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Ehrengarde
Hellblade: Senua's Sacrifice
Vor ein paar Tagen durchgespielt. Hätte ich direkt nach dem Durchspielen den Beitrag geschrieben, wär dieser wohl recht emotional geworden^^.
Das Spiel hat einen Effekt, den ich gerne den "American History X"-Effekt nenne: Der Prämisse wegen will ich das Spiel gut bewerten, selbst wenn es solche Schwächen hat, die in vergleichbaren Produkten nicht so einfach verziehen werden.
Ganz grundsätzlich ist für das Spiel folgendes wichtig: Ihr könnt euch in Senua (die Hauptfigur) hineinversetzen? Ihr könnt ein womöglich psychisches Leid nachvollziehen und Mitgefühl empfinden? Selbst wenn es sich um fiktive Charaktere handelt? Wer diese Fragen mit "Nein" beantwortet, für den ist das Spiel pauschal erstmal nix. Wahrscheinlich wird man dann die hohen Wertungen von Fans und Fachpresse auch nicht nachvollziehen können.
Die Prämisse des Spiels (man spielt eine keltische Frau, die unter Psychosen leidet und eine Art "Besinnungsreise" unternimmt) ist auf alle Fälle etwas, was man in "großen" (AAA-)Spielen nicht findet - vorallem in einer Weise, in der das Spiel dieses Thema stets ernst nimmt.
Das ganze Spiel und auch das Gameplay ist darauf ausgelegt, die Auswirkungen der Psychose zu zeigen, und das gelingt - soweit ich das als Laie beurteilen kann - meisterhaft. Die Entwickler haben sich umfassend über Psychosen informiert und externe Experten hinzugezogen, und das merkt man beim Spielen auch; in den Credits wird selbst ein Psychiater an erster Stelle genannt. Das Spiel kommuniziert in irgendeiner Art und Weise ständig(!) mit dem Spieler - seien es Bemerkungen von Senua selbst oder eine bzw. mehrere ihrer Stimmen, die sie in ihrem Kopf hört.
Vom Gameplay her ist es leider relativ mau: Die Wege sind streng vorgegeben (muss so sein, sonst würde das Storytelling nicht funktionieren), relativ häufig unterbrochen durch Rätselabschnitte, wo man Muster in Landschaften erkennen muss, und gelegentliche Kämpfe. Die Kämpfe habe ich auf "Leicht" gestellt und ich empfehle offengesagt auch jedem diesen Schwierigkeitsgrad, da sich bei höheren Graden vorallem die Dauer der Kämpfe erhöht, was IMO nichts zur Narration beiträgt. Selbst auf "Leicht" sind die Kämpfe noch schwer genug, um eine Bedrohung darzustellen. Die Rätsel nehmen IMO unnötig Tempo raus, werden aber eigentlich nur kurz vorm Ende wirklich nervig, da sie dort sehr offensichtlich nurnoch zur Spielzeitstreckung genutzt wurden. Es gibt aber auch das eine oder andere Highlight in Kombination mit der Narration: Die "Stealth"-Szene etwa gehört mit zum Besten und Intensivsten, das ich in letzter Zeit gespielt habe. Generell erfährt die Narration während des Spiels eine z.T. enorme Steigerung; die zweite Hälfte des Spiels ist definitiv die bessere.
Die Kämpfe sind verdammt wuchtig inszeniert und dank diverser, kleiner Details (Kamera nahe an Senua, das betont lässige Näherkommen der Gegner) wirken die Kämpfe auch viel "persönlicher" als gewohnt, was sehr gut zur Narration passt. Viele Rezensionen beschreiben das Kampfsystem zwar als simpel, dennoch hatte ich (auch wegen des leichten Schwierigkeitsgrades) bis zum Schluss Spaß damit. Ja, das Kampfsystem besteht nur aus Basics, diese sind aber so gut, dass ich mir eine Ausarbeitung dieser Basics zu einem vollwertigen Kampfsystem in anderen Spielen wünschen würde... Und aus narrativen Gründen passt das Kampfsystem ja doch; hier darf man das Kampfsystem nicht weiter aufbohren, weil es sonst die gesamte Message hinter dem Spiel nicht richtig transportieren könnte.
Grafisch sieht das Spiel teils wunderschön aus, auch die Animationen sind sehr detailliert. Die Gesichtszüge von Senua gehören mit zu den Lebendigsten, die ich je in einem Spiel gesehen habe... Die schauspielerische Leistung von Melina Jürgens (die Senua spielt) passt zur Hauptfigur; gerade weil die Frau keine Schauspieler-Ausbildung o.Ä. genossen hat, kommen ihre Emotionen relativ ungefiltert rüber, was aber fast perfekt zu einer Figur passt, die nunmal Probleme mit ihrem Emotionshaushalt hat.
Man merkts eh schon: Mich hat das Spiel gewonnen und bin für meinen Teil froh, es endlich durchgespielt zu haben. Das Ende hat mich gepackt und war auf seine Art wunderschön, so seltsam sich das vielleicht anhören mag^^. Danke an Ninja Theory für dieses Spiel; definitiv eins, was auch nach dem Durchspielen noch in Erinnerung bleibt...
Achja, bevor ich es vergesse: Jeder schreibt es, aber ich muss es trotzdem nochmal extra betonen, wie wichtig Kopfhörer für das Spiel sind! Das Sounddesign ist explizit darauf ausgelegt und die Atmosphäre und Immersion steigern sich dadurch recht stark. Ehrlich, wer die Wahl zwischen einem 7.1-Sound und einem 10€-billig-Headset hat, sollte zum Headset greifen^^...
Geändert von Manuel (28.11.2018 um 02:20 Uhr)
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