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Thema: gerade durchgespielt

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  1. #11


    Save me Mr Tako!

    Tako ist hier um die Welt vor der Überschwemmung von ideenlosen Indie-Spielen, die immer nur Klassiker zitieren, ohne jemals Klassiker zu sein, zu retten.
    Naja gut so oder so ähnlich habe ich gedacht als ich den Grafikstil gesehen haben. Denn anstelle von vielen modernen auf Retro getrimmten Titeln, sieht der Titel WIRKLICH so aus, als hätte er zur damaligen Gameboy Zeit erscheinen können, wenn man lediglich davon absieht dass die epische Geschichte in 5 Akten ala Jane Austen, die den interkontinentalen Krieg zwischen Menschen und Oktopussen erzählt, viel zu groß angelegt ist, um jemals auf eine maximal 8 MB Cartridge zu passen.

    Ohne jetzt genau nachgezählt zu haben, kommt die Auflösung und die Farbtiefe einem Gameboy-Spiel, gespielt auf dem Super Game Boy, extrem nahe und somit fühlt es sich auch wirklich wie ein altes Spiel an und nicht nur daran inspiriert, dass zieht sich weiter zu der Musik die es meisterhaft versteht, den Soundchip des Gameboys zu imitieren, hier wurde sehr viel Pflege und Sorgfalt investiert, es möglichst nahe an den damaligen Limitierungen zu halten. Viele ähnliche Vertreter wählen, dann viel lieber einen einfachen Ausweg und nutzen die Bequemlichkeiten des heutigen technischen Stands und schütten einen Topf voller 8-/16 Bit drüber.

    Als ich den Titel im eShop der Switch gesehen habe musste ich sofort zu schlagen, wobei das schöne Cover hier ebenfalls eine Schlüsselrolle gespielt hat.
    Und nunja ich muss zugeben zu Beginn mit der Erwartung rangegangen zu sein, einfach einen weiteren schönen Retro-Indie Titel zu spielen herausgekommen, bin ich mit einer HassLiebeLiebeHassLiebe.
    Man könnte annehmen es handelt sich um einen gewöhnlichen Plattformer ala Kirby, wo wir mit unseren glitschigen Oktopus Freund, von Welt zu Welt reisen und alle Level bewältigen. Die Struktur der Oberwelt erinnert da tatsächlich sehr an Kirbys Adventure. Doch ganz so einfach ist es nicht wie es scheint.
    Neben normalen nummerierten Leveln, die sich schon sehr früh zu Spießrutenläufen entwickeln, weil einem alles im Spiel instant killen kann, gibt es auch friedliche Gegenden wie Dörfer, Städte und allgemein irgendwelche Ereignisschauplätze ähnlich eines Ganbare Goemon. Doch damit nicht genug, einen weiteren großen Anteil nehmen Dungeons ein, diese sind im Grunde wie die normalen Level, allerdings weitaus weniger linear, mit Rätseln angereichert und häufig so gebaut dass man nur mit speziellen Fähigkeiten weiter kommt, die man in ihnen findet, es ist wohl recht offensichtlich wer da für die Struktur Pate stand. Zelda II: The Adventure of Link. (mit klassicheren Rätseln bestückt)



    Was man jetzt wann und wie macht, ist nie ganz klar. Zu beginn als ich bei der Spielebeschreibung gelesen habe: "6 Worlds to explore" dachte ich dass man eine Welt nach der anderen abfrühstückt, mit fester Levelanzahl. Doch weit gefehlt, der so ziemlich größte Aspekt und der auch am besten gelungenste ist einfach der, dass Save me Mr Tako eine Geschichte erzählen möchte.
    Zu Beginn ist diese Zwecks der einfachen Prämisse noch relativ straight forward, das hat dazu geführt dass ich nach der 2. Welt, kurz davor war das Spiel abzuschreiben. Doch wenn es dann erst mal in das vom Krieg zerüttete Sarona geht, nimmt das Spiel schlagartig düstere Töne an. Es werden Charaktere eingeführt, die Exposition intensiviert sich und... und das ist das Schöne. Die Geschichte ist immer in Bewegung, ständig passiert irgendwas, was Einfluss auf die fast jederzeit frei bereisbare Spielwelt nimmt. Nachdem man sich durch die ersten 3 Welten weitesgehendst linear hangelt, fängt man an, auf eine völlig natürliche Art und Weise an, die Struktur immer wieder zu brechen. So bereist man nicht nur weitere Königreiche, sondern ist auch ständig in den alten Welten dabei weitere Abenteuer zu erleben. Ab dem 2. Drittel beginnt das Spiel sogar sich noch weiter zu öffnen und beginnt die Komplexität der Dungeons stark zu erhöhen und bietet im Gegenzug dazu freie Wahl welchen Ort man als nächstes bereisen möchte.

    Das besondere an dieser Geschichte ist aber dass sie weitesgehendst pazifistisch daher kommt, obwohl sich so viel um Krieg dreht. Tako kann mit seinen Standardangriff, einen Tintenschuss, die Gegner nur lähmen und als Plattform benutzen, das ist sozusagen schon die Kernspielmechanik, weitere Aspekte beziehen sich auf die 50 unterschiedlichen Hüte im Spiel, die einen neue Fähigkeiten verleihen, die man bei einem Treffer aber auch wieder verliert. Zu Beginn sind sie meistens nur als Modifikator der Angriffe da, später aber sind die essentiell um in Leveln weiter zu kommen oder Nebenquests und Geheimnisse zu lösen. Nach einer gewissen Weile löst sich da so eine Sammelwut aus, obwohl ich nur die wenigsten davon wirklich als nützlich erachte.

    Die Idee einen Vermittler zu spielen, der auf beiden Seiten zwischen Menschen und Oktopussen für Frieden sorgen möchte und für beide Rassen den Ball hin und her spielt fand ich wirklich gelungen. Das Spiel macht auch nicht davor halt auf eine subtile Art und Weise ernstere Themen zu behandeln sei es die Passion gegen Schwule und das freie Entfalten der Persönlichkeit abseits von geschlechtlichen Rollenklischee's (und nein es ist wirklich nicht so holzhammerartig gestaltet) Insgesamt war ich schwer beeindruckt von der Geschichte, dass ein Plattformer überhaupt es schafft die 30 Stunden Marke zu sprengen (ohne dass ich 100% habe) ist schon wirklich gewaltig und außerordentlich für ein Spiel dieses Genres. Das mir dann aber auch seit Undertale keine so gut geschriebene Story begegnet ist, die mit jedem JRPG dieser Art den Boden aufwischt hat mich dann vollends vom Hocker gerissen. Der Punkt bis ich das mal realisiert habe, war der, wo ich völlig unwissentlich gemerkt habe wie ich gebannt darauf war, zu wissen wie es weiter geht...



    ... und genau da werden sich auch die Geister scheiden und wird wohl auch der Grund sein warum dieses Spiel scheinbar so einen schlechten Metacritic-Score hat. Der Schwierigkeitsgrad des Spiels ist... BRUTAL extrem brutal. Und das sage ich als Plattformer-Enthusiast der ein extrem dickes Fell besitzt was "Bullshit-Stellen" besitzt. Aber dieses Spiel liebt es scheinbar den Bogen regelmäßig zu überspannen. Wie schon erwähnt kann einen jeder einzelne Treffer direkt erledigen. Leider ist es so dass einen häufig einfach Projektile oder Gegner aus dem Offscreen erreichen, da die Sichtweite durch die niedrige Auflösung enorm begrenzt ist, die Gegner aber eben nicht bei Sichtweite erst generiert werden (eher so leicht kurz davor)
    Die Tode kommen dabei so häufig und man kann so leicht getroffen werden, dass man sich selbst mit einer Anzahl von 9 Leben (was das Maximum ist) binnen von Sekunden bei einem Game Over sieht.
    Glücklicherweise gibt es genug Wege die von vornerein aufzustocken, wenn man ein Level vor einem Tod über das Hauptmenü verlässt, behält man diese sogar. Meistens bin ich aber trotzdem mit den Standard-Leben reingegangen, wenn nicht gerade abzusehen war dass es ein langer Mega-Dungeon ist. (und das sind wirklich die Schlimmsten.)
    Während man sich durch die normalen Level irgendwie schon so durchsterben kann, verlangen die Dungeons eine Menge Ausdauer. Der letzte im Spiel dauert ungefähr am Stück 1 volle Stunde. Bei dem Verlust aller Leben darf man von neu anfangen. Dabei gibt es am Ende auch immer Bosse, bei denen war der Macher aber so gnädig und erlaubt nach einem Game-Over einen Shortcut zu ihnen. (außer es sind die Zwischenbosse, die ab dem 2. Drittel hinzu kommen.)
    Es gibt zwar auch die Hüte, die tatsächlich einen Treffer schlucken können (aber irgendwie auch nicht immer) nur gibt es auch sehr viele Stellen im Spiel bei denen man sich die Hüte gar nicht erst aussuschen kann.

    Waren die ersten 2 Welten noch smooth sailing, wird es spätestens ab der 4. Welt zu einer Geduldsprobe. Das Endgame zum Schluss in der 6. Welt, hat dann auch mich runter gezogen, also nicht falsch verstehen. Es hat wirklich Spaß gemacht (das Leveldesign wird gerade bei den schwierigeren Leveln spürbar kreativer) und ich war schon lange nicht mehr in einen Plattformer so investiert, einfach weils nicht langweilig wurde, aber trotzdem hat die Anzahl an billigen Toden echt jeden Rahmen gesprengt. Das ist so ein Spiel wo man während des Spiels übelst am rumfluchen ist und dann erleichtert ist das Levelende erreicht zu haben, mit der Anspannung vor dem nächsten Level bei dem man nicht sicher ist ob die Nerven noch länger strapazierfähig sind. Und tatsächlich wird es auch wirklich nie leichter.
    Da die Story aber so gut ist und man wissen möchte wie es weiter geht und endet, wird man das irgendwie schon alles im Kauf nehmen. Es ist ja nicht so als würde sich das Spiel nicht gut steuern, das tut es auf jeden Fall und die Level machen ja auch Spaß wenn man nicht gerade dauerkrepiert. Man sollte eben nur nicht zu viele Spielereien und extravagante Levelfeatures erwarten.

    Da das Spiel leider zu Unrecht ein Hidden Gem ist, gibt es kaum irgendwelche Lösungen zu finden, der Endboss hat sich so angefühlt als müsste man für seine erste Phase erst mal eine Doktorarbeit schreiben, bevor man dann endlich mal endlich den Kampfablauf abhandeln kann. Das schöne daran war aber dass somit das Spiel völlig unfreiwillig auch bei diesen Umstand ins Gameboy Zeitalter katapultiert wurde, bei dem man sich alles selbst erschließt.

    Oder man fragt den Entwickler, der übrigens ein wirklich unheimlich lieber Mensch ist, wer das nicht schon beim Spielen dieses Spiels und seinen zu Grunde liegenden Thematiken erahnen konnte, wird das spätestens auf seinen Twitter Account bemerken.
    Allein darum schreibe ich diesen langen Post weil ich mir wünsche dass dieses Spiel mehr Aufmerksamkeit bekommt. Es steht für mich auf einer Stufe mit all den anderen Indie Ikonen, weil es einfach einzigartig ist und mir das Gefühl eines richtigen Abenteuers gegeben hat, wie es schon lange kein RPG mehr vermocht hat. Es steckt so unglaublich viel Liebe in allem, da wurde im Rahmen der Möglichkeiten nirgendwo geschludert und jede Szene schafft es ihren gewünschten Effekts zu erzielen und dass bei DIESER Optik oder vielleicht gerade wegen dieser Optik wo man sich noch sehr viel besser in diese Charaktere hineinprojezieren kann.



    Tako is life, Tako is love, jedem der ne Switch hat oder eben auf Steam rumtuckert kann dem Spiel mal eine Chance geben, wenn man sich nicht zufällig von zu viel Schwierigkeitsgrad abschrecken lässt, vieles kann man immerhin noch mit einer vorsichtigen Spielweise kompensieren, zudem hat der Macher versprochen in einer zukünftigen Version die billigen Tode zu entschärfen.
    Es gibt wirklich wahnsinnig viele Geheimnisse, zu entdecken und man kann auf ein unheimlich ereignisreiches und hervorragend geschriebenes Abenteuer zurückblicken, voller markanter Charaktere.
    Ich habe mich auf jeden Fall wirklich seit langem wieder in meine Gameboy Kindheit zurückversetzt gefühlt. Nur dass das wirklich ein Gameboy Spiel für Erwachsene ist.

    Spielzeit: 32 Stunden & 47 Minuten
    Wertung: 9/10

    Geändert von Klunky (16.12.2018 um 23:05 Uhr)

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