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Puppet Vampire
Einige Dinge ließen sich wohl nie vermeiden.
So wie auf den Regenguss unweigerlich der Sonnenschein folgte – auch wenn dies eine äußerst idealisierte und romantische Vorstellung war – so schien es wohl ebenso unvermeidlich, der nahe gelegenen Stadt einen Besuch abzustatten.
Eine äußerst ärgerliche Lage, die durch die Umstände, die zu ihr führten, noch ärgerlicher wurde. Eine einfache Banalität – Kleidung, die zu flicken und auszubessern kaum noch möglich war – trieb ihn aus der Abgeschiedenheit und Einsamkeit seiner Hütte tief im Niemandsland und direkt in die Arme der so genannten „Zivilisation“. Allein wenn er an dieses Wort dachte – „Zivilisation“ – schmeckte er bittere Galle in seinem Mund. Eine Gesellschaft, in der Raub, Mord, Hass, Feindschaft, Rassismus und Selbstsucht das Bild prägten, besaß die Arroganz, sich selbst als „zivilisiert“ zu bezeichnen. Er lachte trocken.
Auch wenn er vor mehr als einem Jahrzehnt noch selbst Teil dieser Gesellschaft gewesen ist – solche Züge hatte er nie besessen. Seine Eltern ebenfalls nicht. Wenn sie diese Züge auch nur in einem geringen Maße entwickelt hätten, wäre vielleicht jener Abend nie geschehen – und er wäre jetzt wohlmöglich Teil dessen, was er vollends verabscheute. Zwar nicht von ganzer Seele oder ganzem Herzen, doch mit einem Grad der Abscheu, die weit über die normale Abneigung hinaus geht. Auf der anderen Seite aber nicht so ausgeprägt, als dass man ihn Menschenhass oder Gesellschaftsfeindlichkeit unterstellen konnte; zumal er nicht einmal etwas gegen die Menschen an sich hatte – er hatte nur etwas gegen den allgemein vorherrschenden Usus.
Mit einem Kopfschütteln versuchte er, die Gedanken zu vertreiben; wer in den Schweinestall ging, sollte sich nicht zu sehr über den Dreck aufregen. Ein zynischer, wenn auch ungewöhnlich treffender Vergleich, wie Marxzes mit ironischem Lächeln bemerkte. Sein Blick schweifte, von der Kuppe eines kleinen Hügels auf dem er stand, über die sich unter ihm ausbreitende Stadt. „Ein gewaltiger Schweinestall…“, murmelte der hochgewachsene Mann in sich hinein und schlang seinen Umhang etwas enger um sich, bevor sich seine Füße in Bewegung setzten. Irgendwann würde sicher die Zeit kommen, da diese Ställe gesäubert werden würden. Er wusste zwar nicht wann, wie und durch wen, doch es würde geschehen, dessen war er sich sicher. Und er war sich ebenso sicher, dass die „zivilisierte“ Gesellschaft dies erst dann wahrnehmen würde, wenn ihnen bereits das Messer die Kehle durchtrennt hatte.
Mit diesem Gedanken, der ihn – auf eine seltsame Art und Weise – beflügelte, folgte er den sich windende Pfad, der ihn gradewegs in die Stadt führen sollte…
Geändert von Simon (24.10.2008 um 09:12 Uhr)
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