Ein bisschen komplexer ist es schon, und in Deutschland auch nochmal etwas anders als anderswo.Zitat
Ich fange mal (weil fast schon wichtiger für das Hobby IN Deutschland) mit Amerika an: D&D4 war nicht mega-erfolgreich, ebenso wie die aktuelle Edition des Warhammer-RPGs. Die Firmen geben leider keine Zahlen heraus, weshalb man sich größtenteils auf Vermutungen und Händlerangaben stützen muss. Glaubt man aber jenen "Werten", gehen die mäßigen Erfolge, welche die genannten Spiele zu verbuchen haben, zu einem recht relevanten Teil auf Neuspieler zurück. Denn gefloppt sind D&D4 und Warhammer3 absolut nicht (beiden laufen recht lange); sie sind nur durchwachsen bei den Stammspielern angekommen (durch rabiate Änderungen) und haben im Gegenzug einige neue Leute ins Hobby gebracht. Ein weiteres Indiz ist, dass Paizo (die durch ihre sehr offenen Foren etwas mehr Kundennähe haben als andere Verlage) gern mal zwischen den Zeilen anklingen lassen, dass sich die "Pathfinder Beginner Box", also ein 40$-Produkt mit einer Mini-D&D-Variante, die wirklich ALLES enthält, wie geschnitten Brot verkauft hat. Und diese Box ist für Pathfinder-Veteranen fast schon uninteressant, so Anfänger-zentriert ist sie. Die sehr rollenspiel-ähnlichen Adventure-System-Spiele zu D&D (Castle Ravenloft, Wrath of Ashardalon, Legend of Drizzt) sollen sich ebenfalls rabiat besser verkauft haben als erwartet, und solche Hybriden bringen dann immer auch Brettspieler zum Rollenspiel. Heißt, in Amerika scheint es durchaus frisches Blut zu geben, zumindest auf spekulativer Ebene. Dass Rollenspiel trotzdem ein "altes" Hobby ist, bleibt wohl unverändert. In Amerika kommt halt die abstruse Situation dazu, dass nur ganz wenige Firmen die nötige Mainstream-Durchsetzung, um daran etwas zu ändern (namentlich Wizards und White Wolf, eventuell bald Paizo). Denn Indie-Kram für Anfänger gibt es genug, aber den kriegt der Anfänger halt nur über Dritte, weil er nicht in den großen Regalen steht. Die nächsten interessanten Chancen für das Rollenspiel werden also D&D5 (bin da sehr auf die Publicity gespannt) und die jeweils anstehenden MMORPGs zu Vampire und Pathfinder. Wobei man halt auch nicht die nahen Produkte, Brettspiele und so, unterschätzen sollte.
In Deutschland gibt es eine recht lebendige Wir-brauchen-Anfänger-Bewegung, schon seit Jahren. Wenn du Tanelorn, B! (oder jetzt A!) und so kennst, hast du das bestimmt auch mitgekriegt. Da gab es dann alles von My-little-Pony-Savage-Worlds-Runden bis hin zum zwanzigsten D&D-Retroklon, der mit leichten Regeln wirbt. Das Schöne ist: Zwischen den ganzen abgedrehten Ideen alter Männer waren tatsächlich auch ein paar dabei, die funktioniert haben (von den angedeuteten Verkaufszahlen her, denn mehr als Spekulation hat man leider auch in Deutschland nicht). Quest, wie gesagt, ist wohl sehr gut gelaufen, auch unter Brettspielern, und es ist praktisch die perfekte Einstiegsdroge, mehr dazu unten. Diese Abenteuerspiele von Ulisses richten sich halt durch idiotensichere Beschreibungen, Brettspiel-Elemente und bekannte Themen explizit an gewisse "Hobby-nahe" Anfänger-Zielgruppen, namentlich John-Sinclair-Leser und Markus-Heitz-Fans, und laufen ebenfalls ganz gut, was spätestens daran zu erkennen ist, dass immer noch neuer Kram dafür herauskommt. Auch der Erfolg von Fantasy-thematischen Brettspielen wie Thunderstone trägt dazu bei, speziell, wenn diese bei Rollenspiel-nahen Verlagen erscheinen (Pegasus in diesem Fall), durch Werbung und so. Von diesen ganzen netten Ideen gibt es noch viele weitere (mir gefällt gerade besonders das angekündigte Lugg und Trugg, trotz des behinderten Namens), bei denen man Erfolg und Nichterfolg nicht so deutlich festmachen kann. Der Vollständigkeit halber muss auch erwähnt werden, dass die ganzen Verkäufe natürlich nicht garantieren, dass Neulinge ins Hobby kommen. Kann gut sein, dass viele Leute Quest zu ihren Brettspielen stellen und zufrieden damit sind, und es kann auch sehr gut sein, dass ein nicht zu unterschätzender Teil der Verkäufe von Veteranen kommt, die derlei Projekte unterstützen wollen, sie toll finden usw. Letztendlich hilft der ganze Schmarrn etablierten Rollenspielen wie DSA oder Shadowrun nur relativ wenig. Denn während sicherlich einige umsteigen, wird es (imho) nicht der Großteil sein. Dazu sind die genannten Rollenspiele einfach zu brachial, zu abschreckend, zu anders. Da nützen auch nette Einführungsbroschüren nichts, wenn ich immer noch 3+ Hardcover brauche, um beide Spiele einigermaßen vollständig spielen zu können. Heißt, die "Hoffnung auf Größe" für etablierte Reihen liegt in Deutschland tatsächlich in neuen Editionen, und wie die Umfrage oben gezeigt hat, wäre so eine Umstellung schon sehr mutig, was die Stammspieler angeht. Scheiß-Situation.
Dass Rollenspiel ausstirbt, da muss man aber imho keine Angst haben. Das Hobby ist auf einem Liebhaber-Level angekommen, auf dem es sich hauptsächlich durch Mundpropaganda und Freunde überträgt, und die Verlage haben sich darauf eingestellt (ich sage nur Print on Demand, zweite Standbeine wie bei Wizards und White Wolf, lebhafte kreative Internet-Communities). Außerdem verdienen in Deutschland nur 10 Leute ihr Geld hauptberuflich und ausschließlich mit Rollenspielen (Originalton Ulisses-Chef), die werden ein paartausend Hanseln an DSA-Fans schon ernähren können. Davon, und von begeisterten, wenn auch alten Fans, kann das Hobby problemlos überleben. DASS das Hobby mal wieder bekannt und beliebt wird (wie zu Schmidt-Spiele-DSA-Zeiten) würde erfordern, dass irgendjemand seinen Lebensunterhalt aufs Spiel setzt. Da müsste man etwa ein Anime-artiges, Action-basiertes, Brettspiel-artiges, billiges, oberflächliches Gesamterlebnis aus DSA5 machen (um mal die Extremvariante zu beschreiben), oder ein großer Spielwarenladen müsste die erfahrungsgemäß schwierig zu verkaufenden "normalen" Rollenspiele auf einen Tisch im Eingangsbereich in seinen 200+ Filialen legen. Und beides wird eher nicht passieren.
Dito. Quest hat das darüber geregelt, dass die zweite Box (Angriff der Orks oder so) mehr Rollenspiel-Elemente in das sonst noch sehr brettspielartige, gerailroadete Ding bringt. Außerdem liegt afaik immer Werbung für "richtige" Rollenspiele bei. Es wird also nicht als Anfänger-Rollenspiel, sondern als Einführung in das Hobby verstanden, von der man dann zu "richtigen" Rollenspielen kommen soll.Zitat