BioShock Infinite - 1. Playthrough, PC, Schwer, 27 Stunden und alle Voxaphones Ja, was soll man noch großartig zu diesem, von mir persönlich betitelten, Meisterwerk sagen? Ich liebe BioShock Infinite, einfach da es mich wieder hat Kind sein lassen. Das fängt schon mit der Grafik und dem Design von Columbia an, welches mich gerade am Anfang des Spiels zum Staunen und Genießen gebracht hat. Ich war noch nie eine Grafik••••, ich habe noch nie eine große und nach Szenen geordnete Screenshot-Galerie angelegt, aber dieses achso schöne Städtchen da oben im Himmel habe ich wie ein Japano-Tourist aus jedem noch so erdenklichen Winkel abfotografiert, um mir die Erinnerung "mit nach Hause" zu nehmen. Alleine das Intro habe ich dreimal gespielt und mir sogar ganze 3 Stunden für das Erkunden dieses "betretbaren Gemäldes" Zeit genommen - ernsthaft, drei Stunden bis zur Verlosung, bis das eigentlich Spiel beginnt, der Actionpart, und ich habe mich NICHT gelangweilt. Keine Minute, keine Sekunde. Und gerade heute als Professional-Hardcore-Casual-Spieler setzt bei mir diese Langeweile ansich recht schnell ein, besonders wenn wir hier vom Genre des Ego-Shooters sprechen. Gut, was heißt Langeweile - vielmehr meine ich damit wohl eher die nicht vorhandene kindische Begeisterung, einfach da man schon viel gesehen und erlebt hat über all die Jahre als Gamer. Man ist halt alt und abgestumpft, aber Infinite war da irgendwie anders. Nach dem großen Staunen des "AHs" und "OHs" kam nämlich das Unerwartete: ich habe einfach VIELES nicht kommen sehen. Eigentlich sind unglaublich viele Telespiele nach Konzept und Prinzip xy aufgebaut, fast schon wie einer dieser klischeehaften Hollywood-Blockbuster. BioShock hingegen fängt erstmal ganz ruhig und gelassen an, vergisst vollkommen das es eigentlich ein Ego-Shooter ist, verpackt den allerersten "Schusswechsel" in ein kleines nettes Tutorial auf dem Jahrmarkt mit seinen Attraktion. Schön, einfach nur schön. In vielen anderen Shootern wäre es eher so abgelaufen: Intro, Cutszene beliebiger Art, schnell gefolgt von Action, denn man spielt ja ein ACTION-Spiel. In diesem Moment weiß man meistens zwei Dinge über die Geschichte: Das ist dein Held, das ist der Bösewicht, das ist die aktuelle Mission. In BioShock kann ich alleine in den ersten 10 Minuten soviel mitnehmen, dass das auf Papier wahrscheinlich länger wäre als die komplette Story so mancher heutiger Triple-A-Produkte. Und das LIEBE ich: das Design einer Spielwelt, welches von sich selbst aus schon eine Geschichte erzählen mag. Gerade dafür vergöttere ich Valve. Für ihr Showing, statt einem Telling was bei den meisten Entwicklern üblich ist (lange Dialoge, Cutszenes, Bücher/Audiologs). Natürlich findet man dieses auch bei Infinite wieder, aber was ich persönlich bei der besagten 3 stündigen Stadtführung schon alles an Infos, Thematiken und Eindrücken wahrgenommen, mitgenommen und erlebt hatte, war einfach purer Genuss. Von mir aus hätte auch das der Inhalt des Spiels sein können: Du und eine Stadt in den Wolken. Nicht mehr, nicht weniger. Vielleicht ein paar Gameplay-Elemente aus Sims, wie zum Beispiel einen Job und die große Liebe finden, Kinder kriegen, die dann am kaputten Wasserhydranten spielen, usw., und das Ganze dann kombiniert mit einem Jahreszeitenwechsel (ein Columbia im Winter möchte ich echt zugern mal erleben) und ich wäre glücklich. Vielleicht habe ich mir ja auch deswegen soviel Zeit gelassen: Ich wollte wohl einfach nicht hinter die Fasade blicken, sodass der allzu schöne Lack absplittert und es vorbei ist mit der Ruhe und Gelassenheit. Ich wusste er würde kommen, nämlich dann wenn ich Nummer 77 ziehen würde, aber (und damit kommen wir wieder zurück aufs Unerwartete) dieser Umbruch war so eiskalt und hart, dass mich das glatt wieder zum Staunen gebracht hat (auch wenn ich durch die Dame am Café schon teilweise an Nationalsozialismus denken musste - Kommentar bezüglich Latein und Akzent). Diese unvorhersehbaren Wechsel haben für mich persönlich noch einige Male stattgefunden: Einmal Battleship Bay, da es auch wieder recht untypisch für einen Shooter ist, einen so langen Part im Spiel zu haben, wo es erstmal rein garnicht ums Ballern und Schießen ansich geht sondern eher darum, dass sich die beiden Hauptprotagonisten in Ruhe beschnuppern können, während man weiterhin die Pixelwelt Stück für Stück erkundet und versteht (Duke & Dimwit - die erste Konfrontation mit der "Kinderarmee"; Magic Moment: Girls Just Wanna Have Fun, was erst später in der Geschichte aufgegriffen und erklärt wird, da das Cover ja aus dem Jahre 1983 stammt). Außerdem find ich die Idee eines künstlichen Strands mit Meer im Himmel schon leicht awesome - alleine das hat schon für genug Gesprächsstoff gesorgt. Die anderen Male waren es Finkton und die Slums aka Shantytown. Zwar nicht komplett unerwartet wie ich zugeben muss, aber sie haben einen gewissen Impakt hinterlassen. Shantytown war einfach der krasse Gegenpol dieses immer pompös dargestellten Amerikas, welches mit seinen Farben, Sauberkeit, Leuchtreklamen und Co. daherkommt. Während man sich "da oben" an jeder Ecke irgendwas zum Snacken reinpfeifen konnte, mussten hier sogar die Kinder hungern und betteln. Hat mich teilweise etwas runtergezogen, besonders da meine keine Hilfe leisten konnte (Interaktion mit NPCs hat gefehlt) und den Part des Spiels fand ich definitiv viel zu kurz! Finkton war einfach der groß verdiente Arschtritt: Ellie war sauer und ist abgehauen, erste Auseinandersetzung mit den Vox Populi/Daisy, die einem die First Lady unter dem Poppes wegklaut, während man unsanft mitten im Feindgebiet ausgesetzt wird - super, wieder alleine und immer noch nicht schlauer als vorher, was die eigentliche Geschichte betrifft. Und dann gibts da natürlich noch viel viel mehr. Alleine die typische Boss-Erwartungshaltung gegenüber Comstock und Songbird und schwupps... Comstock wird ertränkt (hahaha, wir ironisch - ach, schön), Songbird ein Verbündeter (was eigentlich klar war, aber ich vollkommen vergessen hatte) und stirbt, wie sollte es anders sein, unter Wasser in Rapture. Und zwischendurch gabs immer solche "WTF"-Momente oder Szenen, die mich an irgendwas erinnert haben. Ein für mich weiterer wichtiger Aspekt von Infinite waren aber nicht nur die besagten unzähligen Magic Moments die ich mit dem Spiel hatte (alleine meine beiden Herzinfarkt-Schocker bleiben unvergesslich - ich hasse dich, Rollstuhl!), sondern auch die zahlreichen Thematiken des Spiels (Musik, Nationalsozialismus, Religion, Geschichte, Multiversum, Physik, Elternschaft, Amerika, Frankreich, Patriotismus, etc.) und natürlich Miss Elizabeth. Ich muss zwar sagen, dass ich es als ziemlich schwach empfunden habe wie sie auf diese neue Welt anfänglich reagiert hatte (wenn man bedenkt, dass sie 19 Jahre lang im Turm eingesperrt gewesen ist), aber alles in allem war sie für mich dann doch mehr als nur eine einfache Nebenfigur. Sie hat in mir Emotionen geweckt und ich wollte sie beschützen, obwohl dies im eigentliche Gameplay noch nicht mal von mir verlangt wurde, was eine durchaus kluge Entscheidung gewesen ist. Es gibt so unglaublich viele Beispiele dafür, wo ich als Spieler auf Ellies Verhaltensweise und Emotionen reagiert habe: Hall of Heroes: Hatte eine kindische Angst davor, dass sie mir aus Wut eine Münze ins Auge wirft. Wollte sie aufmuntern, ihr das alles mit Comstock und Co. irgendwie schonender beibringen. Gott, war sie sauer. First Lady: Schlag auf ihn ein, nochmal! Von wegen Paris, du Arsch. Hat die Songbird-Szene, wo sie sich für uns opfert noch trauriger gemacht, weil Brooker das eigentlich nicht verdient hat, dieser pessimistische Alkoholiker. Immerhin war er gegen Ende ja nicht mehr allzu scheiße. Operating Theatre: Eine Mischung der Emotionen meinerseits. Erstes Empfinden war Mitleid, besonders als ich ihr die Aperatur aus dem Rücken gezogen hatte. Kurz darauf die Angst, als sie ihre Macht demonstrierte ("Hast du Angst vor Gott? Nein, aber vor dir." - konnte ich am Ende des Spiels komplett nachvollziehen), dann die pure Freude in Kombination mit wildem Rumgehopse, als die Cutszene vorbei und Ellie wieder an meiner Seite war. Shantytown: Habe ich neu geladen, als mich die Leute angegriffen hatten (wenn man sich den Trank nimmt, bevor man durch den Riss geht), einfach nur weil im Ladebildschirm stand, dass für Ellie die Menschen in Shantytown wichtig sind (was eigentlich keinen Sinn ergibt, da sie ja noch nie in dort gewesen sein konnte, oder? Gut, kann auch sein das sie in Büchern darüber gelesen hat). Selbst der Shooter-Part hat mir echt Laune gemacht, obwohl ich schon lange kein allzu großer Freund mehr des Genres bin. Der Mitteltteil des Spiels war zwar etwas fad und dröge (Backtracking), aber abseits davon was dies wohl der dynamischste Shooter den ich seit Jahren gespielt habe. Gerade BioShock 1 und 2 fand ich als Shooter betrachten jetzt nicht sonderlich stark, aber ein Infinite werde ich nach meinem ersten Playthrough definitiv nochmal auf den allerhöchsten Schwierigkeitsgrad durchsuchten, einfach weils vom Gameplay ansich schon sehr unterhaltsam ist und man durch die erhöhte Zähigkeit der Gegner wahrscheinlich noch mehr Spaß mit den unterschiedlichen Kräften und Waffen, Skylines und Rissen im Kampfgefecht hat. Da waren Schusswechsel dabei die ich einfach unglaublich gefeiert habe, weil das manchmal echt filmreif gewesen ist - ich habe erstaunlich viele Waffen und Kräfte benutzt muss ich sagen und diese auch manchmal wild gewechselt im Kampf, einfach ums spannender zu machen. Der Szene mit den zwei großen Raketentürmen bleibt unvergesslich und da kann für mich auch kein Halo oder sonst ein Shooter mithalten. Die mögen zwar in einigen Punkten besser sein (Trefferfeedback, geiler Waffen und Gegner, etc.), aber so eine Dynamik und ein Feuerwerk was ich da losgetreten habe... auch dank der Skyline und dem schnellen Wechsel der Stellung... erst mitm Maschienengewehr aufm Balkon, dann auf der Skyline rumgeballert, dann mit dem Sniper vom Dach aus was ich zufällig gefunden hatte, dann mit dem Riss-Raketenwerfer von Ellie in der Mitte, dann weiter unten im Nahkampf, dann bin ich voll auf Kräfte gegangen weil ich Muni-Probleme hatte, dann war Salz weg und im richtigen Moment hat Ellie mir Muni zugeschmissen... das war einfach GROß! Bei vielen Shootern steh ich einfach nur dumm rum und schieße aus meiner Deckung. peng-peng-peng. Es gibt halt auch einfach so unglaublich coole Kombis wie: Sog + Falle + Flinte; Bronko + Charge + Snipershot in der Luft; usw. - damit werde ich im 1999-Mode noch weiter herumexperimentieren. Ja, ist nicht der beste Shooter, kann aber voll und ganz damit leben und bei mir steht Design und Story immer über Gameplay. Ach, eigentlich könnte ich noch soviel über das Spiel schreiben. Alleine die Musik. Musik ist mein Leben und was die da alles für Klassiker eingebaut habe hat in mir wirklich Gänsehaut und ein fettes Grinsen ins Gesicht gezaubert. Auch der Battle-Soundtrack war einfach nur klasse. Hier und dort hats zwar ein paar Macken (abseits der bereits genannten: Einführung mancher Vigors, das Upgradesystem, abseits der Mainstory kaum Nebenbeschäftigungen, zu wenig Skyline, zu wenig NPC-Modells, Waffen und Gegner, zu wenig Elizabeth!!!) , das Ende hat aber wirklich verdammt viel rausgerissen und der Ausflug nach Rapture war einfach nur BOMBASTISCH. Klar gibts wahrscheinlich ein paar Lücken in der Story und nicht alles mag logisch erscheinen, aber trotzdem wars einfach totally awesome! Für mich persönlich zwar teilweise vorhersehbar gewesen, aber das es so krass wird, dass selbst der Titel "Infinite" einen Sinn ergibt, habe ich so nicht kommen sehen (und Rapture sowieso nicht). Unglaublich gut und mein Lieblingsende aller bisherigen Spiele und wahrscheinlich der größte Mindfuck/Überraschungseffekt den ich je hatte. Ich hab das Spiel zum Schluss hin sogar Stück für Stück gespielt, was ich so bisher auch noch nie gemacht habe. Nach jedem großen Checkpoint (also jedem neuen Gebiet) habe ich für 15-30 Minuten eine kleine Pause einlegt, ums einfach mit soviel Anerkennung und Ausdruck meiner menschlichen Sinne zu genießen, wie so ein 300 Euro teures 5-Sterne-Menü (ernsthaft, ich hab mir teilweise wirklich vorgestellt bzw. geistig "wahrgenommen", wie es in Columbia wohl so riechen mag). Lange keinen "WAU"-Effekt mehr beim Spielen gehabt. Lange ist es her, gerade beim Genre des munteren Geballers aus der First-Person-Ansicht, dass ich auf der Seite endlich verstehen wollte was zur Hölle da eigentlich genau abgeht, auf der anderen Seite aber keinen Bock drauf hatte dass das Spiel endet. Ich habe mich wie mein 14-jähriges Ich gefühlt, der zum ersten Mal ein gewisses Half-Life daddelt und schwerst begeistert ist. Der genau weiß: "Das ganze werde ich ein, zwei, drei, viermal durchzocken und es wird mir immer noch Laune machen". Und wie lange ist es her, dass ich ein Spiel überhaupt mehrmals durchspielen wollte? Lang, VERDAMMT lang. Allgemein fühlt sich die schier kindliche Begeisterung meinerseits so krass an, als hätte ich hier meinen allersten Ego-Shooter überhaupt gezockt. Ich guck mir Fanarts an, höre den Soundtrack, diskutiere über das Spiel. Ein Mehrwert, den mir viele bzw. fast alle Produkte einfach nicht geben können. Definitiv mein Lieblingsspiel der letzten 10 Jahre! "There's always a lighthouse. There's always a man. There's always a city." - ♥ 8,5/10 Punkten + 1 Punkt Fanboy/Mindblow/Kindheitserinnerungsgefühl/Musik/Design/Ken Levine as "TheSexistManAlive"/Emotionenbonus = 9,5/10 Punkten
Geändert von Simius (08.04.2013 um 06:21 Uhr)
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