Abenteuerleben gehörig auf. Grundsätzlich ist PK das reinste Abenteuerbuch, das fängt schon beim Hauptmenü an, welches ein Buch darstellt. Man fängt als kleiner Fisch an und arbeitet sich hoch. Irgendwann hat man seine kleine Baronie, die auch stetig wächst. Und man löst hauptsächlich ländliche Probleme. Erwartet keine tiefgründiges Weltenretter-Geschichte mit Göttern etc wie in PoF oder Divinity, PK gibt sich verdammt bodenständig. Leider merkt man das bei der Inszenierung, die manchmal sehr bieder sein kann, deutlich an. Zwar entwickelt sich die Story mit jedem weiteren Kapitel und man erkennt das feste Gespann dahinter (immerhin war Chris Avellone daran beteiligt), aber eine Story mit zig Wendungen sollte man nicht erwarten. Jedoch sind die, die es gibt, richtig gut. Gut ist die Story allemal, auch aus erzählerischer Sicht. Das Abenteuer-Feeling kommt zudem auch auf, man kann z.B. Rasten und ein Lager aufschlagen, das man managen kann. Wer zuviel reist, dem packt die Erschöpfung. Man kann sogar den Geburtstag des Mainchars aussuchen, selbst ob man Rechts- oder Linkshänder ist, spielt eine Rolle. Man sieht, PK nimmt es sehr genau.

Abschließend noch sonstige Kleinigkeiten die mir nicht gefallen haben: Zufallskämpfe auf der Weltkarte, keine großen Städte oder Dörfer. Die, die es gibt sind Copy-Paste und erlauben kaum Interaktivität (nur die Hauptstadt ändert sich je nach Gesinnung). Auch das es keine Vollvertonung gibt, ist sehr schade, denn die Begleiter haben verdammt gute Stimmen spendiert bekommen. Auch kommt die Interaktion mit den Gefährten sehr kurz, sie bringen sich sehr wenig in Dialoge ein und im Hub (der Hauptstadt) ist kaum was möglich mit ihnen. Es gibt aber Gefährtenquests, die aus mehreren Teilen bestehen, jedoch oftmals sehr kurz. Was ich besonders gehasst habe, war das vorletzte Kapitel. Es ist das reinste Frustkapitel, hätte den PC fast aus dem Fenster geworfen. Nicht weil es schwer ist, sondern weil man sich wie ein Affe in New York vorkommt. Außerdem kommt eine sehr wichtige Designentscheidung vor, die absoluter Bullshit ist und mich das Spielen fast abbrechen hätte lassen, hätte ich keine Eigenlösung gefunden.

Mein letzter Punkt, weshalb ich das Spiel keinen Anfänger empfehlen würde, ist das Kampfsystem. Die Kämpfe sind oftmals wirklich fordernd und schwer, besonders in den ersten Kapiteln, wo man kaum Gear und Spells hat. PK besitzt ein Echtzeit-KS, was mir wieder sehr eindrucksvoll bewiesen hat, wie ich es hasse. Ein Rundenmodus wie in PoF 2 oder Divinity 2 ist wie Sex mit zwei hübschen Frauen, es gibt nichts Besseres. Ich weiß aber, dass andere es genau umgekehrt sehen. Ist halt Geschmacksache, ich hab mich trotzdem durchgedrungen. Auch hier spürt man das komplexe Regelwerk, z.B. sind die Kämpfe in Echtzeit gehalten, im Hintergrund arbeitet aber ein Rundenmodus. Eine Runde dauert 6 Sekunden, die man für versch. Aktionen Nutzren kann. Es gibt volle Aktionen, freie Aktionen, Bewegungsaktionen, Standardaktionen usw. Ihr seht also, einen Anfänger, würde das nur erschlagen, der gerade mal die Standardregeln lernen muss.

Versteht mich nicht falsch: Mein Review war hauptsächlich mit negativen Punkten gefüllt, doch PK ist alles andere als schlecht: Es ist sogar richtig gut. Es macht vieles richtig und sogar neu, das Königreich-System ist erfrischend und interessant, die Charaktere interessant (aber leider etwas starr), die Geschichte wie ein gutes Abenteuerbuch. Die großen Stärken liegen in den kleinen Details. Für ein Erstlingswerk hat Owlcat verdammt viel richtig gemacht. Die Technik war top, hatte nie Performance-Einbrüche oder Bugs. Auch die Grafik ist sehr stimmig mit seinem leichten Comic-Touch. Es kann danach nur besser werden. Ich empfinde PK besser als das erste Divinity oder PoF 1, mit einem Nachfolger kann Owlcat wirklich zeigen was sie können. Für die Benotung "Sehr Gut" fehlt aber dann doch das gewisse Etwas, PK reicht nicht an die Meisterklasse eines PoF 2 oder gar dem Genreprimus Divinity 2 heran, aber ein gutes Rollenspiel ist es allemal. Und da es sowieso wenige CRPGs gibt, kommen Liebhaber und Fans an PK sowieso nicht rum. Für Anfänger ist es aber nicht unbedingt die erste Wahl.

Gespielte Zeit: 90h