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Thema: Gefühle gären in mir (Gedicht)

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  1. #1

    Gefühle gären in mir (Gedicht)

    Gefühle gären in mir
    -

    Wie Schnitzel auf ‘ner Bratpfanne
    brodelt es in mir drin und
    zerfressen werden jene Prozesse, die
    beißend
    mein Blut zum kochen bringen.
    Jegliches Haar an meinem Körper wird
    gesengt von aufkeimenden Gefühlen, die
    vollkommen wertlos sind
    in hundert Jahren.
    Tropfende Hähne
    jucken in meinen Ohren,
    triefende Mäuler
    stopfen mir den Rachen voll
    mit schäumendem Nonsens,
    fahrende Jagdhunde
    auf der Suche nach Papier
    zerfleischen meine Seele,
    gierige Augen
    suchen nach Sinn in ihrem Leben
    in meinem Portemonnaie,
    Pinguine
    reiten Holzpflöcke und streben nach
    Stimmen.
    Alle suchen etwas, wollen etwas,
    das nicht auf dieser Welt ist.
    Es ist woanders.
    Wie das Klicken eines Nagelknipsers,
    kurz und schmerzlos
    wie die Injektion einer Spritze,
    wie das Ausreißen eines Nasenhaars,
    wie pisswarmes Wasser
    gären Gefühle in mir und treiben mich
    zum Alkohol.
    Es reinigt die Wunden,
    es schweißt die Infektion ans Nichts,
    es liebkost die fließende Wunde und
    grausam
    zäh
    bringt es die Blume zum Gedeihen.

    J.P.
    ____________

    Bin für Feedback jeglicher Art dankbar, aber vor allem interessieren mich zwei Dinge:
    1. Die Bildgewalt bzw. Bilderwelt des Gedichts (könnt Ihr damit was anfangen? findet Ihr sie gut? zu verwirrend, zu kompliziert, zu haarsträubend? etc.)
    2. Eure Gefühle (bewegt euch das Gedicht? Setzt es irgendetwas in Euch frei? mögt ihr das, was das Gedicht bei euch hervorruft? etc.)

    Ich bin nicht Ezra Pound, ich bin alles andere, aber dieser sagte, dass imagistische Gedichte gegen Analysen immun sind. Analysen können keine Gefühle deuten, die vom Gedicht erzeugt werden. Sie können lediglich formale Strukturen auseinandernehmen und das Gedicht nur an seiner Oberfläche bearbeiten. Das, was dahinter verborgen liegt, vermögen sie nicht zu erfassen. Analysen kratzen quasi auf einer Schale, die es durchzubrechen gilt. Und genau darum geht es mir: das Gedicht soll nicht zerstückelt werden wie ein menschlicher Körper von einem Chirurgen. Es soll Gefühle erzeugen. Bilder, Erinnerungen wie das Gedicht eines Imagisten. Gleichzeitig hab ich mich an den Gedichten eines Charles Bukowski und Jörg Fauser orientiert. Von diesen wurde ich mehr beeinflusst als von Pound und dem Imagismus (merkt man auf jeden Fall), aber dennoch sind einige imagistische Aspekte in das Gedicht mit eingeflossen. Jetzt aber genug. Ich hoffe zumindest, dass ich euch nicht wichtige Sekunden Eures Lebens geraubt habe. =)

  2. #2
    Zitat Zitat von Gonzo
    1. Die Bildgewalt bzw. Bilderwelt des Gedichts (könnt Ihr damit was anfangen? findet Ihr sie gut? zu verwirrend, zu kompliziert, zu haarsträubend? etc.)
    1) Naja, Ich finde in einem Gedicht sollten keine Vergleiche mit Essbarem gemacht werden. Vor allem wenn der man Gefühle beschreibt. Ansonsten gut verständlich.

    Zitat Zitat von Gonzo
    2. Eure Gefühle (bewegt euch das Gedicht? Setzt es irgendetwas in Euch frei? mögt ihr das, was das Gedicht bei euch hervorruft? etc.)
    2) Es ist sehr ammüsant zu lesen, einige Stellen regen zum Nachdenken an. Es gibt auch welche die Mann getrosst vergessen kann (siehe hier 1)) Alles in einem finde Ich das Gedicht gelungen, auch wenn es einige Dinge gibt die mann verbessern sollte

  3. #3
    Jaaa, bei dem Schnitzelvergleich ist nicht das Nahrungsmittel im Vordergrund, sondern das Brodeln, das Braten des Schnitzels auf der Pfanne. Das ist eine einfache Alltagssituation zur Beschreibung eines inneren Prozesses. Da es im weiteren Verlauf komplizierter (sprich metaphorischer) wird, ist ein simpler Vergleich zu Beginn eigentlich ein geeigneter Einstieg. Ist vielleicht Geschmacksache, aber ich weiß, worauf du hinaus willst: Es passt nicht ganz zum Folgenden.

    Zitat Zitat
    [...]auch wenn es einige Dinge gibt die mann verbessern sollte
    Ich fänd's sehr hilfreich, wenn du diese Dinge benennen könntest.

    Danke für die Bewertung. =)

  4. #4
    Zitat Zitat
    Pinguine
    reiten Holzpflöcke und streben nach
    Stimmen.

    Wie kommst du bitte auf Pinguine ?

    Ich muss zugeben, bei mir hat das Gedicht kaum/keine Gefühle geweckt, mich hat beim lesen eher der Rhythmus und die Enjambements intressiert.
    Ich bin wohl ein Analyst.

    Aber das Lesen hat mir spaß gemacht, und das ist etwas, worauf du stolz sein kannst, sowas kommt bei Gedichten hier im Atelier alles andere als Oft vor

  5. #5
    Zitat Zitat von Freierfall
    Wie kommst du bitte auf Pinguine ?
    Politik. ;-) Aber damit hab ich jetzt zu viel verraten. T_T

    Zitat Zitat
    Aber das Lesen hat mir spaß gemacht, und das ist etwas, worauf du stolz sein kannst, sowas kommt bei Gedichten hier im Atelier alles andere als Oft vor
    Freut mich. =) (Bin furchtbar stolz.)

    Zitat Zitat von Eynes'Prayer
    Man kann immer viel über Dinge reden, die man selbst miterfunden hat. Ich finde es auch sehr fragwürdig, Analytiker zu verdammen und gleichzeitig "Ökonomie der Sprache" walten zu lassen.
    Ich bin durchaus deiner Auffassung, allerdings ist die Analyse für dich als Künstler unverzichtbar, denn sonst verkommen deine Gedichte zu Texten - nicht alles, was sich Gedicht ruft, ist auch eins.
    Ich würd nicht sagen, dass die Imagisten Analytiker verdammten, weil sie die Struktur und den Aufbau (die Form) des Gedichtes analysierten, sondern weil sie die Analyse auf ein Podest stellten, auf das sie nicht gehört. Analysen sind sicherlich notwendig, insbesondere bei "klassischen" Gedichten (Baudelaires Gedichte erreichen beispielsweise erst durch eine intensive Analyse ihre "Perfektion"), aber manche Gedichte verbergen ihr wahres Selbst in den Bildern, die sich hinter den Buchstaben eines Gedichtes befinden. Dorthin gelangt man nun mal nicht durch intensive Analysen. Aber das, denke ich, ist dir auch klar. ^^

    Zitat Zitat
    Die Bildwelt ist wunderschön nonsenshaltig, allerdings sehr statisch und verfahren und teilweise auch sehr unstimmig. Bleib doch in einer Bilderwelt, such dir ein Bild, um das sich alle anderen fügen. Auch Nonsens gehorcht Regeln, meistens denen deines abstrakten Verstandes. Allerdings braucht es zur Stimmigkeit ein Verbindungsstück, sonst ist die Bildgewalt nichts weiteres, als eine Aufzählung.
    Ich verstehe was du meinst und ich denke, dass dies auch das größte Problem des Gedichts ist. Aber es gibt einen Zusammenhang. Dieser verbirgt sich hinter den Bildern, die quasi Symbole sind, deren Zusammenhang schon eher nachvollziehbar ist. Aber ich möchte nicht zu viel "Deutungsmüll" offenbaren, dann geht die ganze Spannung flöten. ;-)
    Womöglich denke ich zu komplex oder nicht kleinlig genug; oder sagen wir mal zu verworren und ungeduldig. XD

    Der größte Schlag war, dass die Bilder statisch wirken. Das war nämlich das allerletzte, was ich erreichen wollte. T_T Aber gut, dass du mich darauf hinweist. Jetzt weiß ich zumindest, dass ich da noch was tun muss...

    Zitat Zitat
    Meine Gefühle zu deinem Text sind zweierlei: Einerseits gibt es sehr hübsche Stellen, andererseits kommt es durch die schon erwähnte Unstimmigkeit zu keinem greifbaren Empfinden. Meiner Meinung nach ist das genau die Umkehr von dem, was du erreichen wolltest - es ist nicht fernliegend, doch greifbar, sondern naheliegend und doch unschlüssig. Dadurch wird das Ganze nicht wertlos oder hätte seine Intention erfüllt, ich finde, allein für den Versuch kannst du getrost stolz auf dich sein, allerdings sollten deine Gedanken weniger fragmentiert, als zusammenhängend sein.
    Ich muss in diesem Zusammenhang erwähnen, dass ich an einer für mich (noch nicht ganz fertig) entwickelten Gedichtart arbeite, die ich "Impulsdichtung" getauft habe. Dort wirken die Bilder verworren und unstimmig, aber gleichzeitig greifen sie gemeinsam auf ein Gefühl zu, dass einerseits als Verbindungselement der Bilder fungiert und dadurch andererseits durch Aufgreifen vieler unterschiedlicher Aspekte (--> Bilder!) einen größeren Rahmen zu bekommen versucht. Scheiße ist dann natürlich, wenn das erzeugte Gefühl zu klein für den Rahmen ist (was hier der Fall zu sein scheint – Ich werde demnächst wohl ein besseres Gedicht posten müssen, welches in diese Gedichtart passt).

    Ich werd wohl einen Schritt zurückgehen und um Bilder aus einem Bildbereich ein Gefühl formen müssen.

    Zitat Zitat
    Einen Tipp mag ich dir noch geben: Scheue die Analyse eben doch nicht. Das geht auch hinterher, vor allem bei der Art von Gedichten.
    Mach Absätze und Sinnabschnitte - teilweise gefällt mir deine Zeileneinteilung unheimlich gut (ich nenne es jetzt mal nicht Vers, ich hoffe, du weißt, was gemeint ist), arbeite doch noch mehr damit. Vor allem schau, was die Absätze mit deinen Bildern machen:

    Zitat Zitat
    brodelt es in mir drin und
    zerfressen werden jene Prozesse, die
    beißend
    mein Blut zum kochen bringen.
    oder vielleicht lieber:

    Zitat Zitat
    brodelt es
    in mir drin und zerfressen
    werden jene Prozesse,
    die beißend mein Blut
    zum Kochen bringen
    Was baut für dich persönlich mehr Spannung auf?
    Bei deiner Version müsste ich erst einmal wissen, nach welchen Kriterien du die "Verse" geordnet hast. Da ich im Versaufbau teilweise noch große Schwächen bei mir erkenne (das ganze wirkt teilweise willkürlich, was es gar nicht ist. T_T), muss ich zugestehen, dass ich hin und her geschwankt habe zwischen der Ordnung nach Aussprache (Pausen) und Bildern.

    Bsp.: | = kurze Pause; || = längere Pause

    brodelt es in mir drin und | zerfressen werden jene Prozesse | die | beißend | mein Blut zum kochen bringen || Jegliches Haar an meinem Körper wird | gesengt von aufkeimenden Gefühlen | die | vollkommen wertlos sind (|) in hundert Jahren ||

    Bsp.: (diesmal nach Bildern)

    (Bild) Tropfende Hähne
    (Bild) jucken in meinen Ohren,
    (Bild) triefende Mäuler
    (Bild) stopfen mir den Rachen voll
    mit (Bild -->) schäumendem Nonsens, [...]

    Vielleicht wirkt das Gedicht gerade durch diese wechselnde Versaufteilung unstimmig. Weiß nicht so recht.

    Danke für die vielen Bewertungen. Alleine die Erwähnung der Unstimmigkeit hat mich weit nach vorne gebracht. ^^

  6. #6
    Zitat Zitat von Gonzo Beitrag anzeigen
    Aber das, denke ich, ist dir auch klar. ^^
    Yop =) . Verdammen war vielleicht auch das falsche Wort - ich finde nur, man sollte den Menschen nicht sagen, wie sie an Gedichte heranzugehen haben und in bestimmten Fällen (diese Einschränkung ist wichtig) hört sich dieses "Analyse ist was für Mathematiker"-Gerede auch an wie ein dahinter verstecktes "Ich schreib einfach nur so Worte auf, will aber, dass es jemand für große Kunst empfindet". Dass das bei dir nicht der Fall ist, steht außer Diskussion.

    Zitat Zitat
    oder sagen wir mal zu verworren und ungeduldig. XD
    Ich finde, genau das trifft's . Das nimmt deinen Gedichten nicht an Qualität (hab ich überhaupt schon mehr als das eine hier gelesen? ;__;" ), aber dir ein wenig an Spielraum und letztendlich ist Poesie ein fließendes Bild. Gerade bei solchen Texten hier ist das schwierig zu erklären, weil das ein sehr subjektvies Empfinden und dazu auch nur Gefühlssache ist.

    Zitat Zitat
    Ich werde demnächst wohl ein besseres Gedicht posten müssen, welches in diese Gedichtart passt
    Ich jedenfalls bin sehr gespannt, weil das nicht ganz unineressant klingt =) .

    Zitat Zitat
    Bei deiner Version müsste ich erst einmal wissen, nach welchen Kriterien du die "Verse" geordnet hast.
    Mehr oder weniger nach Gefühl, aber vor allem durch bewusste Enjambements. Das ist, wie Freierfall schon bemerkt hat, sehr subjektiv, meiner Meinung aber verbindet das die Bilder mehr miteinander, wenn du sie verteilst. Bei dir ist es wirklich:
    Bild
    Bild
    Bild

    Das kann gut sein, aber gerade hier finde ich, ist es ein wenig kontraproduktiv und auch nicht komplex genug, um das Gefühl zu fassen, dass du beschreiben möchtest (das, wie ich mal stark annehme, eins der Gefühle ist, für die die Menschheit keine Namen gefunden hat).

    Zitat Zitat
    Da ich im Versaufbau teilweise noch große Schwächen bei mir erkenne (das ganze wirkt teilweise willkürlich, was es gar nicht ist. T_T), muss ich zugestehen, dass ich hin und her geschwankt habe zwischen der Ordnung nach Aussprache (Pausen) und Bildern.

    Bsp.: | = kurze Pause; || = längere Pause
    Denk mal so:
    ,/;/. innerhalb des Verses = kurze Zäsur; ,/;/. am Ende des Verses = mittellange Pause; Zeilenumsprung = kurze Pause; Absatz = längere Pause

    Das ist jetzt sehr vereinfacht, aber im Grunde liest man in Wirklichkeit in etwa so. Du unterteilst ein Gedicht ja gerade deshalb in Verse, damit du damit eine gewisse Spannung erzeugen kannst und um das weiterzuspinnen: Es gibt gerade deshalb Metren, weil ein Vers eine in sich geschlossene Einheit bildet. Wenn du aber kein Metrum hast, muss das einen Grund haben - bei dieser Art von Gedicht ist es meist die Abstrahierung einiger Bilder untereinander. Wenn du die Bilder nur Vers für Vers aufzählst, wird das deinem Leser bald langweilig.

    Zitat Zitat
    Bsp.: (diesmal nach Bildern)

    (Bild) Tropfende Hähne
    (Bild) jucken in meinen Ohren,
    (Bild) triefende Mäuler
    (Bild) stopfen mir den Rachen voll
    mit (Bild -->) schäumendem Nonsens, [...]
    Hier beispielsweise hätte ich eben auch etwas gemischt, einfach, um die Absurdität noch etwas zu unterstreichen und vielleicht sogar etwas lautmalerisch zu sein:
    Zitat Zitat
    Tropfende
    Hähne
    Jucken
    In meinen Ohren, triefende Mäuler
    Stopfen mir den Rachen
    Voll mit schäumendem Nonsens
    Das ist wieder mein subjektiver Eindruck, das gleich mal vorausgesandt. Wenn du schon "tropfend" schreibst, dann lass doch auch deine Worte tropfen; wenn du schon mit Teilen des Körpers sprichst, dann verbinde die doch auf absurde Weise; wenn du schon von "stopfen" sprichst, dann lass dem Leser doch auch Zeit zu würgen.
    Ich empfehle dir dazu mal unter allen Vorbehalten Erich Fried, den ich zwar über alles in der Welt nicht ausstehen kann, der aber doch in der Lage ist, die Bilder auch versgerecht zu transportieren.

    Zitat Zitat
    Vielleicht wirkt das Gedicht gerade durch diese wechselnde Versaufteilung unstimmig. Weiß nicht so recht.
    Unstimmig eher dadurch, dass du manchmal nicht weißt, wo du absolut dazu gezwungen bist, einen Zeilenumbruch zu machen (beispielsweise sollten Konnektoren und Präpositionen nur unter bestimmten Bedingungen am Versende stehen - mit "streben nach ... Stimmen." hast du das gemeistert, aber wo ein "und" am Ende steht, ist es meistens fehl am Platz; genauso Relativpronomen, die solltest du nur selten vom Rest des Nebensatzes abkappen).

    Zitat Zitat
    Danke für die vielen Bewertungen. Alleine die Erwähnung der Unstimmigkeit hat mich weit nach vorne gebracht. ^^
    Für meine Begriffe bist du schon sehr weit vorn und glaub mir, ich persönlich wäre froh, wenn mir öfter solche Einfälle kämen wie dir. Du musst jetzt halt nur noch an manchen Stellen ein klein wenig feilen - das Gesamtbild ist dadurch aber nicht minder gut, nur noch nicht ganz perfekt .

  7. #7
    Zitat Zitat
    [...]und letztendlich ist Poesie ein fließendes Bild. Gerade bei solchen Texten hier ist das schwierig zu erklären, weil das ein sehr subjektvies Empfinden und dazu auch nur Gefühlssache ist.
    Bukowski hat mal irgendwann gesagt: "Poetry is a wet rag in the sink." Dieser Ausspruch prangt auf meiner StudiVZ-Seite und bei Gott, für solche Aussagen liebe ich diesen Mann. Zwar ist das eher eine Beschreibung für seine Gedichte, die einem wie ein feuchtes Handtuch um die Ohren geklatscht werden. Anders als beispielsweise Pound, dessen Gedicht, wie du oben erwähntes, in Bildern dahinfließen und man so gefangen von den Gefühlen, die hinter den Worten verborgen liegen, ist, dass man zum Schluss trauert, weil das Gedicht zu Ende ist. Aber man liest und liest und liest es immer wieder, man begreift immer mehr und mehr und das Gefühl bleibt bestehen, brennt sich fest ins Gedächtnis. Und Wochen später liest man das Gedicht wieder und – BAM – das Gefühl ist wieder da, es war nur verborgen und ist wieder aufgetaucht. Wie bei einem Fingerschnippen. Zack!

    Vielleicht meinst du ja das, was ich oben geschrieben habe, wenn du von "subjektivem Empfinden" sprichst. Gerade das ist das besondere an Gedichten. Es gibt welche, die zwar hohe Kunst sind, aber einem nicht das geben, was man will oder was man braucht, sondern einfach "nur" kunstvoll sind. Mir gibt Baudelaire beispielsweise gar nichts, obwohl die Form seiner Gedichte (in Originalsprache) ein Beispiel für "Perfektion" ist. Durch dieses (ich nenn es mal) Geben-Nehmen-Prinzip erhalten für mich weniger kunstvoll versierte Dichter, die die Wahrheit am Schopfe packen und sie einem vor den Kopf stoßen wie vor eine Wand, mehr Bedeutung als andere. Eigentlich will ich dabei nur auf eins hinaus: Bukowski > Baudelair oder Direktheit > Strukturelle Perfektion. =)

    Aber das ist wiederum äußerst subjektiv und da wären wir wieder am Anfang der Diskussion. xD

    Zitat Zitat
    Mehr oder weniger nach Gefühl, aber vor allem durch bewusste Enjambements. Das ist, wie Freierfall schon bemerkt hat, sehr subjektiv, meiner Meinung aber verbindet das die Bilder mehr miteinander, wenn du sie verteilst. Bei dir ist es wirklich:
    Bild
    Bild
    Bild

    Das kann gut sein, aber gerade hier finde ich, ist es ein wenig kontraproduktiv und auch nicht komplex genug, um das Gefühl zu fassen, dass du beschreiben möchtest (das, wie ich mal stark annehme, eins der Gefühle ist, für die die Menschheit keine Namen gefunden hat).
    Das Problem bei mir ist, dass mir andere Versstrukturen derweil zu willkürlich wirken. Ich muss wissen, wonach ich das strukturieren soll. Hab's auch einige Male nach Gefühl versucht, aber das wirkte mir nach mehrmaligem lesen dann irgendwie zu ...hm... "laienhaft".

    Wobei:
    Zitat Zitat
    Zitat Zitat
    Tropfende
    Hähne
    Jucken
    In meinen Ohren, triefende Mäuler
    Stopfen mir den Rachen
    Voll mit schäumendem Nonsens
    Das ist wieder mein subjektiver Eindruck, das gleich mal vorausgesandt. Wenn du schon "tropfend" schreibst, dann lass doch auch deine Worte tropfen; wenn du schon mit Teilen des Körpers sprichst, dann verbinde die doch auf absurde Weise; wenn du schon von "stopfen" sprichst, dann lass dem Leser doch auch Zeit zu würgen.
    Ich empfehle dir dazu mal unter allen Vorbehalten Erich Fried, den ich zwar über alles in der Welt nicht ausstehen kann, der aber doch in der Lage ist, die Bilder auch versgerecht zu transportieren.
    DAS klingt richtig genial. Diese Versstruktur kann ich auch nachvollziehen. Ich bin beispielsweise noch nicht darauf gekommen, die Verse nach der Wortwahl und der von ihr erzeugten Bilder zu strukturieren. Siehste, wieder was vernünftiges gelernt. ^^

    Zitat Zitat
    Das ist jetzt sehr vereinfacht, aber im Grunde liest man in Wirklichkeit in etwa so. Du unterteilst ein Gedicht ja gerade deshalb in Verse, damit du damit eine gewisse Spannung erzeugen kannst und um das weiterzuspinnen: Es gibt gerade deshalb Metren, weil ein Vers eine in sich geschlossene Einheit bildet. Wenn du aber kein Metrum hast, muss das einen Grund haben - bei dieser Art von Gedicht ist es meist die Abstrahierung einiger Bilder untereinander. Wenn du die Bilder nur Vers für Vers aufzählst, wird das deinem Leser bald langweilig.
    Wenn ein Vers eine in sich geschlossen Einheit ist (hab ich schon verstanden), dann verstehe ich diese Verseinteilung nicht, die du in einem deiner oberen Posts als Beispiel genannt hast.
    Zitat Zitat
    brodelt es
    in mir drin und zerfressen
    werden jene Prozesse,
    die beißend mein Blut
    zum Kochen bringen
    Enjambements brechen diese Einheit auf, aber was bleibt, darf keine Grütze sein. Und weil ich diese Einteilung nicht durchblicken kann, sieht es für mich wie Grütze aus. Sorry für das Beispiel. ^^

    Zitat Zitat
    Erich Fried
    Unter Vorbehalt notiert. Vielleicht findet sich was in der Bibliothek.

    Zitat Zitat
    (beispielsweise sollten Konnektoren und Präpositionen nur unter bestimmten Bedingungen am Versende stehen - mit "streben nach ... Stimmen." hast du das gemeistert, aber wo ein "und" am Ende steht, ist es meistens fehl am Platz; genauso Relativpronomen, die solltest du nur selten vom Rest des Nebensatzes abkappen).
    Klingt logisch. Werde beim Schreiben mal genauer drauf acht geben.

    Zitat Zitat
    Für meine Begriffe bist du schon sehr weit vorn und glaub mir, ich persönlich wäre froh, wenn mir öfter solche Einfälle kämen wie dir. Du musst jetzt halt nur noch an manchen Stellen ein klein wenig feilen - das Gesamtbild ist dadurch aber nicht minder gut, nur noch nicht ganz perfekt .
    Das geht runter wie Butter.
    Danke.

  8. #8
    Zitat Zitat von Gonzo Beitrag anzeigen
    Wenn ein Vers eine in sich geschlossen Einheit ist (hab ich schon verstanden), dann verstehe ich diese Verseinteilung nicht, die du in einem deiner oberen Posts als Beispiel genannt hast.

    Enjambements brechen diese Einheit auf, aber was bleibt, darf keine Grütze sein. Und weil ich diese Einteilung nicht durchblicken kann, sieht es für mich wie Grütze aus. Sorry für das Beispiel. ^^
    Nur ganz kurz: Ich sollte lernen, mich klarer auszudrücken .__." .
    Ich meinte damit, dass, wenn du kein Metrum hast, du die Verse einteilen kannst, wie du willst. In einem Gedicht muss grundsätzlich alles irgendeinem Sinn folgen - selbst wenn dieser Sinn wie oftmals sein sollte "Ich weiß nich, wie man ein Metrum macht". Bei dir ist das nun, dass du mit der Verseinteilung (vereinfacht gesagt) Pausen machen möchtest, die deinem Leser das Gefühl näher bringen, dein Vers ist also keine geschlossene Einheit, sondern hat Bildwert. Das bedeutet - wenn man es jetzt mal auf eine höhere Ebene hebt -, dass du deine Bilderwelt dadurch unterstützen, kompromittieren oder ins Absurde ziehen kannst. Unterstützend wäre beispielsweise eben "Tropfende ... Hähne ... Jucken", besonders absurd beispielsweise finde ich die Verbindung "In meinen Ohren, triefende Mäuler"; kompromittierend wäre vielleicht annähernd sowas wie "Die beißend mein Blut".

    Es geht darum, dass du auch in Prosa schreiben könntest, wenn dir die Gedichtform nicht entscheidende Mittel in die Hand geben würde. Semiotisch betrachtet hast du damit zwei Bildebenen: die grammatikalische "triefende Mäuler stopfen mir den Rachen voll" und die lyrische "In meinen Ohren, triefende Mäuler". Und die können eben wunderschön miteinander interagieren .


    Im Übrigen war das "geschlossene Einheit" wirklich schlecht gewählt, weil das tatsächlich nur auf Metrentexte zutrifft und da dann auch nicht immer (Rilke hat mit Enjambements Wunder getan) - es ging mehr darum, dass du damit auf alle Fälle irgendeine Einheit herstellst (was auf einer Zeile steht, gehört nunmal irgendwie zusammen).
    Fakt ist jedenfalls, dass die Versform einen durchaus erkennbaren Sinn braucht - du meintest ja selbst, dass dein Problem ist, dass es etwas willkürlich klingt und das stimmt auch irgendwie. Schau einfach, was den Ausdruck des Gedichtes am besten unterstützt, was die Worte vielleicht auch spannender rüberkommen lässt.

  9. #9
    Ist gebongt.

    Sorry für den Spam.

  10. #10
    Gefühle gären in mir (verbesserte Version)
    -

    Wie gleißend
    rasende Geysire
    brodelt es in mir
    drin und zerfressen
    werden jene Prozesse,
    die, beißend,
    mein Blut
    zum kochen bringen.

    Jegliches Haar
    an meinem Körper
    wird gesengt
    von aufkeimenden
    Gefühlen,
    die vollkommen wertlos sind
    in hundert Jahren.

    Tropfende
    Hähne
    jucken
    in meinen Ohren,
    triefende
    Mäuler
    stopfen
    mir den Rachen voll
    mit schäumendem Nonsens,
    fahrende Jagdhunde
    auf der Suche nach
    Papier zerfleischen meine
    Seele,
    gierige
    ______Augen
    suchen nach Sinn
    in ihrem Leben
    in meinem Portemonnaie,
    Pinguine reiten Holzpflöcke
    und streben nach Stimmen.

    Alle suchen etwas,
    wollen etwas,
    das nicht auf dieser Welt
    ist.

    Es ist woanders.

    Wie das Klicken eines
    Nagelknipsers,
    kurz und schmerzlos
    wie die Injektion
    einer Spritze,
    wie das Ausreißen
    eines Nasenhaars,
    wie pisswarmes Wasser
    gären Gefühle in mir
    und treiben mich
    zum Alkohol.
    Es reinigt die
    Wunden, es schweißt
    die Infektion ans Nichts,
    es liebkost
    die fließende Wunde
    und grausam
    und zäh bringt es
    die Blume zum Gedeihen.

  11. #11
    Zitat Zitat
    Ich bin nicht Ezra Pound, ich bin alles andere, aber dieser sagte, dass imagistische Gedichte gegen Analysen immun sind. Analysen können keine Gefühle deuten, die vom Gedicht erzeugt werden. Sie können lediglich formale Strukturen auseinandernehmen und das Gedicht nur an seiner Oberfläche bearbeiten. Das, was dahinter verborgen liegt, vermögen sie nicht zu erfassen. Analysen kratzen quasi auf einer Schale, die es durchzubrechen gilt.
    Man kann immer viel über Dinge reden, die man selbst miterfunden hat. Ich finde es auch sehr fragwürdig, Analytiker zu verdammen und gleichzeitig "Ökonomie der Sprache" walten zu lassen.
    Ich bin durchaus deiner Auffassung, allerdings ist die Analyse für dich als Künstler unverzichtbar, denn sonst verkommen deine Gedichte zu Texten - nicht alles, was sich Gedicht ruft, ist auch eins.

    Zitat Zitat von Gonzo Beitrag anzeigen
    Bin für Feedback jeglicher Art dankbar, aber vor allem interessieren mich zwei Dinge:
    1. Die Bildgewalt bzw. Bilderwelt des Gedichts (könnt Ihr damit was anfangen? findet Ihr sie gut? zu verwirrend, zu kompliziert, zu haarsträubend? etc.)
    2. Eure Gefühle (bewegt euch das Gedicht? Setzt es irgendetwas in Euch frei? mögt ihr das, was das Gedicht bei euch hervorruft? etc.)
    Die Bildwelt ist wunderschön nonsenshaltig, allerdings sehr statisch und verfahren und teilweise auch sehr unstimmig. Bleib doch in einer Bilderwelt, such dir ein Bild, um das sich alle anderen fügen. Auch Nonsens gehorcht Regeln, meistens denen deines abstrakten Verstandes. Allerdings braucht es zur Stimmigkeit ein Verbindungsstück, sonst ist die Bildgewalt nichts weiteres, als eine Aufzählung.
    Natürlich ist das meine persönliche Empfindung; ich mag dir aber mal ein Beispiel geben, wo ich das sehr gut gemeistert finde:
    O geschmeidigster aller Pferderappen! O bläulichster aller verrufenen Köterhunde! O du fasriger Bienenstock! Wo immer derartig entzweite und doch nie ganz vermessene Wortesrufe wie zartblättriges Gelächter durch die Straßen und Straßenhallen hallen, verliert sich der Zahn der Zeit in großartigen Memoiren höchster Schwerkraft. Es ist Winter, O meine Freunde, die triebhafteste aller Zeiten, und die blasseste, äonenschwärzeste noch dazu.
    (Moki wird mir böse sein)

    Meine Gefühle zu deinem Text sind zweierlei: Einerseits gibt es sehr hübsche Stellen, andererseits kommt es durch die schon erwähnte Unstimmigkeit zu keinem greifbaren Empfinden. Meiner Meinung nach ist das genau die Umkehr von dem, was du erreichen wolltest - es ist nicht fernliegend, doch greifbar, sondern naheliegend und doch unschlüssig. Dadurch wird das Ganze nicht wertlos oder hätte seine Intention erfüllt, ich finde, allein für den Versuch kannst du getrost stolz auf dich sein, allerdings sollten deine Gedanken weniger fragmentiert, als zusammenhängend sein.

    Einen Tipp mag ich dir noch geben: Scheue die Analyse eben doch nicht. Das geht auch hinterher, vor allem bei der Art von Gedichten.
    Mach Absätze und Sinnabschnitte - teilweise gefällt mir deine Zeileneinteilung unheimlich gut (ich nenne es jetzt mal nicht Vers, ich hoffe, du weißt, was gemeint ist), arbeite doch noch mehr damit. Vor allem schau, was die Absätze mit deinen Bildern machen:
    Zitat Zitat
    brodelt es in mir drin und
    zerfressen werden jene Prozesse, die
    beißend
    mein Blut zum kochen bringen.
    oder vielleicht lieber:
    Zitat Zitat
    brodelt es
    in mir drin und zerfressen
    werden jene Prozesse,
    die beißend mein Blut
    zum Kochen bringen
    Was baut für dich persönlich mehr Spannung auf?

    Letztendlich solltest du deinen Stil etwas vereinheitlichen, von "auf 'ner Bratpfanne" zu "es liebkost die fließende Wunde und grausam zäh bringt es die Blume zum Gedeihen" ist ein weiter Schritt (und das nicht nur, weil es gerade Anfang und Ende des Gedichts sind ).

    Übrigens, um meine Herumnörgelei mal zu balancieren:
    Zitat Zitat
    gären Gefühle in mir und treiben mich
    zum Alkohol.
    Absolut genial.

  12. #12
    Zitat Zitat
    Was baut für dich persönlich mehr Spannung auf?
    Eindeutig seine version.
    Wenn du das laut sprichst, ist das einzelkne beißend viel betonter und bekommt mehr bedeutung. also bei mir zumindest^^

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