Damn. Ich stehe vor einer schwierigen Entscheidung.



Hier ein Ebaylink, 10€ mit Porto von einem britischen Händler.
Von Wizards of the Coast, die auch zwei fähige Leute dran sitzen hatten. Mir kribbeln die Hände.

Ich zitiere mal aus dem Blutschwerterforum.


Zitat Zitat
Das Pokémon RPG ist ein einfach brilliant zu nennender Geniestreich und
eines der besten Einsteigersysteme, die es gibt; und das aus mehreren
Gründen:

1.) Es fischt nach neuen Spielern in einem Bereich, der traditionellen
Rollenspiel-Verlagen bislang nicht zugänglich war. Es gibt viele
Einsteigersysteme, aber die allermeisten erreichen nur Leute, die schon
von Rollenspielen gehört haben und sich dafür interessieren oder in
einem dunklen Comicladen zufällig darüber stolpern (ich spreche von
US-Verhältnissen hier, da es das Pokémon RPG noch nicht auf Deutsch
gibt). (NACHTRAG: Auch nie gab.)

2.) Es verwendet den Begriff "Rollenspiel" nicht einmal - nirgends. Auf
keiner Seite. Es heisst "Abenteuerspiel" und bringt damit auf höchst
subversive Weise Rollenspiele in Haushalte, die niemals "dieses komische
Teufelsanbeterspiel" anrühren würden. Es sieht ja nicht einmal aus wie
ein Rollenspiel: Es ist eine postkartengrosse Schachtel mit einem
Booklet, Würfeln und einem Kartenstapel drin!

3.) Die Regelarmut und die Verteilung der SL-Last auf Spieler und SL
gleichermassen gibt einen neuen Weg vor und ist um ein einiges
innovativer als so manch anderes, was aus der sich immer bloss selbst
befruchtenden RPG-Szene kommt.


Wie man an den Autorennamen sehen kann (Bill "Star Wars" Slavicsek und
TSR-Veteran Stan!; gestandene Profis also) hat WotC/Hasbro sehr wohl
hochqualifizierte Leute darangesetzt. (Und wenn man sich die Textmenge
anguckt, muss man sich sehr wohl fragen, warum es zwei Autoren sein
mussten: 64 reichbebilderte Seiten im Postkartenformat hätte auch ein
Mensch locker allein "zusammenschreiben" können.)

Und die Pokémon-Besonderheiten haben die Autoren zu neuer Sichtweise
gezwungen: Das Spiel musste für ein sehr junges Publikum tauglich sein
(Alter 6-8 Jahre), es musste weitestgehend ohne Vorbereitung für die
Spielleiter (= gestresste Eltern) spielbar sein und die Dauer einer
typischen Session musste der Aufmerksamkeitsspanne des Zielpublikums
entsprechen (20 Minuten?).

Es ist doch viel eher so, dass die existierenden Verlage ihr Angebot
schon immer nach dem Markt gerichtet haben - welchen Grund hat es denn
sonst, dass fast alle Rollenspiele der Frühzeit sich regeltechnisch von
D&D bedienten, und dass selbst heute noch in den damals eingeschlagenen
Bahnen gedacht wird?

4.) Pokemon ist ein Storyteller-System, mehr als White Wolf-Spiele es
je sein können. Ich beschreibe die Mechanismen mal kurz:

Die Charaktere sind die Spieler selbst, die Kiddies also. Kein
Charakterblatt, keine Skills, nichts dergleichen. Die Kinder sind gerade
10 Jahre als geworden (interessant: älter als die potenteillen Spieler wirklich sind)
und haben damit das Recht erworben, Pokémon-Trainer zu werden. Im ersten
Abenteuer (eine Nacherzählung der ersten TV-Episode) dürfen sie im
Pokémon Center ihr erstes Tier empfangen und ein Beispielduell
ausfechten (= Lernen der Kampfregeln).

Da den Eltern kaum abverlangt werden kann, sich die Serie anzuschauen,
um den Hintergrund zu lernen, werden alle beschreibenden Aufgaben an die
Spieler übertragen. Die Kiddies kennen das Center in- und auswendig und
können ihre Beschreibung wahrscheinlich bis zur Farbe des Bodenbelages
liefern. Die Eltern treiben lediglich den Plot voran. Und der ist
denkbar einfach: Es geht um Hahnen... Pokémon-Kämpfe.

Es sind 16 Abenteuer mitgeliefert, die die Eltern nicht vorab lesen
müssen; die Vorlesetexte aus D&D-Zeiten feiern hier Auferstehung.
Die Spieler beschreiben in einer Tour ihre Charaktere, ihre Pokémon,
ihre Wünsche, Motivationen, und die Eltern geben lediglich die
Rahmenbedingungen vor. Das Finale einer jeden Session besteht natürlich
aus einem Würfelduell zwischen den kleinen Biestern, bis dahin aber hat
die ganze Familie unwissend einen Abend mit "reiferem" Rollenspiel
zugebracht als D&D und selbst Vampire ihnen nach Lektüre von mehreren
hundert Seiten Regeln nahegelegt hätten.
Hier haben sich Autoren und Verlag sehr viele Gedanken gemacht...

...und das deshalb, weil der Nachwuchs an die Spielkonsolen verloren
wurde. Ein (Rollen-)Spiel wie Pokémon, das den Kiddies das
kommunikative Spielen wieder näherbringt, ist genau der Weg aus der
Misere. Und der nächste logische Schritt ist das Harry Potter RPG. (Was
hätten die Wizards bloss gemacht, wenn Harry Potter nicht zufällig jetzt
so ein Hit geworden wäre? Dann wäre das ganze geweckte Potential wohl
verpufft, denn ohne einen Zwischenschritt kommt niemand von Pokémon zu
D&D oder WoD...)

> Naja, zu guter letzt ein Fazit:
> Ja es macht mir Sorgen und Probleme, wenn Kiddies in großen Mengen die
> Rollenspiele von morgen (Hilfe!) kaufen, weil ich befürchte, daß meine
> Werke, dich ich gerne spiele, verdrängt werden.

Damit muss man in der Tat rechnen. Es gibt ja auch die Brettspiele von
gestern nicht mehr, mit denen ich aufgewachsen bin: Öl für uns alle,
Spiel der Nationen, Verlies... dafür haben wir heute Die Siedler von
Catan, Ursuppe, Euphrat & Tigris... kein schlechter Tausch, möchte ich
sagen.

Gleiches gilt für die Rollenspiele. Entwicklung ist ausdrücklich zu
begrüssen. Und ich bin ehrlich gespannt, was für eine Generation von
Rollenspielern (und -autoren!) aus einem Material erwachsen soll, dessen
erstes System weder Klassen noch Stufen kannte, in dem die
Charaktererschaffung nichts mit Punkten oder Würfeln zu tun hatte und in
dem die Aufgaben von Erzähler und Spieler fliessend ineinander
übergingen.