Eine Gemeinschaftsproduktion von real Troll und Kaltblut
Zehn Schritte zur glücklichen Textbox
RPG Maker Spiele beginnen furios, actiongeladen, mit Sprachausgabe…
Ihr widersprecht mir? Mit recht!
Wenn ich an unsre Standard RPGs denke, dann beginne ich mit einem Textintro. Jetzt erwacht mein tapferer Held und ich lese seine Persönlichkeit. Darf ich los! Wunderbar. – „Was muss ich töten?“ – „Du sagst ein Drachenweib!? Na Großartig!“ – "Im Herz des bösen Hexenwalds? So sprich doch schneller alter Narr!" - "Jaha, Bestie, spür meinen kalten Stahl!“ – Bestie: „Ah, ich sterbe“ - Held:"Stimmt! Oh holde Jungfrau, ihr seid gerettet".
So oder ähnlich kennen wir es. Ohne die Textsprache geht es nicht. Je länger mein Spiel, desto hünenhafter das Textungeheuer. Um dem nicht hilflos entgegenzutreten, haben real Troll und ich unseren Erfahrungsschatz zusammengeklaubt und in Worte gebracht. Die Folgenden 10 Stützen sind ein subjektiver Ideenhaufen, der als Hilfe für all die dialoggeplagten Spielersteller dienen soll.
Er darf nach Wunsch verflucht oder ergänzt werden.
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1. Bücherangst und Kurzgeschichtenphobie überwinden, um Wortschatz zu entwickeln und Erzähltechniken nachahmen zu können
2. Die sicherste Methode, einen passenden Ton zu treffen, besteht darin, für seine eigene Altersgruppe zu schreiben. Sortiere Dich einfach in einen der beiden Merksätze ein: "Fort, ihr Fünfzigjährigen! Dragonball gehört den Fünfzehnjährigen!" Oder: "Kinder können nicht für Erwachsene schreiben. Es gibt nur einen Ausweg: Hinsetzen und allmählich vor sich hin altern."
3. Erstelle einige Modellsätze, die das jeweils Typische Deiner Helden transportieren. Das übt, schafft Klarheit und sichert Dir einen Notvorrat für innovative Durststrecken.
4. Nichts spricht gegen NPCs, die mehr als Stichwortgeber für die nächste Quest sind. Baue statt bloßen Informationsrepetiermaschinen kleine Persönlichkeiten ein. Gib ihnen Hobbies, Interessen, Berufe, Macken, kulturellen Hintergrund und und und.
5. Passe das Sprachbild dem Sprecher an. Ein grunzender Wegelagererork hat ein etwas anderes Vokabular als die Spektabilität des Siebensiegeligen Ordens der arkanen Künste der Schule zu Hohenwacht.
6. Gestalte Dialoge nicht zu vorhersagbar. Lasse das Thema einen unerwarteten Umschwung nehmen. Spiele dabei ruhig mit Klischees und Erwartungen. Ein Bettler kann den Helden nach einer milden Gabe den Geheimgang der Diebesgilde zeigen, ein Koch hat nicht nur Plätzchenrezepte in petto, sondern verkauft vielleicht auch die Rezeptur für einen ungewöhnlichen Trank.
7. Gute Pointen sind kostbar. Wenn Dich eine durchzuckt, die nicht zur gegenwärtigen Szene passen mag, schreibe sie Dir auf und nutze sie später.
8. Wenn es keinen guten Grund gibt, eine Aussage über eine Textboxlänge hinausschießen zu lassen, dann begnüge Dich auch mit einem Vierzeiler. Das schützt vor Weitschweifigkeit und sichert dem Text Würze und Substanz. Eine hilfreiche Faustregel: Teile die geplante Dialoglänge erst durch Deine Deutschzensur in Ausdruck, bevor Du fortfährst, Wanderer
9. Lockere längere Redepassagen mit Auswahlmöglichkeiten auf, um den Spieler auch beim Lesen aktiv zu beteiligen. Wer Einfluss nehmen darf, passt auch auf. Macht schärft Konzentration und Aufnahmebereitschaft.
10. Nutze Wiederholungen sparsam, bestenfalls nur für Informationen, die sich dem Spieler einprägen sollen. Andernfalls läufst Du selbst bei gelungenen Texten Gefahr, Dein Publikum zu langweilen.