Waltz with Bashir

Vorwort
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bis jetzt diesen Film noch nie gesehen hatte. Klar, ich hatte davon gehört, bin in der Videothek öfter an der Box vorbeigelatscht und dachte immer "Hm, hört sich interessant an." - aber im Endeffekt habe ich dann doch alles andere gesehen, auf das ich gerade Bock hatte. Dementsprechend fiel der Film vorerst für mich flach. Also: Bis heute, auf jeden Fall.

Intro
Ihr wisst: Ich bin ein Actionfilm-Fan, der ab und zu mal ein bisschen Anspruch braucht. Da kam es mir relativ recht, dass im "Und dann hast du geheult wie ein Schlosshund"-Thread Mio-Raem (glaub ich?) sagte, dass es ihn beim Ende von Waltz with Bashir fast zerrissen hätte. Ich fragte mich: "Nun, was kann so schlimm sein, dass es einen erwachsenen Mann zum Heulkrampf bringt?". Erstaunlicherweise braucht es gar nicht mal so viel: "Nur" eine extrem großartige Idee, ein wirklich gutes Script, einen tollen visuellen Stil und eine Message, die über alle Ideologien und Bullshit-Verschwörungstheorien hinaus direkt ins Mark geht.

Die Story in Kurzform
Der (israelische) Regisseur Ari Folman spielt sich selbst als Zeichentrickfigur. Sein Kumpel klingelt ihn eines Nachts wach und erzählt ihn von einem Traum: 26 Hunde jagen ihn quer durch eine Straße und verlangen seinen Kopf. Über ein, zwei Ecken hängt das laut dem Kumpel zusammen mit seinen Militär-Erfahrungen im Libanonkrieg in den 80ern. Folman gesteht, dass er sich nicht mehr an seine Dienstzeit im Libanon erinnern kann. Daraufhin startet er eine Selbstfindungsreise, auf welcher er mit ehemaligen Kameraden, Psychologen und Reportern spricht und nach und nach aufdeckt, was er all die Jahre an schrecklichen Erinnerungen verdrängt hatte - vor allem im Bezug auf das Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila.

Die Machart
Waltz with Bashir ist konzipiert als animierter Dokumentarfilm. Dies birgt einige Vorteile: Zum einen kann sich der Regisseur visuell austoben, wie er möchte, ohne dabei den gewünschten Effekt zu verfehlen (zu diesem Effekt kommen wir später noch). Zum anderen wirkt der Film somit wie ein extrem abgefahrener Fiebertraum (vor allem wenn Filmzitate aus Apocalypse Now und Catch 22 eingebaut werden).

Alles wirkt extrem surreal, man sagt sich selbst immer wieder "Okay, es ist ein Zeichentrickfilm! Ich meine: Ein paar dieser Sachen sind bestimmt passiert, aber nie und nimmer so!" Wenn der ehemalige Infanteriekommandant sich ein leichtes MG schnappt, wild um sich schießt und im Hintergrund sanfte Walzertöne spielen - ja, das kann eventuell irgendwie nicht ganz echt wirklich so gewesen sein, so denkt man.

Bis...

Bester Moment
... die letzten 90 Sekunden dem Zuschauer endgültig sowohl das Herz als auch den Zuschauer an sich brechen.



Schlechtester Moment
Die Vergleiche, die zwischen dem Massaker in den Flüchtlingslagern und dem Verhalten der Israelis den Palästinensern gegenüber zu Nazis und Juden während des Zweiten Weltkriegs gemacht werden.

Meiner Meinung nach geht der Vergleich fast beinahe in die richtige Richtung (weil der eine den anderen aus ideologischen Gründen ständig auszurotten versucht), aber ich finde, dass das in diesem Film - einem Antikriegsfilm, der sich ansonsten über jegliche Grenzen hinwegzusetzen versucht - absolut deplaziert wirkt. Tut mir leid, aber was zwischen Palästinensern und Israelis abgeht, ist auf keinster Art und Weise mit dem Verhalten der SS den Juden gegenüber zu vergleichen.

Ich glaube, dass der Regisseur hier nur auf den Schockeffekt zielte, um die Israelis (die im Prinzip stille Beobachter beim im Film besprochenen Massaker waren) nicht gänzlich unschuldig an der Tat aussehen zu lassen. Doch bei mir ging der Schuss gewaltig nach hinten los, weil das eine (Nazis/Juden) eine ideologische Sache war, die von einem durchgeknallten impotenten Österreicher ausging, während die andere Sache (Israelis/Palästinenser) auf eine Jahrzehnte-alte Debatte zurückzuführen ist, welcher Partei wieviel Land gehört von dem Fleck, auf dem sie beide hocken.

Dementsprechend - als der Vergleich mehr oder weniger laut ausgesprochen wurde - saß ich hier und dachte nur "Ey, bull-fucking-shit! Wofür war das jetzt gut?!" Eindeutig der schlechteste Moment.

Bodycount
Bei solchen Filmen zähle ich bestimmt nicht den Bodycount mit, seid ihr doof?

Szenen von Massenmorden, Drive-By-Shootings, Guerrilla-Kämpfen, Genozid der schlimmsten Sorte. Ja, also nein. Diese Kategorie ist nur für Actionfilme reserviert.


Epischer One-Liner
Flashback-Soldat: Was sollen wir machen? Warum sagst du uns nicht, was wir machen sollen?
Flashback-Ari: Schießen.
Flashback-Soldat: Schießen? Auf wen?
Flashback-Ari: Keine Ahnung, schieß einfach.
Flashback-Soldat: Sollten wir nicht eher beten?
Flashback-Ari: Na, dann bete beim schießen!

Jupp.

Fazit
Großartiges Stück über menschliche Urängste vorm Versagen, vorm Tod, vor der Vergangenheit und natürlich eine großartige Abhandlung über den Krieg, ohne dabei lächerlich oder parteiisch zu wirken. Zudem wird das Ganze abgerundet mit einem der abruptesten, schockierendsten, ergreifendsten und besten Filmenden aller Zeiten.

9/10