nun, abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass sich die menschheit überhaupt dahingehend entwickeln kann, was vor allem in ihrer natur begründet ist, um den wunderbar diskussionswürdigen begriff der natur des menschen einzubringen, stellt sich mir auch die frage, inwieweit so eine entwicklung überhaupt erstrebenswert ist...

<< Der neue Mann und die neue Frau werden nicht das Bedürfnis haben, gebraucht zu werden>>

dieser satz impliziert, dass es schlecht ist, das gefühl zu haben, gebraucht zu werden. dem kann ich mich nicht anschließen. imo ist es gerade dieses gefühl, dass den menschen ausmacht und seiner existenz einen sinn gibt - soweit man davon sprechen kann. wenn der mensch aufhört seinen sinn darin zu suchen, wozu ist er dann überhaupt da?

<<und doch wird die Welt sie brauchen, um zu überleben.>>

dies ist mir völlig unverständlich. inwieweit sollte die welt denn vom menschen abhängig sein? soweit ich das sehe, ist sie wahrscheinlich sogar ohne den menschen besser dran. aber vielleicht ist auch dies eine der endlosen selbstüberschätzungen der menschheit, indem entweder die "welt" hier auf die welt der menschen reduziert wird (die sicherlich nicht ohne den menschen existieren kann), oder der mensch hier tatsächlich seine rolle im großen gefüge des universums gnadenlos überschätzt und sich für unentbehrlich hält.
wie gesagt, mir ist völlig unklar, wieso die welt vom menschen abhängig sein sollte. obiger text bleibt ja auch die begründung schuldig.

<<Sie werden gelernt haben, in sich vollständig zu sein. Da wird keine Rede von der besseren Hälfte sein und kein Wunsch, jemandem oder etwas zu gehören, um wertvoll zu sein.>>

und das ist so toll? wieder stellt sich mir hier die sinnfrage. nach diesem gedanken besteht kein bedürfnis, sich in irgendeiner form weiterzuentwickeln, da man ja schon "vollständig" ist. geboren werden - sterben, alles dazwischen ist zeitverschwendung. denn wozu sollte man die zeit nutzen?

<<Sie werden der Konkurrenz absagen, großzügig sein und Situationen schaffen, in denen alle gewinnen.>>

der konkurrenz absagen, heisst, dem größten motor des fortschritts abzusagen. gerade unser wunsch besser zu sein als andere, kann uns erfüllen und uns helfen uns weiterzuentwickeln. situationen, in denen jeder gewinnt, sind gleichzeitig situationen, in denen niemand gewinnt. denn gewinnen kann man nur, wenn es auch einen verlierer gibt.

<<Sie werden in der sichtbaren Welt zu Hause sein, sowie in der Welt, die nur mit Augen der Hoffnung zu sehen ist. Sie werden allem, das Leben fördert, verbunden sein.>>

interessanterweise ist es auch hier sehr generell gehalten. "alles, was leben fördert" kann entweder auch den tod umfassen, da der neues leben/überleben anderer ermöglicht, oder es ist tatsächlich so engstirnig gedacht, dass es ihn nicht mit einbezieht. dann frage ich mich, was "alles was leben fördert" bedeuten soll? klingt mir wie eine sich nett anhörende floskel...

<<Sie werden wissen, dass die Zeit kostbar ist, und trotzdem nicht unruhig und ungeduldig werden. Sie werden realistisch sein und doch die Hoffnung nicht verlieren.>>

gut, hier gibt es tatsächlich nicht auszusetzen, abgesehen von der schwierigkeit der umsetzung natürlich, die aber wie gesagt generell für die hier angesprochenen entwicklungen gilt.

<<Sie sind Menschen der Wahl und der Selbstbestimmung. Sie lassen sich nicht von anderen leben und leben nicht das Leben anderer. Sie haben ihr Leben gewählt. Sie haben sich für Werte entschieden und sie nicht nur geerbt. Sie haben ihre Sorge für den Einzelnen mit ihrer Sorge für die Welt verbunden und opfern die eine nicht für die andere.>>

ach, tatsächlich? mir kommt es so vor, als ob all ihre werte und handlungen in diesem text postuliert sind. wie können sie dann so frei und selbstbestimmt sein? sollen sie sich etwa alle von selbst dazu entwickeln? nun, das wäre nicht nur unmöglich, sondern dank des "sollens" gedanken auch schon eine einschränkung der selbstbestimmung.

<<Sie werden die Hilflosen ehren und den Leidenden helfen. Sie werden mit ihrem Wesen wissen, dass wir eine unzertrennliche Familie sind.>>

was denn, wie soll es denn in der wundervollen welt von morgen noch diese menschengruppen (ich gehe einfach mal davon aus, dass der autor sich hier auf menschen bezieht, denn an etwas anderes denkt er innerhalb dieses textes anscheinend nie) geben? also werden sich entweder die "menschen von morgen" nie ganz durchsetzen (true, imo), oder die existenz ihrer welt ist ein widerspruch in sich. wieso man die hilflosen ehren sollte ist mir auch nicht ganz klar. insoweit es als ehrenvoll behandeln/respektieren gemeint ist, ist es durchaus erstrebenswert. sollte es aber im sinne von "verehren" gemeint sein, ist es widersinnig, da man sie damit über sich selbst stellen würde, was keinen sinn macht.

<<Sie wissen, dass alle wahre Veränderung die Veränderung des Herzens ist, und lassen sich so nicht mit Sprüchen und Lobreden fangen.>>

falsch. alle veränderung beginnt im herzen. bleibt sie jedoch dort, ohne sich real zu manifestieren, ist sie wertlos und es ist, als hätte es sie nie gegeben.

<<Ihr Leben ist ausgewogen, aber nicht ohne Leidenschaft und doch nicht nur ihren Gefühlen unterworfen.>>

klingt zwar in ordnung, ist aber so wie ich das sehe schwer mit den anderen grundsätzen vereinbar. die menschen dieser zeit scheinen mir alles menschliche verloren zu haben und nur noch wunderbar "funktionierende" teile des kollektivs (denn individualismus scheint in dieser welt keinen oder zumindest wenig platz zu haben) in der ach so vollkommenen welt zu sein. ein ausgewogenes leben sehe ich hier auch nicht. vielmehr scheint es mir innerhalb der postulierten werte völlig nichtig dahinzudümpeln.

<<Sie begreifen, dass regieren dienen heißt und echt sein verantwortlich zu werden heißt. Sie verstehen, dass hassen morden ist, erst sich selbst und dann das, was man hasst.>>

regieren kann auch in gewisser weise dienen bedeuten. nie jedoch zur gänze und schon gar nicht, wenn der regierende sich entschließen sollte, seine interessen über die der anderen zu stellen, was zumindest möglich ist. hass generell zu verurteilen mag unter manchen aspekten gerechtfertigt sein, doch auch hass hat seine positiven seiten, da er einen sehr starken antrieb der menschen darstellen kann.

<<Sie werden das durchschauen, was keinen bleibenden Wert hat, und es nicht für sich wählen. Sie werden ihr Leben nicht anfüllen mit dem, was sie entleert und von dem ablenkt, was ihnen wichtig ist.>>

fein, eine weitere generell gehaltene floskel, die keinerlei antworten gibt, auch wenn der inhalt als erstrebenswert anzusehen ist.

<<Sie werden keine Angst vor der Angst haben, weil sie schon lange wissen, dass Einsichten aus der Angst erwachsen können und Einsicht oft der erste Schritt zur Veränderung ist. Ihre Angst lähmt sie nicht, aber sie gibt ihnen eine Dringlichkeit, in der sie sorgfältig und genau arbeiten, mitten in ihrer Vision für eine bessere Welt.>>

welche bessere welt? leben die menschen von morgen denn nicht längst in einem paradies ohne hass, konkurrenz and so on?

<<Sie lassen sich nicht entmutigen von dem Gedanken der Erbsünde, weil sie an den Erbsegen glauben. Ihr Gott hat eine grenzenlose Leidenschaft für die Welt, und von Gott lernen sie diese Leidenschaft.>>

ah, sieh an. gott ist auf die welt zurückgekehrt, das erklärt einiges. "von gott lernen sie diese leidenschaft". das stellt entweder auf die tatsächliche existenz und v.a. auch anwesenheit gottes ab (schwachsinn), setzt eine starke religiösität voraus (schränkt die welt und den individualismus einmal mehr erheblich ein) oder fasst den begriff gottes weiter und begreift gott als eine gedankliche schöpfung der menschen (was er imo ist). in letzterem fall würde der mensch diese leidenschaft (wobei leidenschaft in dieser welt irgendwie deplaziert wirkt) von sich selbst lernen, was den ganzen gottesaspekt ad absurdum führen würde.

<<Ihr Leben besteht aus einem Stück. Sie können nicht hier hassen und dort lieben, sie können nicht gleichzeitig verachten und fördern, sie können nicht blind für eine und unaufmerksam für eine andere Sache sein, weil sie schon lange begriffen haben, dass alles miteinander verbunden ist, weil wir nur ein Herz in uns tragen.>>

traurig, dass die menschen all ihrer vielseitigkeit beraubt werden sollen. warum sollte man nicht hassen und gleichzeitig lieben können? aber in dieser wunderschönen welt ist eben kein platz für alles "negative".

<< Diese neuen Menschen werden eine neue Welt herbeibeten, herbeiglauben, herbeilieben, herbeihandeln. Sie werden nicht aufgeben, auch wenn es finster aussieht. Bedingungslos lieben sie die Welt und wollen sie retten, und nichts wird sie davon abhalten.>>

herbeihandeln ist hier das einzig beachtenswerte, weil alles andere nur vorstufen des handelns sind. davon abgesehen scheint es diese schöne neue welt doch längst zu geben, wo doch der "übermensch" schon existiert...





abschlussbemerkung:
ich weiss, dass ich zumindest stellenweise alles andere als objektiv an diesem text herangegangen bin, aber dieses bild der zukunft scheint mir schlicht nicht erstrebenswert. die "menschheit", soweit man noch davon sprechen kann, hat so vieles verloren und wird in eine rolle gepresst, die dem autor vielleicht genehm sein mag, meinen überzeugungen jedoch zutiefst widerspricht... ich sehe keinen "mensch von morgen". ich sehe nur eine marionette, die sich in die "welt von morgen" einzufügen hat.

auch wenn es offensichtlich sein sollte, so möchte ich doch noch einmal betonen, dass für meinen kommentar natürlich die generalklausel "alles imo" gilt .