Etwas außer Atem erhob sich der Schwarze Mönch, griff nach seinem Silberschwert und steckte es in die Schlaufe an seinem Gürtel. Er fuhr nocheinmal leicht über die Wunde und konnte dabei das unnatürliche Pochen spüren. Mithrandil schüttelte sich einmal vor Unbehagen, und wandte sich dann wieder Richtung Gang. Die Zeit drängte vielleicht, oder auch nicht, er wusste es nicht, der Mönch hatte das Zeitgefühl verloren, in so kurzer Zeit. Diese Ruinen waren einerseits unheimlich, andererseits faszinierend, stellte er fest.

Der weitere Weg war dunkel und feucht, zudem zog ein sanfter kühler Wind an ihm vorbei. Als der Schwarze Mönch die nächste Halle erreichte, kam Erleichterung in ihm auf, sie war ihm bekannt. Dann mischte sich ein anderes Gefühl hinzu, Verzweiflung, denn er wusste nicht, woher er diese Halle kannte. Hatte er sie am Anfang gesehen, oder erst vor ein paar Stunden, alles war möglich. Vielleicht ist er im Kreis gelaufen, und nun genauso weit wie vorher. Mithrandil versuchte die schlechten Gedanken zu unterdrücken, und machte sich Mut.

Ein warmes Gefühl durchströmte ihn, und gab ihm aus irgendeinem Grund Zuversicht, dass es der richtige Weg sei. Er öffnete eine seiner Taschen und schaute auf die Kugel, die in einem matten, blauen Licht leuchtete. Der Mönch schüttelte den Kopf, und verschloss das Lederbehältnis wieder. Die Halle hatte mit dem Gang, aus dem er kam, drei Ausgänge. Mithrandil entschied sich blindlings für den rechten und verschwand in ihm. Das grünliche Licht, das von der Hand des Schwarzen Mönches ausging, leuchtete ihm den Weg.

Plötzlich blieb er stehen. Es schien ruhig, und doch war da etwas. Mithrandil lauschte und schwächte seinen Licht Zauber ab, sodass er nur noch schwach erkennen konnte, wo die Wände sind. Ein leises Schlurfen und Ächzen war zu hören. „Mist!“, flüsterte er. Dann löste er den Zauber komplett und tastete sich vorsichtig weiter. Ein sanftes weißes Licht war in der Ferne zu erkennen, dann eine Halle, deren Wände mit Ayleidensteinen übersät waren. Der Mönch hielt sich im Schatten und beobachtete den Raum. Einige dieser seltsamen Kreaturen schlurften hin und her, Jaulten und Ächzten. An den Wänden hingen zudem noch ein paar der kokonähnlichen Fleischsäcke. Die braune Haut waberte und war leicht durchsichtig, sodass man einen Blick auf die abscheuliche Brut werfen konnte.

Was sollte er jetzt tun, wie konnte er weiterkommen, dachte sich der Mönch. Zurück wollte er nicht, irgendetwas trieb ihn in diese Richtung voran. Dann fiel ihm etwas ein. Mithrandil machte sich locker, knackste mit den Fingerknöcheln und sprang kurz auf und ab. Sein vorhaben würde ziemlich an seinen Kräften zehren. Der Mönch beschwor nicht oft größere Zauber. Zwar wurden ihm im Kloster einige nützliche Tricks im Bereich der Magie beigebracht, allerdings wusste er eher mit dem Schwert und Stab zu kämpfen, als den großen Magiern nachzueifern. Mithrandil Atmete einmal tief ein, dann faltete er die Hände und begann leise ein paar Worte zu flüstern. Er schob die Handflächen langsam auseinander, und ein kleiner Feuerball bildete sich zwischen ihnen. Dann begann der Schwarze Mönch mit Kreisbewegungen der Hände den Ball zu formen und zu vergrößern.

Der Zauber wuchs und wuchs. Das rötlich gelbe Licht breitete sich um ihn herum aus. Dann holte der Mönch aus und warf den Feuerball nach rechts in einen Gangeingang hinein. Das Geschoss schoss von seinen Fingern los, verbrannte dabei leicht seine Ärmel und raste auf sein Ziel zu. Es Pfiff laut, dann knallte es. Steine flogen umher und eine Rauchwolke breitete sich aus. Die Kreaturen hinkten in die Richtung der Explosion, seine Chance. Mithrandil stürmte nach links, in den anderen Gang. Schnell wob er einen einfachen Lichtzauber, damit er nicht aus Versehen gegen eine Wand laufen würde. Er machte keinen Halt, und lief solange er konnte.

Nach Luft ringend lehnte der Schwarze Mönch an einer Wand und schaute dabei immer wieder in den Gang hinter ihm. Nichts, niemand kam, sein Plan schien aufgegangen. Mithrandil durfte sich nicht ausruhen, er konnte sich nicht ausruhen. Er schien fast da zu sein, jedenfalls fühlte er so etwas in der Art. Etwas außer Atem raffte sich der Mönch auf und entschloss weiter zu gehen. Je weiter seine Füße ihn trugen, umso größer wurde das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Dann begann die Kugel in seiner Tasche zu Vibrieren und Pulsieren. Das Licht wurde stärker und schien durch das Leder hindurch. Zudem wurde das Glasgebilde immer wärmer, es fühlte sich fast so an, als verbrannte es seine Haut. Dann blieb Mithrandil stehen.

Vor ihm, befand sich eine Kammer, in deren Mitte das blau schimmernde Portal war, das ihn und seine Kollegen hier her gebracht hatte. Das Pulsieren und Vibrieren der Kugel schien einen Höhepunkt gefunden zu haben, dann schwächte es langsam ab. Der Mönch kam langsam näher. Die Luft waberte und war heiß. Er hatte es geschafft, noch bevor sich das Portal wieder schloss. Erleichtert atmete Mithrandil auf. Er blickte noch einmal in den dunklen Gang, aus dem er gekommen war, dann trat er in das Licht.

Es gab einen kurzen Ruck, dann stand er auf einmal auf demselben Platz, auf dem er vor dem Betreten der Ruinen gestanden hatte, umringt von einer Menschenmasse. Ein Magier zwängte sich hindurch und kam auf Mithrandil zu. „Willkommen zurück, ich bin froh, dass ihr es heil hier her geschafft habt. Aber, wo sind die anderen?“, fragte der Mann und blickte hinter den Mönch in das Portal. Dieser senkte etwas den Kopf und schien in Gedanken, dann schaute er dem Magier ins Gesicht. „Wir wurden dort unten getrennt. Seltsames geht dort vor. Kreaturen mit denen keiner gerechnet hatte bewohnen die Ruinen. Wir müssen sobald wie möglich einen Rettungstrupp zusammenstellen“, antwortete er. Ein weiterer Magier, der, der ihnen diesen Auftrag gegeben hatte, trat neben den anderen.

Er musterte Mithrandil und blickte ihm dann in die Augen. „Ihr seid zurück wie ich sehe, anscheinend heil. Ich bin sehr an eurem Bericht über eure Erlebnisse interessiert, besonders daran, ob ihr irgendetwas dort unten gefunden habt“, sagte der Magier erwartungsvoll. Etwas Seltsames lag in seiner Stimme, besonders in den letzten Worten die er sagte. Der Schwarze Mönch drehte sich etwas weg, da packte ihn der Mann an der Schulter. „Habt ihr dort unten etwas gefunden?“, fragte er begierig. Mithrandil stupste seinen Arm weg. Die Augen des Mannes waren weit geöffnet und eigenartig finster. „…Nein, habe ich nicht. Tut mir Leid. Vielleicht die anderen, aber dafür müssen sie wir erst einmal retten“, sprach Mithrandil. Nicht mal nach seinen Kameraden hatte der Magier gefragt.

Der Mann fluchte und hieb in die Luft. Er überlegte kurz, dann begann er: „Wir müssen auf der Stelle einen Hilfstrupp zusammenstellen.“ Der Schwarze Mönch schob sich zwischen die anderen Magier hindurch. Als er die Menge durchquert hatte blickte er kurz zurück. Der Mann schien sich fragend umzublicken und durchsuchte die Masse nach dem Mönch. Dieser schlich leicht gebückt zum Tor hinüber. Die Wache davor machte ohne großen Anstand den Weg frei. Mithrandil atmete einmal tief durch als er auf der kleinen Brücke vor dem großen Tor der Kaiserstadt stand. Er hatte vor sich das gleiche Zimmer zu nehmen, welches er vor seiner Reise zur Übernachtung benutzt hatte, vor allem, weil er dort ein paar seiner Sachen liegen gelassen hat.

Mithrandil öffnete die Ledertasche und starrte auf die Kugel. Der zweite Magier schien ziemlich verärgert darüber, dass der Mönch ihm gesagt hat, nichts dort unten gefunden zu haben. War er vielleicht auf diese Kugel aus? Wusste er von ihr? Und wenn ja, woher? Mithrandil strengte seinen Verstand an. Der Kopf begann ihm zu dröhnen. Er brauchte eine Pause, etwas Ordentliches zu essen und einen Krug Met.

Statt die Stadt zu betreten, nahm er den Trampelpfad, der um die Mauer herumführte. Die Sonne verschwand schon langsam hinter den Bergen und hüllte die Welt in ein dämmrig, rotes Licht. Das Wasser glitzerte und spiegelte die Umgebung wieder. Mithrandil war froh wieder an der frischen Luft zu sein. Zwar bedauerte er es, diese Ruinen nicht weiter untersucht zu haben, jedoch war es auch kein leichter Trip gewesen. Vor der Gaststätte blieb er noch einmal stehen und betrachtete den fernen Wald, dessen Baumkronen sich sanft im Wind hin und her wogen. Dann öffnete er die dicke Eichentür und trat in das Gasthaus ein.