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Thema: Tausend Jahre sind ein Tag - Die Deutschen

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  1. #15
    Ich meine, dass das vor allem an der Definition von Patriotismus liegt. Ich mein: Wer ist schon stolz auf das Grundgesetz oder den Sozialstaat, besonders angesichts der letzten paar Jahre Arbeitslosendebatte, Unterschichtsdebatte, Wirtschaftskrise, Korruptionsvorwürfen, etc.pp.?

    Die deutsche Geschichte hält nunmal im Gegensatz zu anderer Staaten Geschichtsschreibung wenig offen, was für einen Demokraten lobenswert wäre.
    Die Briten haben seit jeher ihre in der bürgerlichen Revolution gewonnenen Werte, die sie mit der konstitutionellen Monarchie ausbauen konnten, was sie letztendlich in das frühe Industriezeitalter führte und zur Kolonialmacht hat werden lassen können.
    Die Franzosen haben erst die Bastille gesprengt, sind später die Jakobiner losgeworden und nach den Napoleons gab es immer wieder Republik und Geschichten über den französischen Untergrund im Zweiten Weltkrieg.
    Die Amerikaner haben sich von der Britischen Schirmherrschaft freigeschossen, die erste liberale Demokratie eingeführt, die Sklaverei abgeschafft, das Land geeint, in den Weltkriegen gesiegt und sind heute die Weltmacht schlechthin.
    Die Deutschen haben sich seit jeher ihrem Monarchen unterworfen, waren Jahrhunderte lang ein Flickenteppich, wurden von Napoleon überrannt, sind 48 mit der ersten demokratischen Verfassung an einem popeligen Preußenkönig gescheitert, brauchten die Revolution von oben, um überhaupt irgendwas auf die Reihe zu bekommen, haben den Ersten Weltkrieg verloren und uns über das "Diktat von Versailles" ausgelassen, während wir die Demokratie kaputtgehauen haben, haben den kleinen Mann mit dem lauten Stimmchen an die Macht kommen lassen, dabei zugesehen, wie Abermillionen Menschen zugrunde gegangen sind und schließlich den Krieg verloren und die ersten, die uns tatsächlich Freiheit gegeben haben, waren die Alliierten - da komme mal Patriotismus auf.

    Es ist nunmal so, dass Patriotismus immer an historischen Werten gemessen wird und lobenswert ist unsere Geschichte erst seit ein paar Jahrzehnten, um genau zu sein für Gesamtdeutschland erst nach der friedlichen Revolution, die ja heute auch wieder fein im Treffen steht, weil wir doofen Ossis den armen Wessis die Wirtschaft versauen und sowieso alle kleine Neonazis sind oder so. Kulturell beispielsweise sind wir auch ziemlich uneins, Georg Büchner wäre vielleicht etwas gefeierter, wenn die 1848/49er erfolgreich gewesen wären, Goethe hätte mal für das einfache Volk schreiben können und Strauß und Luther waren wie ihre größtenteiligen Zeitgenossen Antisemiten, mal abgesehen davon, dass gerade das Christentum in unserer Gesellschaft ja nur noch vermindert eine Rolle spielt. Unsere Sprache ist im Übrigen ganz und gar oberflächlich betrachtet auch nicht mehr das, was sie mal war, bei der Bahn gibts Service Points, wir laufen mit Handys durch die Gegend und Personalchefs heißen jetzt Human Resource Manager (ich dachte immer, Anglizismen sollten kürzer und nicht länger sein).

    Stolz können wir eigentlich nur darauf sein, dass wir freiheitlich, demokratisch und gleichzeitig überaus sozial sind und das System durchaus funktioniert, wir müssen unseren Patriotismus also an politischen Werten festmachen und dass die nunmal nicht sehr glänzend dastehen, kennt man nicht zuletzt aus Diskussionen in diesem Forum, mal ganz davon abgesehen, dass selbst diese Werte nur vermindert noch akzeptiert werden (wobei ich mich immer noch frage, was an Schulen für Türken schlimmer ist, als an rein katholischen/evangelischen Schulen).



    Die Dokureihe finde ich übrigens nicht so doll. Es mag ganz interessant sein und ich finde es auch toll, dass man mit der deutschen Geschichte mal nicht erst nach 1800 anfängt, aber beispielsweise der Gang nach Canossa war ja wirklich ausgebreitet wie als wärs die Schlacht um dem Tempel von Jerusalem - umfassend: klar, aber irgendwann schläft einem der Kopf ein; wenigstens weiß ich jetzt, warum wir das Thema damals im Geschichtsunterricht nur mal erwähnt haben. Mittelalterdiplomatie ist nichts, womit sich Siebtklässler beschäftigen müssten.

    Geändert von Mordechaj (18.01.2009 um 10:28 Uhr)

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