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Ritter

HOTEL LUX
Ja, gestern Abend im Kino gesehen und für "gut" befunden. Das Genre ist irgendetwas zwischen Drama, Satire und Komödie und - ach ja - Historienfilm...
1933: Hans Zeisig und sein bester Freund Siggi Meyer arbeiten als Komikerduo in einem Berliner Varieté-Theater. Ihre Rollen: Hitler und Stalin. Irgendwann wird den beiden der Boden zu heiß und so muss auch Hans Zeisig fliehen. Sein Ziel ist Amerika, Hollywood und sein Traum Filmschauspieler. Anstelle dessen landet der (unpolitische) Komiker jedoch in Moskau, im berüchtigten Hotel Lux (dass es auch wirklich gab und kommunistische Funktionäre während des zweiten Weltkrieges beherbergte, siehe Wiki/Lux_(Hotel)) und trifft auf jede Menge geschichtsträchtige Persönlichkeiten, u.a. auch der Gruppe Ulbricht. Dort trifft er auch die Liebe seines Lebens wieder, eine holländische Kommunistin...
Ab dem Zeitpunkt im Hotel überschlagen sich die Ereignisse und die Handlung wird wenig vorhersehbar und strotzt voller toller Ideen und spannenden Wendungen - bleibt jedoch stets voll Situationskomik, trotz der ernsten Thematik.
Hotel Lux ist ein sehr, sehr sarkastischer Film mit starken Charakteren und etwas sehr, sehr schwarzem Humor.
Da der Film auf wahren Begebenheiten beruht und viele historische Charaktere mit einbindet, verschleiert er auch nicht die brutale Gewalt, die zu dieser Zeit vorherrschte, sondern zeigt in aller Deutlichkeit die auf das Hotel bezogenen Auswirkungen von Stalins grausamer Säuberungsaktion. Man darf sich also nicht wundern, dass hier das ein oder andere Mal Blut spritzt - auch menschliches. (Der Film ist allerdings nicht wirklich brutal.)
Geführt wird die Handlung von den zwischenmenschlichen Beziehungen der Hauptfiguren. Dabei sind die Schauspieler wirklich erstklassig. Michael "Bully" Herbig hat mich sogar sehr überrascht, dass er die ernsthafte und ausgefallene Rolle von Hans Zeisig so dermaßen passend verkörperte, dass man denkt, dies wäre er selbst. (Vielleicht war's auch so.) Auf jeden Fall prima: die Rolle eines sympathischen (Anti-)Helden, den man auch wirklich mögen muss. Er ist sehr charmant, extrem redegewandt und ehrlich und versucht immer größerem Ärger aus dem Weg zu gehen, sofern es sich nicht um ein gewisses weibliches Wesen handelt. Da nämlich lässt er seinen Verstand einfach eiskalt links liegen.
Dazu gesellen sich noch Frida, die kommunistische Holländerin, die in allen Belangen sehr überzeugend ist und wirklich sehr süß... nunja, auch der Meyer-Kollege ist erste Sahne, vor allem seine Hitler-Rolle ist der Brüller. Die Chemie zwischen den drei Hauptfiguren funktioniert prächtig.
Aber auch die Nebenfiguren sind Spitzenklasse. Stalin und Jeschow verbreiten einerseits Angst und Schrecken und doch ist auch ihre (überzeichnete) menschliche Seite sehr gut herausgearbeitet worden. Auch noch erwähnen möchte ich die anderen Gäste des Hotels: Das Ehepaar Ulbricht überzeugt mit seinen Eigenheiten. So ist Walter von der Stimme her exzellent getroffen und charakterlich so idealistisch dargestellt, wie man es von ihm erwartet. (Seine Mauer hat für rund 30 Jahre ja größten Kummer über das geteilte Deutschland gebracht. Im Film ist der Charakter hingegen weniger gefährlich, sondern eher lustig.)
Damit kommen wir zum Herzstück des Films, dem Humor. Dieser entsteht meist aus der Situation heraus und zeigt vor allem die Charaktere in ungewöhnlichen Posen. Stalin selbst sitzt bei den Audienzen mit Hans Zeisig auf der Schüssel, weil er Angst hat, abgehört zu werden - das Wasser läuft ununterbrochen. Hinter dem Duschvorhang in der Badewanne steht dann noch ein Dolmetscher. Das Wasser läuft im Film übrigens öfters - immer wenn Gespräche nicht belauscht werden sollen, werden die Hähne bis zum Anschlag aufgedreht - der Kommentar eines ahnungslosen Hans Zeisigs: "Habt Ihr zu viel Wasser hier?" Dann gibt es da noch die Tagungen im Hotel, bei denen alle Kommunisten immer pauschal mit "Ja" abstimmen, noch bevor die Fragen komplett vorgelesen wurden, ganz gleich ob es sich um ernsthafte Themen, wie länderpolitische Entscheidungen oder eher seichten Sachen, wie eine Silvesterfeier handelt. Nicht zu vergessen, die unterschiedlichen kommunistischen Gruppen, die bei Verhören erwähnt werden. "Sie gehören doch zur Internationalen sozialistsch-trotzkistischen Vereinigung?" - "Nein, zur sozialistisch-kommunistischen stalinistischen Liga..." - "Oder doch zur trotzkistischen kommunistischen und proletaristischen Vereinigung?" - "NEIN! Sondern zur sozialistisch-kommunistischen stalinistischen Liga..." - "Oder zur trotzkistischen Partei der freien..." Ja, und so weiter... Herrlich! Vokalem wenn das so schnell ausgesprochen wird, wie im Film...
Die Handlung ist so eine Sache. Der Film ist im Grunde sehr ernst - die Thematik nicht unbedingt lustig. Mir ist selbst das Lachen ab und an im Halse stecken geblieben, so überrascht war ich manchmal von den Wendungen, welche lustig beginnen sollten und dann ziemlich grausam wurden - meist noch mit einem zynischen Kommentar. Aber das zeichnet ja das Satire-Genre aus und das finden wir im Film ebenfalls. Ansonsten ist die Handlung ein stets spannendes mit Thrilleranleihen versehenes Historienmelodram, welches durch wirklich ausgesprochen ungewöhnliche Wendungen unvorhersehbar wird. Man merkt allerdings auch, dass hier oftmals ein wenig zu dick aufgetragen wurde - nicht nur ein fast zu flottes Erzähltempo, sondern auch ein nicht ganz roter Faden bringen etwas Konfuses in den Film. Zudem sind die Wendungen in Detailszenen oftmals ein wenig krass (wobei das beabsichtigt ist und mutig), was ich aber nicht so schlimm finde. Hier wurde sich eben einfach mal sehr viel getraut und das ist aufgrund vieler weichgespülter und zu harmloser Satiren der letzten Jahre eine willkommene Abwechslung.
Insgesamt ist der Film wirklich den Kinobesuch wert - er ist von der technischen Seite (Ausstattung, Setting) in Ordnung - lediglich die etwas statische Kameraführung hätte dynamischer ausfallen können. Die Schauspieler glänzen, das Ensemble ist aufeinander abgestimmt, die Handlung ist wendungsreich, der Humor kohlrabenschwarz und doch irgendwo wieder charmant (bis auf die geschmacklosen Ausnahmen) und das ganze verpackt zu einem sehr frechen kurzweiligen Kinofilm. Wenn ich Punkte geben soll, dann bekommt er so ca. 8 von 10 Punkten, wobei das für jeden hier im Forum ein wenig anders ist. Deswegen kriegt der Film von mir die Range 7 bis 9 Punkte von maximal 10. Genauer KANN man diesen Film NICHT bewerten.
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