The Last of Us Part 2 ist der buchstäbliche Elefant im Raum diesen Jahres, wenn es um heiß debattierte Videospiele geht, auch wenn Cyberpunk zum Schluss nochmal alles getan hat, um aufzuholen: Kein Spiel wurde so hitzig und kontrovers diskutiert – auch hier im Forum – wie The Last of Us Part 2.
Da ich zuvor nochmal Teil 1 inkl. DLC gespielt habe, habe ich mir eine möglichst gute Vergleichsgrundlage der beiden Titel verschaffen und gleichzeitig nochmal mein Gedächtnis bzgl. des ersten Teils aufgefrischt.
Um eine kurze Einordnung zu geben: Ich halte den ersten Teil von The Last of Us für ein gutes Spiel. Einen recht geradlinigen (Stealth-)Shooter mit passablem Gameplay, das seinen Zweck tut und einer emotionalen Geschichte. Achtung: Emotional. Nicht gut oder gar herausragend. De Facto erachte ich die Story von TLOU als maßlos überbewertet. Sie ist weder originell, noch tiefgehend, noch bietet sie überraschende Wendungen oder ist komplex. Sie hat eine Hand voll gut geschriebener Charaktere und eine sehr schön porträtierte Verbindung zwischen den beiden Hauptcharakteren, die sich organisch anfühlt und mich persönlich gefühlstechnisch gut abgeholt hat (mit 33 als angehender Vater deutlich mehr als noch vor rund 10 Jahren). So viel zu meiner persönlichen Prämisse.
Zum Technsichen: Auch heute finde ich, dass die Remastered Version von TLOU1 noch sehr gut aussieht. Was der erste Teil zum Ende der PS3-Ära erreicht hat, vollführt auch der zweite Teil als einer der Schwanengesänge auf der PS4. Selten oder noch nie habe ich eine insgesamt so stimmungsvolle Grafik gesehen. Das geht von den Gesichtsanimationen, die m.E. selbst die von Death Stranding in den Schatten stellen, über die Darstellung von Wetter- und Umwelteffekten wie Schnee, Regen, Feuer, Meer, Sand etc. bis hin zu den wirklich sehr krassen Gewaltdarstellungen. Ich habe das Spiel auf der PS5 angefangen und dann – aufgrund eingesendeter Konsole – auf der PS4 Pro zum größten Teil gespielt, wobei sich die alte Dame sehr manierlich angestellt hat und nur ab und zu den Lüfter hochgedreht hat. Mir hat sich beim Spielen öfter die Frage gestellt, ob ich überhaupt noch einen Sprung in Sachen Grafik brauche und lediglich eine höhere Framerate ggf. mein Spielerlebnis auf visueller Ebene verbessert hätte. Bei dem Grad an dargestellter physischer Gewalt frage ich mich auch, ob ich noch detailliertere Optik überhaupt möchte, da ich das Gezeigte schon teilweise grenzwertig anzusehen fand.
Spielmechanisch ist das Spiel sehr nah an der DNA des Vorgängers, es gibt ein paar Waffen mehr, ein etwas breiteres Spektrum an auszubauenden Fähigkeiten und – abhängig des zu spielenden Charakters – ein leicht anderes Spielgefühl, da die eine Spielfigur sich (zumindest gefühlt) eher stealthy spielt, während die andere auch physisch in der Lage ist sich wuchtig durch Feinde zu metzeln. Das heißt aber nicht, dass je nach Spielfigur andere Herangehensweisen provoziert werden. Im wesentlichen fordert das Spiel eine eher schleichende Bewältigung und das lautlose Ausschalten von Gegnern in den Abschnitten, die Konfrontationen abbilden.
Aufgelockert werden die Kampfsituationen durch ruhigere Erkundungsmomente, die dem Spiel einen atmosphärischen Auf- und Abbau ermöglichen sowie dem Spieler Raum für kleinere Erkundungen lassen, die dann mehr oder weniger mit zu findenden Ressourcen (Munition und Crafting Items) sowie optionalen Dingen wie Tagebucheinträgen, Münzen, Sammelkarten etc. belohnt werden. Wirklich belohnend fand ich jedoch nur die Tagebucheinträge ehemaliger Überlebender, die Situationen oft Kontext und der Lore des Spiels mehr Dichte geben. So kann man beispielsweise, nachdem man ein Haus von Infizierten gesäubert hat, einen Tagebucheintrag bei einer Leiche finden, der beschreibt, wie sich der letzte Überlebende von seinen infizierten Verwandten abgeschottet und sich letzten Endes das Leben genommen hat. Das gibt – wie dem ersten Teil – mehr Dichte, trägt zur Atmosphäre und Glaubwürdigkeit des Szenarios bei und erzählt zum Teil kurze, aber mitreißende „Geschichten“.
Problematisch am Gameplay sind für mich zwei Dinge: Zum Einen wird die Erkundung deutlich weniger belohnt als im Vorgänger. Ich bin ein sehr gründlicher Spieler und freue mich immer, wenn ich mir durch sorgfältige Spielweise einen Vorteil erarbeiten kann. Das funktioniert hier allerdings nicht gut, da das Inventar durch sammelbare Ressourcen schnell ausgefüllt ist und man auch nur bedingt craften kann und somit schnell Gegenstände nicht einsammelbar sind. Zudem gibt es viel zu viel Leerraum in der Spielwelt, in dem einfach nichts ist. So habe ich jeden Meter der Spielwelt abgelaufen, was nach einigen Stunden ein reiner Automatismus war, um nichts zu verpassen und in 80% der Fälle hat sich das auch als verschwendete Zeit heraus gestellt. Hier hätte man durchaus noch mehr Notizbücher oder zumindest interessante Kulissen zeigen können, die kleinere Geschichten erzählen. Das Erkunden fühlt sich sehr unbelohnend an, zumal einem im finalen Akt des Spiels die Resourcen nur so um die Ohren geworfen werden und ein bis dahin sehr umsichtiges Spielen ad absurdum geführt wird.
Zudem ist das Spiel angesichts des doch sehr redundanten Spielablaufes gefühlt 5-10 Stunden zu lang und m.E. hätte man einiges aus dem Spiel wegkürzen oder durch mehr Variation ersetzen können.
Denn mehr als einem geraden Weg mit gelegentlichen Abzweigungen (die dann meistens nichts Interessantes bereithalten) und dem Kämpfen bietet das Spiel nicht.
Die Kämpfe machen Spaß. Es werden einem einige Stealth Mechaniken gegeben, man kann auch die Brecheisen-Methode versuchen, die jedoch – vor allem in den höheren Schwierigkeitsstufen – schnell im Tod enden. Grds. Gibt es zwei verschiedene Arten von Kämpfen: Gegen Infizierte und gegen menschliche Antagonisten. Vereinzelt gibt es Kämpfe gegen beide Gegnertypen auf einmal, wo man dann die Infizierte auf menschliche Feinde lotsen kann etc., das kommt aber auch aus meiner Sicht zu selten im Spiel vor und verschenkt hier weiteres Potential.
Näher möchte ich auf das Spielerische gar nicht eingehen, da es für mich auch nicht den ausschlaggebenden Teil der Erfahrung ausmacht. Das Spiel funktioniert – wie schon sein Vorgänger – ordentlich, hat die Kernelemente leicht poliert, leidet dafür aber umso mehr an Wiederholung und Pacing.
So. Kommen wir jetzt zum Wesentlichen und ich packe die nachfolgende Auseinandersetzung mit narrativen Elementen mal komplett in Spoiler:
Insgesamt habe ich an The Last of Us Part 2 ca. 35 Stunden gespielt.
Und trotz der Längen halte ich es für die deutlich bessere Erfahrung als den ersten Teil, die zwar auch deutlich unbequemer ist, mich aber emotional mehr beschäftigt und zum Nachdenken angeregt hat.
Ich kann verstehen, dass viele Fans des Erstlings nicht das bekommen haben, was sie gerne gehabt hätten. Vor dem Hintergrund kommt es mir wahrscheinlich zu Gute, dass ich genanntes Erstlingswerk zwar als gutes Spiel ansehe, es für mich allerdings keinen Heiligen Gral darstellt.
Mein Spiel des Jahres bleibt Ori and the Will of the Wisps, aber The Last of Us Part 2 hat sich einen sehr starken zweiten Platz in meiner Jahresrangliste gesichert.