@ Ianus
Ich halte Stereotypenbildung für einen sehr fruchtbaren Ausweg aus der Simpelklemme der Handlung. Es ist nur sehr schwierig darstellbar, wie sich ein Computerheld seine Welt denkend aneignet. Den schrulligen Charme eines "Herrn Lehmann" oder die wehmütige Vergänglichkeit im "Radetzkymarsch" kann ich mir nur als Buch denken; Spiele schaffen es nicht, in diesen Gütebreich vorzustoßen. Allenfalls könnte man einmal mit verschiedenen Farbgebungen experimentieren, um unterschiedliche Gemütsregungen des Helden anzuzeigen - Verliebtsein taucht natürlich alles in rosarot, Wut und Zorn lassen die Welt in dampfendem Rot erstrahlen, Neid ... tja, grün oder gelb? Mit Bildern ist aber nicht alles zu sagen und der Textmenge ist in einem Spiel aus guten Gründen eine Grenze gesetzt.
Da man also kaum einen facettenreichen Helden während eines Spiels entwickeln kann, greift man eben direkt die Spielererwartungen auf und setzt ihnen etwas vor, das sie auch ohne einführende Bemerkungen annehmen können: Klischees und Stereotype. So bleiben wenigstens Reststumpfen und Ansätze von Charaktermerkmalen im Spiel und das Spiel kann ein Spiel bleiben, ohne sich als gescheiterte Romansimulation bewiesen zu müssen. Und mit ein wenig Ironie und ein paar eingestreuten Subtexten - so wie aktuell in "Sonnenschauer" - lassen sich die schlimmsten Auswüchse des Trivialen sogar umgehen. Simpel bleibt es trotzdem; das schließt meine "Allreise" natürlich mit ein.

@ Kelven
Klar sind Filme und Spiele verwandter, aber erstens geht es hier ja um generalisierende Aussagen (Sind Spielehandlungen thematisch beschränkt und vorhersagbar?), so dass es ganz gut tut, zu sehen, was eigentlich prinzipiell in anderen Medien möglich wäre und zweitens würde mMn eine reine Engführung zwischen Film und Spiel letzteres unnötig herunterziehen; ich halte Spiele für überlegender - zumindest wenn ich auf das für mich Wesentliche blicke, die Fähigkeit, zu unterhalten.
Ich habe nun weder eine ausgereifte Theorie noch einen Kriterienbaukasten, um hier eine Messapparatur aufstellen zu können, die sagt, ab welchen Grenzwerten eine Handlung nicht mehr simpel, sondern ausgereifter oder sogar tiefgehend sei. Aber Dein Beispiel der Charakterinteraktion würde ich nicht als irgendwie wertsteigernd ansehen, wir reden hier schließlich, um beim konkreten Beispiel zu bleiben, von Männchenanklicken und gelegentlichem Einsatz von Zwischennachrichten für den Spieler.
Um Spiele im Bereich Handlung aufzuwerten, müsste man genau das abschwächen, was diese Grenzen setzt: Gameplay. Und für mich sind gerade die Fragen des Spielzuschnitts der Hauptunterhaltungsquell bei einem Spiel. Aber Du hast ja selbst geschrieben, welche Sackgassen auf so eine Scheinalternative (spielbarer Roman) lauern.