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Thread: Spiel-Tutorial

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  1. #1
    Quote Originally Posted by real Troll View Post
    Der Frage von Anschein, Suche unbd Identität mag kulturübergreifende Relevanz zukommen, doch ist man spätestens hier im Bereich der fast beliebig auslegbaren Gummiworte angekommen. Beispiele lieferst Du selbst, indem Realitätströpfchen in Fiktionen sogleich als Ausweis irgendwie gehaltvollerer Wesensart gedeutet werden. Nur weil ein Spiel Motive unserer heutigen Welt aufnimmt, wird es nicht zu einer lehrreichen Parabel
    Ich glaube, was Du an Potential siehst, deutest Du selbst dort hinein. Zugegeben, in einer sophistisch veranlagten Runde mag es amüsant sein, sich gegenseitig mit Interpretationsangeboten zu übertrumpfen, was die Szene "Mann wird von Krokodil in den Schritt gebissen" eigentlich über das Ausmaß unserer postmodernen Vereinzelung aussagt, aber auch wenn sich unsere Fantasie über die Kläglichkeit des tatsächlichen Objekts erheben kann, sollte man sich doch bewusst machen, was lediglich Imagination und was tatsächlicher Gehalt ist.
    In den Beispielen, die ich gebracht habe? Kaum. Außerdem wurde die Vereinzelung schon von Ferdinand Tönnies beklagt, als er über Gemeinschaft und Gesellschaft schrieb. Der Rest ist einfach ein Reden über Geschmacksfragen. Man entschuldige, wenn ich die einzelnen Noten und deren Zusammenspiel manchmal schwammig benenne.
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    Wenn Spiele anregend genug auf Dich wirken, über sie hinauszugehen, ist das fein. Aber das Vermögen dazu kommt aus Dir, nicht aus dem unterhaltsamen Farbgedudel im Monitor.
    Weißt du, selbst in Pulp wird über Geschlechterfragen gesprochen.



    Und über die jeweilige Kultur sogar noch mehr. Die ganzen Stereotypen über den Wilden Westen, den Kampf des Mannes gegen die wilde Natur und was sonst noch da drinnen ist, wurde von den Autoren hinein gelegt. Unbewusst natürlich, aber der kulturelle Kontext ist trotzdem da.

  2. #2
    Geschlechterfragen sind zwar interessanter als Unterhaltungen über das Wetter, aber selbst akademisch verbrämtes gender-Fabulieren ist dann doch eher Tussie-Talk als facettenreich geschweige denn originell.
    Falls Dein Interesse Dich doch noch auf die Frage des Simpelgrades von Computerspielehandlungen zurücklenken sollte, nehme ich die Diskussion übrigens gerne wieder auf.

  3. #3
    Wenn das dein Vorschlag ist, gut.

    Quote Originally Posted by real Troll View Post
    Geschlechterfragen sind zwar interessanter als Unterhaltungen über das Wetter, aber selbst akademisch verbrämtes gender-Fabulieren ist dann doch eher Tussie-Talk als facettenreich geschweige denn originell.
    Nicht, wenn es darauf hinausläuft, dass man Frauen mit Waffengewalt aus Nazis-Sexlagern rettet oder seine Felder gegen eine Krabben-Invasion verteidigen muss. Die Facettierung liegt in der Bündelung von Stereotypen und diese sprechen den Leser/Spieler ungemein gut an.
    Du arbeitest in der Reise ins All ja auch gerne damit. Frauen vor dem Phantom der Oper retten? Duelle als Offizier austragen? Das sind Aufgaben, die in deinem Spiel Sinn machen, da sie sich in das gesamte Gewebe einfügen.

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    Falls Dein Interesse Dich doch noch auf die Frage des Simpelgrades von Computerspielehandlungen zurücklenken sollte, nehme ich die Diskussion übrigens gerne wieder auf.
    Das größte Problem, dass ich momentan sehe, ist das der Groß der Nutzer mit Stereotypen nicht so inutiv vertraut sind wie du. Das würde vielen Spielen gut tun und sie straffen. Man geht weniger davon aus, ob es Sinn macht und eher davon, ob es schon dagewesen war. Darum fühlt man sich z.B. beim Gelben Adler so, als würde man FFVI noch mal spielen. Nur schlechter. Denn das Esper-Kind, den Dieb, den verwöhnten Prinzen und seinen Bruder und all die anderen sind als Stereotypen sofort lesbar. Die Prinzessin im Gelben Adler nicht. Bei ihrer ersten Begleiterin war es noch krasser - da kam diese Frau in meine Party, und ich hatte keinen schimmer, was sie sein soll? Ist "Alleinerziehende Mutter" eine bekannte Klasse im Rollenspiel?

  4. #4
    @real Troll
    Ich finde der Film ist den Spielen viel näher als die Romane, deswegen würde ich eher ihn mit seinen ganzen Stilmitteln zum Vergleich heranziehen. Das ausschweifende Erzählen eines Romanes lässt sich nicht wirklich auf ein Spiel übertragen, es sei denn man greift zur Visual Novel, aber auch die ist einfacher geschrieben als normale Literatur und letztendlich sowieso kein Spiel mehr. Wie dem auch sei, eine Spielgeschichte ist mMn dann nicht mehr simpel, wenn sie über mehr hinausgeht als dem Spieler nur zu sagen wohin er als nächstes gehen soll. Demnach hat deine Allreise mit all ihrer Charakterinteraktion mMn auch keine einfache Geschichte mehr. Natürlich ist es möglich jede Geschichte auf einen Satz zu reduzieren (oder sogar nur auf ein Wort, vergleiche dazu mal die Theorie dieser Master Plots oder aus welchen Bausteinen Märchen bestehen, ich hab leider die Quellen schon wieder vergessen), aber damit schummelt man ja, nicht wahr? Man muss schon schauen was im Spiel tatsächlich alles erzählt wird.

    @Ianus
    Was die Stereotypen angeht sind wir dann aber wieder bei der Geschmacksfrage, denn die Allgemeinheit scheint mit ihnen keine großen Probleme zu haben und das kann ich sogar selber unterstreichen, denn ich hab auch kein Problem damit die x-te Eroge-Adaption mit ihren ganzen Bishoujo-Stereotypen anzuschauen, solange mir die Figuren sympathisch sind - was vielleicht gerade wegen ihrer Oberflächlichkeit der Fall ist. Naja, ehrlich gesagt bin ich im Laufe der Zeit auch schon kritischer geworden, aber prinzipiell bleibe ich dabei, Stereotypen sind schon in Ordnung. Das Problem bei den Makerspielen ist meistens, dass die Stereotypen nicht bewußt eingesetzt werden - das hast du ja auch selber gesagt - sondern dass sie nur nachgemacht werden.

  5. #5
    @ Ianus
    Ich halte Stereotypenbildung für einen sehr fruchtbaren Ausweg aus der Simpelklemme der Handlung. Es ist nur sehr schwierig darstellbar, wie sich ein Computerheld seine Welt denkend aneignet. Den schrulligen Charme eines "Herrn Lehmann" oder die wehmütige Vergänglichkeit im "Radetzkymarsch" kann ich mir nur als Buch denken; Spiele schaffen es nicht, in diesen Gütebreich vorzustoßen. Allenfalls könnte man einmal mit verschiedenen Farbgebungen experimentieren, um unterschiedliche Gemütsregungen des Helden anzuzeigen - Verliebtsein taucht natürlich alles in rosarot, Wut und Zorn lassen die Welt in dampfendem Rot erstrahlen, Neid ... tja, grün oder gelb? Mit Bildern ist aber nicht alles zu sagen und der Textmenge ist in einem Spiel aus guten Gründen eine Grenze gesetzt.
    Da man also kaum einen facettenreichen Helden während eines Spiels entwickeln kann, greift man eben direkt die Spielererwartungen auf und setzt ihnen etwas vor, das sie auch ohne einführende Bemerkungen annehmen können: Klischees und Stereotype. So bleiben wenigstens Reststumpfen und Ansätze von Charaktermerkmalen im Spiel und das Spiel kann ein Spiel bleiben, ohne sich als gescheiterte Romansimulation bewiesen zu müssen. Und mit ein wenig Ironie und ein paar eingestreuten Subtexten - so wie aktuell in "Sonnenschauer" - lassen sich die schlimmsten Auswüchse des Trivialen sogar umgehen. Simpel bleibt es trotzdem; das schließt meine "Allreise" natürlich mit ein.

    @ Kelven
    Klar sind Filme und Spiele verwandter, aber erstens geht es hier ja um generalisierende Aussagen (Sind Spielehandlungen thematisch beschränkt und vorhersagbar?), so dass es ganz gut tut, zu sehen, was eigentlich prinzipiell in anderen Medien möglich wäre und zweitens würde mMn eine reine Engführung zwischen Film und Spiel letzteres unnötig herunterziehen; ich halte Spiele für überlegender - zumindest wenn ich auf das für mich Wesentliche blicke, die Fähigkeit, zu unterhalten.
    Ich habe nun weder eine ausgereifte Theorie noch einen Kriterienbaukasten, um hier eine Messapparatur aufstellen zu können, die sagt, ab welchen Grenzwerten eine Handlung nicht mehr simpel, sondern ausgereifter oder sogar tiefgehend sei. Aber Dein Beispiel der Charakterinteraktion würde ich nicht als irgendwie wertsteigernd ansehen, wir reden hier schließlich, um beim konkreten Beispiel zu bleiben, von Männchenanklicken und gelegentlichem Einsatz von Zwischennachrichten für den Spieler.
    Um Spiele im Bereich Handlung aufzuwerten, müsste man genau das abschwächen, was diese Grenzen setzt: Gameplay. Und für mich sind gerade die Fragen des Spielzuschnitts der Hauptunterhaltungsquell bei einem Spiel. Aber Du hast ja selbst geschrieben, welche Sackgassen auf so eine Scheinalternative (spielbarer Roman) lauern.

  6. #6
    Quote Originally Posted by real Troll View Post
    @ Ianus
    Ich halte Stereotypenbildung für einen sehr fruchtbaren Ausweg aus der Simpelklemme der Handlung. Es ist nur sehr schwierig darstellbar, wie sich ein Computerheld seine Welt denkend aneignet. Den schrulligen Charme eines "Herrn Lehmann" oder die wehmütige Vergänglichkeit im "Radetzkymarsch" kann ich mir nur als Buch denken; Spiele schaffen es nicht, in diesen Gütebreich vorzustoßen. Allenfalls könnte man einmal mit verschiedenen Farbgebungen experimentieren, um unterschiedliche Gemütsregungen des Helden anzuzeigen - Verliebtsein taucht natürlich alles in rosarot, Wut und Zorn lassen die Welt in dampfendem Rot erstrahlen, Neid ... tja, grün oder gelb? Mit Bildern ist aber nicht alles zu sagen und der Textmenge ist in einem Spiel aus guten Gründen eine Grenze gesetzt.
    Wie der Held die Welt sich aneignet ist allerdings auch scheißegal. Der Spieler ist es, der sich die Welt aneignen sollte, deswegen die Stereotypen. Wenn du ähnlich des Romanes eine spezifische Sichtweise auf die Welt darstellen willst, so wirkt sich dies IMO auf das Spielsystem und die Darstellung aus. Aber um visuell, beim Schatz an Metaphern, auf eine Stufe mit einem klassischen Roman zu kommen, müsste man fast ein Spiel im Anleihen bei Max Ernst machen. Es gibt Paralellen zwischen moderner Kunst und dem Roman, aber wie Eingängig ist Une semaine de bonté denn?

    Ein gewisses Spiel mit Stereotypen würde auch einen Zugang zu einer tieferen Charakterzeichnung ermöglichen. Der Hauptcharakter im Mann Ohne Eigenschaften und einige Nebencharaktere definieren sich z.B. als Stereotypen und auch Dorian Grey und der Graf, der ihm so schlechten Rat erteilt definieren sich von sich selbst aus als Stereotypen. Im Falle von Dorian durchbricht er den seinigen aber z.B. durch seine ungemeine Liebenswürdigkeit.
    Den Unterschied zwischen der Art, wie man über jemanden spricht und wie er sich dann in der tatsächlichen Begegnung gibt hat IMO einen Raum, der auch für Spiele nutzbar wäre.

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    Da man also kaum einen facettenreichen Helden während eines Spiels entwickeln kann, greift man eben direkt die Spielererwartungen auf und setzt ihnen etwas vor, das sie auch ohne einführende Bemerkungen annehmen können: Klischees und Stereotype. So bleiben wenigstens Reststumpfen und Ansätze von Charaktermerkmalen im Spiel und das Spiel kann ein Spiel bleiben, ohne sich als gescheiterte Romansimulation bewiesen zu müssen. Und mit ein wenig Ironie und ein paar eingestreuten Subtexten - so wie aktuell in "Sonnenschauer" - lassen sich die schlimmsten Auswüchse des Trivialen sogar umgehen. Simpel bleibt es trotzdem; das schließt meine "Allreise" natürlich mit ein.
    Weißt du, es gibt auch einen Unterschied zwischen zitieren und erfüllen. Dein Hauptmann z.B. zitiert den Stereotyp des Hauptmannes nur, aber er erfüllt ihn nicht bis zur Gänze. Täte er dies, wäre das Spiel effektiv unerträglich, da er nur über Pferde, seine Kameraden und über schneidige Soldaten reden würde. Der Stereotyp ist bei dir schon dadurch gebrochen, dass du ihn an vielen Stellen an deine eigene Weltsicht angepasst hast anstatt ihn als ganzes zu erhalten. Das ist mehr als Ironie.

  7. #7
    @ Ianus
    Gerade weil es eben der Spieler mit seiner knopfdruckgesteuerten Figur ist, der sich die Welt erfahrbar macht, sind der Handlung enge Fesseln angelegt. Das ist gerade der Punkt. Die Handlung bewegt sich in den Gameplaygrenzen, die Enter, Pfeiltasten und ESC zulassen.
    Den Spieler auf seinen eigenen Erwartungshaltungen auflaufen zu lassen ist sicher eine Möglichkeit, eine überraschende Wendung einzubauen (Wer ist der Mörder? Ist Kuttenmann wirklich der Bösewicht?) aber dieses Mittel ist natürlich arg schematisch und verbraucht sich bei gehäuftem Einsatz zu schnell, als dass ihm nun gleich heilsbringende Qualitäten, die jeglicher Flachhheit sogleich olympische Höhen verliehen, zuzuschreiben wären.


    Quote Originally Posted by Ianus View Post
    Weißt du, es gibt auch einen Unterschied zwischen zitieren und erfüllen. Dein Hauptmann z.B. zitiert den Stereotyp des Hauptmannes nur, aber er erfüllt ihn nicht bis zur Gänze. Täte er dies, wäre das Spiel effektiv unerträglich, da er nur über Pferde, seine Kameraden und über schneidige Soldaten (...)
    Ich freue mich immer, wenn mir jemand erklärt, was ich eigentlich gemeint hatte. Was Du als beabsichtigtes Stereotyp zugrunde legst, geht allerdings fehl. Sicher, die Uniform blendet, auch der Casinojargon tut sein übriges. Aber bei Mackwitz habe ich mir den Spaß erlaubt, einen Standardschergen aus Filmen wie Indiana Jones oder der Quatermain-Reihe (ja, die richtig gute mit dem Schauspieltitanen R. Chamberlain) als Helden zu besetzen. Er ist weitaus bruch- und subtextloser, als Du meinst. Aber das sagte ich bereits, Du neigst dazu, die Welt als tiefensinnerfülltes Ganzes auffassen zu wollen und bläst so manches Ding über sein Maß auf. Der Hauptmann ist übrigens Leutnant, für ersteren ist er noch nicht 40-50jährig genug (Gewöhnlich stieg man damals nur sehr langsam im Rang auf).

    Quote Originally Posted by Ianus View Post
    ... dass du ihn an vielen Stellen an deine eigene Weltsicht angepasst hast ...
    Den Halbsatz hier fand ich am interessantesten. Ich meine nämlich, Rollenspiele folgen einer zu starken Eigenlogik, als dass sie eine größere Bandbreite an Weltbildern abbilden könnten. Sie setzen gestaltungsmächtige Individuen in den Mittelpunkt, Weltenretter, und reden so dem Wert des Einzelnen den Mund. Kollektivideologien von links lassen sich besser in Strategiespielen (Siedler, Civilization) einpflanzen, konservative Anschauungen kämen wohl erst dann zur Anwendung, wenn die Spiele so komplex werden, dass sie kaum noch überblick- und steuerbar wären; also gar nicht. Nimmt man das Material ernst, mit dem man arbeitet, muss man geradezu zwangsläufig einem RPG ordentlich Liberalismus einimpfen.

  8. #8
    Quote Originally Posted by real Troll View Post
    @ Ianus
    Gerade weil es eben der Spieler mit seiner knopfdruckgesteuerten Figur ist, der sich die Welt erfahrbar macht, sind der Handlung enge Fesseln angelegt. Das ist gerade der Punkt. Die Handlung bewegt sich in den Gameplaygrenzen, die Enter, Pfeiltasten und ESC zulassen.
    Den Spieler auf seinen eigenen Erwartungshaltungen auflaufen zu lassen ist sicher eine Möglichkeit, eine überraschende Wendung einzubauen (Wer ist der Mörder? Ist Kuttenmann wirklich der Bösewicht?) aber dieses Mittel ist natürlich arg schematisch und verbraucht sich bei gehäuftem Einsatz zu schnell, als dass ihm nun gleich heilsbringende Qualitäten, die jeglicher Flachhheit sogleich olympische Höhen verliehen, zuzuschreiben wären.
    Das Buch bewegt sich überhaupt nicht und der Film läuft nur von hinten nach vorne im immer gleichen Tempo ab. Trotzdem haben sie deiner Meinung nach mehr Potential? Die Tiefe kommt bei beiden nicht aus den Bedienungsmöglichkeiten.

    Es ist eine Möglichkeit, keine Lösung. Der Sinn von Stereotypen ist IMO ja, die Figur und die Handlung lesbar zu machen - es geht um den Einstieg, darum das der Spieler vertrautes entdeckt und aufspringt. Der Punkt des Absatzes war, dass Stereotypen IRL oft von Personen verwendet werden, um sich selbst zu charakterisieren. In welcher Art sie die Anforderungen des Stereotyps dann zu erfüllen suchen zeigt dann ihre Persönlichkeit. Jeder möchte ein Held sein, aber wie ist man Held, wenn keine Abenteuer da sind und und der Geldbeutel leer ist? Manche würden sich zu einem Held der Arbeit machen, andere zu einem Held des Widerstandes. In diesen Permutationen entsteht IMO Persönlichkeit.

    Wenn ich da z.B. an Humbert Humbert denke - er selbst gibt sich als gebildeter Europäer und das ganze Buch ist mehr oder weniger ein Versuch, das und seine Obsession mit Lolita unter einen Hut zu bringen. Er spricht als Gebildeter, er stellt sich nach Außen hin als Gebildeter dar und man kauft ihm das ab. Die meisten Leute handeln wie er. Stereotypen sind für echte Personen so etwas wie eine Hautbräune - sie möchten sie gerne und sie arbeiten darauf hin, aber sehr geht sie eben nicht. Unter der Zvilisationsmaske lauert die Natur und die wilden Säfte, um zwei weitere Stereotypen zu zitieren.
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    Ich freue mich immer, wenn mir jemand erklärt, was ich eigentlich gemeint hatte. Was Du als beabsichtigtes Stereotyp zugrunde legst, geht allerdings fehl. Sicher, die Uniform blendet, auch der Casinojargon tut sein übriges. Aber bei Mackwitz habe ich mir den Spaß erlaubt, einen Standardschergen aus Filmen wie Indiana Jones oder der Quatermain-Reihe (ja, die richtig gute mit dem Schauspieltitanen R. Chamberlain) als Helden zu besetzen. Er ist weitaus bruch- und subtextloser, als Du meinst. Aber das sagte ich bereits, Du neigst dazu, die Welt als tiefensinnerfülltes Ganzes auffassen zu wollen und bläst so manches Ding über sein Maß auf. Der Hauptmann ist übrigens Leutnant, für ersteren ist er noch nicht 40-50jährig genug (Gewöhnlich stieg man damals nur sehr langsam im Rang auf).
    Ich kenne nur den Inhalt meines eigenen Kopfes, weißt du. Ich bezog mich auf das 19. Jahrhundert und dessen Offiziersbilder. Für uns Österreicher sind das schneidige Leutnants mit süßen Mädels und der Woyzeck. Die Volksaufstände für die Demokratie und die Offiziere, welche diese unterstützten sind bei uns keine Berühmtheiten. Es wäre sowieso höchst bizarr für den modernen Geschmack, einen freimaurerischen Offizier o.Ä. zu präsentieren.

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    Den Halbsatz hier fand ich am interessantesten. Ich meine nämlich, Rollenspiele folgen einer zu starken Eigenlogik, als dass sie eine größere Bandbreite an Weltbildern abbilden könnten. Sie setzen gestaltungsmächtige Individuen in den Mittelpunkt, Weltenretter, und reden so dem Wert des Einzelnen den Mund. Kollektivideologien von links lassen sich besser in Strategiespielen (Siedler, Civilization) einpflanzen, konservative Anschauungen kämen wohl erst dann zur Anwendung, wenn die Spiele so komplex werden, dass sie kaum noch überblick- und steuerbar wären; also gar nicht. Nimmt man das Material ernst, mit dem man arbeitet, muss man geradezu zwangsläufig einem RPG ordentlich Liberalismus einimpfen.
    Stimmt nicht unbedingt. Die linke Geschichtstheorie ist extrem stark deterministisch - bei ihnen gibt es keine Alternative. Eine linke Simulation würde eher beinhalten, dass man zwischen mehreren Interessengruppen jongliert und jedesmal bestraft wird, wenn man nicht die Linke unterstützt - denn so sehen sie die Welt.
    Wenn du die französische linke Ideologie nimmst, hast du ein noch stärker deterministisches Universum vor dir - denk nur mal an Michel Foucault und seiner unausweichlichen Entwicklung zu mehr Überwachung und Zwang.
    Liberalismus ist eine konservative Anschauung, btw, wir übersehen das nur, weil wir in einer extrem linken Situation leben. Die Zeit des Wirtschaftsliberalismus war eine sozial konservative und die Frucht des Liberalismus ist aus dem Boden erwachsen, den Machiavelli gepflügt hat. Im Kern hat der Liberalismus nichts gegen einen starken Staat, er besteht nur auf der Trennung zwischen einem Bereich des Individuums und einem des Staates. Diese Perspektive ist allerdings eher nebensächlich in Spielen, da der Staat in diesen Erzählungen eigentlich keine Rolle spielt.
    Die Geschichte als Geschichte großer, wirkungsmächtiger Personen ist ebenfalls eine konservative Perspektive. So erzählen all die rechten Historiker die Vergangenheit. Andererseits würde dies aber wiederum beihalten, dass man auch die Geschicke des "Bösen Gegners" lobt. Denn auch er ist eine wirkungsmächtige Persönlichkeit
    Liberal sind die Erzählungen in Spielen nur insofern, wie sie möglichst wenig Fremdeinfluss in die Geschichte zulassen wollen.

  9. #9
    @ Ianus
    Natürlich haben Bücher Gameplay. Du musst die Augäupfel möglichst koordiniert die Zeilen entlangwandern lassen und im Actionelement gilt es, im richtigen Moment umzublättern. Zum Glück lässt sich davon aber auch absehen, Bücher sind - im Unterschied zu Spielen - nicht vorrangig bedienungsorientiert. Es sei denn, die neuen E-Books müsste man schütteln, wenn sie wilde Abenteuersequenzen beschreiben, um weiterlesen zu können. Wie schon oft gesagt, können Spiele nur das erzählen, was sich steuern, lenken, anklicken lässt. Darin liegt im Unterschied zum Buch ihre Grenze der darstellbaren Thematik.
    Stereotypen sind in den flachen Ebenen der Spielehandlungen oft die einzigen wahrnehmbaren Erhebungen. Spiele können es sich kaum leisten, zart zu weben, sie müssen auf die plumpen (und sehr effektiven) Weltaneignungsmittel zurückgreifen, Stereotypen eben, um inmitten des Gameplay überhaupt handlungsrelavante Pflöcke einschlagen zu können, die der Spieler bemerkt.

    Siedler ist das linksradikalste Spiel, das ich kenne. Ein entpersönlichtes Kollektiv marschiert in strikter Planwirtschaft heilsgewiss gegen den Nachbarn, um auch ihn zu beglücken. Aber ich wusste schon immer, dass Kommunisten und Borgs keinen Grund hätten, miteinander zu fremdeln.
    Liberal und konservativ mag vom Ypsilanti-Standpunkt sicherlich alles eine Sauce sein, aber falls Du irgendwann die Muße hast, die Methodik beider Anschauungen zu vergleichen, wirst Du womöglich einen Unterschied bemerken. Einen fundamentalen sogar.

  10. #10
    Quote Originally Posted by real Troll View Post
    Zum Glück lässt sich davon aber auch absehen, Bücher sind - im Unterschied zu Spielen - nicht vorrangig bedienungsorientiert. Es sei denn, die neuen E-Books müsste man schütteln, wenn sie wilde Abenteuersequenzen beschreiben, um weiterlesen zu können. Wie schon oft gesagt, können Spiele nur das erzählen, was sich steuern, lenken, anklicken lässt. Darin liegt im Unterschied zum Buch ihre Grenze der darstellbaren Thematik.
    Und warum das? Bzw wieso sollte es eine Grenze für die Dinge geben, die man anklickbar gestalten kann und wo liegt die?

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