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Thema: (Buch)-Wissen ist Macht?

  1. #1

    (Buch)-Wissen ist Macht?

    Ahoi - selten versuche ich mich an tiefgründigen Topics. Meist bin ich eher der Typ, der sich mit profanem Schabernack in Foren auseinandersetzt und zu faul, längere Texte zu schreiben, auch wenn ich ein gewisses Mitteilungsbedürfnis verspüre.

    Doch in letzter Zeit beschäftigt mich das Thema Bücher recht ausgiebig. Kann sein, dass es darauf zurückzuführen ist, dass ich in den nächsten Jahren mein Studium beginnen möchte (dieses Jahr Fach-Abi gemacht an der FOS, kommendes Jahr allg. Abitur an der BOS und dann Zivi resp. Studium) oder dass in meinem Hirn einfach ein bestimmter Schalter umgelegt wurde. Wovon ich hier rede?

    Nun, einfach ausgedrückt geht es mir um die Akkummulation von Bücherwissen. Dazu muss ich sagen, dass ich nie der traditionelle Bücherwurm war. Schulliteratur hat mir schon relativ früh den Spaß am Lesen verdorben. Vor einigen wenigen Jahren hab ich dann das Internet für mich entdeckt und auch so zu meinem Hobby "RPGs & Fantasy" gefunden. Damit hab ich auch angefangen diverse Fantasy-Romane zu lesen (von R.A. Salvatore bis zu George R.R. Martin). Das erste Mal hat mir Lesen ansich Spaß gemacht, was sicherlich meiner kreativen Ader in diversen Rollenspielforen zuträglich war.

    Seit diesem Schuljahr hab ich aber eine andere Sicht der Dinge erhalten, was Bücher ansich betrifft. Ich will es nicht Erkenntnis nennen, aber ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass ich "aktiv" werden muss - die Fähigkeit, Dinge zu "bewegen", mich weiterzubilden und Wissen zu "sammeln." Kannte ich früher den Begriff "Bücherei" nur vom hörensagen, so kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass ich in den letzten Monaten relativ häufig dort gewesen bin, mindestens wöchentlich um irgendwelche Schmöcker auszuleihen. Dabei fraß ich mich regelrecht durch sämtliche Themengebiete: egal ob es nun mit Geschichte oder Wirtschaft zu tun hatte, ob Reiseberichte aus diversen Ländern oder im Lebensmittelbereich - seit einigen Monaten leih ich querbeet Bücher zu verschiedensten Themengebieten aus und lese mich durch. Da ich viel Radsport mache und meist stundenlang aufm Ergometer daheim oder im Studio rumsitze, fällt es mir auch relativ leicht die nötige Zeit zum Lesen aufzubringen, da ich da ja eh nichts produktiveres tun könnte.

    Meine Frage lautet nun eigentlich: ist das normal? Ist das gut? Wünschenswert? Wie sagte Francis Bacon doch einst: "Wissen ist Macht" Doch gilt das heutzutage auch noch? Wir leben in einer Welt, die sich jeden Tag verändert. Was heute bestand hat, muss morgen nicht gültig sein. Das zeigte mir relativ ein Buch über eBusiness von 2003 - der Inhalt ist heute schon total antiquitiert und nicht mehr zeitgemäß. Und das sieht man in vielen heutigen Lebensbereichen (bestes Beispiel: Computer - heute erschienen, morgen schon veraltet). Im Zeitalter des Internets, wo jede Information innerhalb kürzester Zeit abrufbar ist, ist das Wissen zwar immernoch essenziell, jedoch hat die Halbwertszeit auch erheblich abgenommen. Macht es also überhaupt noch Sinn, Bücher auf althergebrachte Art zu lesen? Gut, Romane und Unterhaltungsliteratur könnte man hieraus ausschließen, schließlich werden diese Art von Bücher, wie gesagt, zur "Unterhaltung" herangezogen und sind oft zeitlos - aber was ist mit z.B. Wirtschaftsinformationen?

    In meinen Augen ein spannendes Thema und deswegen dachte ich mir, vielleicht mal mit paar Leuten darüber zu fachsimpeln. Wie stehts mit euch? Lest ihr viel? Mehr Romane zur Unterhaltung oder viel Fachliteratur? Wie stets mit diesem Verlangen, welchem ich in letzter Zeit anheim gefallen bin: Wissen akkumulieren - habt ihr auch solche Phasen? Haut in die Tasten!

  2. #2
    Bücher haben den Vorteil, dass das, was heute drinsteht, auch morgen noch drinsteht, den Vorteil hat das Internet meistens nicht. Gut, bei Themen wie Wirtschaftsinformatik u.ä. ist Aktualität natürlich wichtig, da ist das Internet natürlich im Vorteil, aber bei "starreren" Themen wie z.B. Geschichte (gut, da gibt es auch immer neue Erkenntnisse, aber die Grundlagen ändern sich da eh eher selten und die Vergangenheit kann ja auch nicht geändert werden ) sind Bücher immer noch ziemlich nützlich. Außerdem gibt es noch einen ganz praktischen Vorteil: Die meisten Leute können besser gedruckte Seiten lesen, als etwas auf dem Bildschirm (so sieht's zumindest in meinem Bekanntenkreis aus).

  3. #3
    Zitat Zitat
    Im Zeitalter des Internets, wo jede Information innerhalb kürzester Zeit abrufbar ist, ist das Wissen zwar immernoch essenziell, jedoch hat die Halbwertszeit auch erheblich abgenommen. Macht es also überhaupt noch Sinn, Bücher auf althergebrachte Art zu lesen?
    Es macht einen Unterschied, ob sich jemand Jahr um Jahr Zeit nimmt, Recherchen durchzuführen und diese dann in einem Buch gebündelt veröffentlicht oder ob jemand in einer Viertelstunde jeden Tag einen Blogpost im Internet schreibt. Informationen werden nicht gleichwertig geboren. Dasselbe gilt auch unter Büchern.

  4. #4
    Letztens hatten wir von der Klasse aus nen Ausflug zu einer Präsentation in unserer münsteraner Stadtbücherei gemacht und dort wurde der Vorteil Buch zum Internet genauer erklärt. Klar ist es einfach sich aus Internetsachen ein Referat zusammenzuschustern aber wenn man das Thema noch vernünftig erklären muss würde ich lieber zur Fachliteratur zurückgreifen weil man da sich auf die Quelle in Form von Experten verlassen kann und bei genaueren Fragen eine andere Quelle nutzen sollte.

  5. #5
    Zitat Zitat von Louzifer Beitrag anzeigen
    In meinen Augen ein spannendes Thema und deswegen dachte ich mir, vielleicht mal mit paar Leuten darüber zu fachsimpeln. Wie stehts mit euch? Lest ihr viel? Mehr Romane zur Unterhaltung oder viel Fachliteratur? Wie stets mit diesem Verlangen, welchem ich in letzter Zeit anheim gefallen bin: Wissen akkumulieren - habt ihr auch solche Phasen? Haut in die Tasten!
    Ich denke ähnlich wie du, allerdings bezieht sich das weniger auf Wissen allgemein. Ich beschäftige mich hauptsächlich mit Belletristik, natürlich wird auch dort bis zu einem bestimmten Punkt Wissen vermittelt. Ein Buch ist für mich jedoch immer ein Denkanstoß, die Möglichkeit, die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen. Daher beschränkt sich das eigentliche Produkt für mich großteils auf die Bildung von Meinung oder Weltanschauung, eher philosophische Ansätze also.
    Das Wissen beispw. aus dem Bereich Wirtschaft ist für mich uninteressant. Ich bin auf der Suche nach der letzten Wahrheit .

  6. #6
    Zitat Zitat von Couchez Beitrag anzeigen
    Ich bin auf der Suche nach der letzten Wahrheit .
    Wenn du mal dort bist, wirst du feststellen, das du nicht dort bleiben willst. Um keinen Preis.

  7. #7
    Zitat Zitat von Couchez Beitrag anzeigen
    Das Wissen beispw. aus dem Bereich Wirtschaft ist für mich uninteressant. Ich bin auf der Suche nach der letzten Wahrheit .
    Hmm... irgendwie widersprüchlich. Vor allem die Wirtschaftsbereiche vermitteln einiges Wissen, welches Gesellschaftliche Entwicklungen verständlicher macht.

  8. #8
    Zitat Zitat von Aldinsys III. Beitrag anzeigen
    Hmm... irgendwie widersprüchlich. Vor allem die Wirtschaftsbereiche vermitteln einiges Wissen, welches Gesellschaftliche Entwicklungen verständlicher macht.
    Ich sehe darin keinerlei Widerspruch. Philosophie ist im Allgemeinen unabhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen, abgesehen vielleicht im Bereich der Ethik oder des Utilitarismuses in der Politik.

    Abgesehen davon deuten Wirtschaftsbereiche auf eine verschwommene Perspektive der Masse, allerdings interessiert mich die eines Individuums um einiges mehr. Die zuvor angesprochene Weltanschauung kristallisiert sich viel mehr heraus.

    Zudem könnte man natürlich auch damit argumentieren, dass die letzte Wahrheit nichts mit einer gesellschaftlichen Entwicklung zu tun hat, da, wie der Name schon sagt, sie immer Gültigkeit besitzt.

    Aber das kommt natürlich immer auf den Standpunkt des Betrachters an.

    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Wenn du mal dort bist, wirst du feststellen, das du nicht dort bleiben willst. Um keinen Preis.
    Das ist mir teilweise auch schon aufgefallen, aber es nützt ja nichts.
    Was hast du denn für letzte Wahrheiten entdeckt? Wenn du Lust hast kannst du mir ja mal ne PN schreiben.


    PS: Für etwaige Denkfehler oder das fehlen von Logik möchte ich mich im voraus entschuldigen. Ich bin eben erst nach Hause gekommen und mein Schädel pulsiert noch ein wenig.

  9. #9
    Zitat Zitat von Couchez Beitrag anzeigen
    Ich sehe darin keinerlei Widerspruch. Philosophie ist im Allgemeinen unabhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen, abgesehen vielleicht im Bereich der Ethik oder des Utilitarismuses in der Politik.
    Ahaha. Ich möchte Lachen, aber ich tue mir hier so schwer. Bin mir sicher, es besteht kein Zusammenhang zwischen dem französischen Absolutismus und der Entwicklung der libertinären Philosophie, genausowenig wie ein Zusammenhang zwischen der Naturforschung und der Aufklärung besteht? Gibt auch keinen Zusammenhang zwischen der griechischen Gesellschaft und der griechischen Philosophie. Nein, nein, Sophismus und die daraus abgeleiteten Positionen, wie z.B. die Kyniker sind in reiner Anschauung intellegibler Ideen enstanden. Nevermind die Naturbeobachtungen der vorsokratischen Philosophie. Was hälst du eigentlich vom Konfuzianismus, vom Legalismus und vom Daoismus? Sind alles sehr interessante Staatenlehren und alle drei standen in harter Konkurrenz.

    Zitat Zitat
    Das ist mir teilweise auch schon aufgefallen, aber es nützt ja nichts.
    Was hast du denn für letzte Wahrheiten entdeckt? Wenn du Lust hast kannst du mir ja mal ne PN schreiben.
    Das die letzten und absolut immer gültigen Wahrheiten entweder auf dem Niveau von Kaffesudleserei funktionieren oder in einer Weise erzeugt werden, welche ihnen jede bindende Beweiskraft nimmt. Die Philosophie ist die Geschichte des Denkens im Kontext der Gesellschaft. Sie produziert keine Absoluten.

    Ich bin Zen-Buddhist. Ich habe den Bereich gesehen, den Platon als die "Welt der Ideen" bezeichnet. Ist sinnlos, dorthin zu streben.

  10. #10
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Ahaha. Ich möchte Lachen, aber ich tue mir hier so schwer. Bin mir sicher, es besteht kein Zusammenhang zwischen dem französischen Absolutismus und der Entwicklung der libertinären Philosophie, genausowenig wie ein Zusammenhang zwischen der Naturforschung und der Aufklärung besteht? Gibt auch keinen Zusammenhang zwischen der griechischen Gesellschaft und der griechischen Philosophie. Nein, nein, Sophismus und die daraus abgeleiteten Positionen, wie z.B. die Kyniker sind in reiner Anschauung intellegibler Ideen enstanden. Nevermind die Naturbeobachtungen der vorsokratischen Philosophie. Was hälst du eigentlich vom Konfuzianismus, vom Legalismus und vom Daoismus? Sind alles sehr interessante Staatenlehren und alle drei standen in harter Konkurrenz.
    Das die letzten und absolut immer gültigen Wahrheiten entweder auf dem Niveau von Kaffesudleserei funktionieren oder in einer Weise erzeugt werden, welche ihnen jede bindende Beweiskraft nimmt. Die Philosophie ist die Geschichte des Denkens im Kontext der Gesellschaft. Sie produziert keine Absoluten.

    Ich bin Zen-Buddhist. Ich habe den Bereich gesehen, den Platon als die "Welt der Ideen" bezeichnet. Ist sinnlos, dorthin zu streben.
    Sicherlich hast du Recht, in dem was du schreibst. Aber ich denke dir liegt hier eine gewisse Engstirnigkeit zugrunde. Oder aber vielmehr, du hast meine Perspektive auf die Dinge noch nicht gesehen.
    Meine Kenntnis der Philosophie reicht nicht in die Tiefe wie deine es tut, trotzdem möchte ich mir erlauben, meinen Punkt ein wenig zu beleuchten.
    Ich hoffe - nenn' mich naiv - das es etwas Absolutes gibt in dieser Welt. Die menschliche Entwicklung, von kleinen Stämmen, über zu Aristokratien und Diktaturen, bis hin zur gegenwärtigen Demokratie oder zum Kommunismus, ist meiner Meinung nach, eine logische Folge, oder zumindest - im größeren Kontext betrachtet - ein Streben zu dieser Absolution, zum Perfekten hin. Nun impliziert dies natürlich eine höhere Macht, die diese Perfektion festlegt. Fakt ist jedoch, dass es diese in gewissem Maße gibt, ob du sie Gott, den Schöpfer, oder aber die Natur nennen willst. Immerhin gibt es im menschlichen Körper Mechanismen, die einem die Richtung vorgeben. Schmerz, Freude, Angst oder was auch immer. Natürlich gibt es auch gesellschaftliche Indikatoren, nehmen wir beispw. Freuds Theorie, nach dem das Gewissen im Grunde die Angst vor Entdeckung von der Authorität ist. Sehr wohl gibt es jedoch auch das Super-Ego, dass den Menschen durch Eros und Thanatos gewisse Vorschriften macht.
    Ein weiteres fundamentales Beispiel für einen gesellschaftsunabhängigen Sektor der Philosophie ist das Naturrecht. Natürlich, ohne gesellschaftliche Entwicklungen wäre es dazu nicht gekommen, allerdings haben die Menschenrechte gesellschaftsunabhängige Gültigkeit (auch wenn sie nicht überall angewandt werden). Das Naturrecht ist in meinen Augen wenigstens ein Puzzlestück zum Absoluten, zum unantasbar Richtigen hin. Hierfür gibt es meiner Meinung nach noch eine Reihe weiterer Beispiele, die von dir genannte Aufklärung zähle ich auch dazu, beim Sturm und Drang tue ich mich im Moment noch ein wenig schwer, aber gewisse Aspekte dieser Epoche kann man gegebenenfalls auch aufführen.

    Einigen wir uns darauf, dass es sowohl Teile der Philosophie gibt, die mit der jeweiligen Gesellschaft zusammenhängen, in denen sie gebildet wurden, aber auch jene, die auch ohne sie funktionieren. Letztere habe ich wahrscheinlich ein wenig zu sehr verallgemeinert, da mich die anderen weit weniger interessieren.

    Prinzipiell gesehen gibt es in der Philosophie nichts wirklich unwiderlegbares. Noch nicht einmal das Naturrecht, wer weiß, vielleicht gibt es wirklich eine größere Macht, die den richtigen Weg kennt und wir machen alles falsch, weil wir nicht alles überblicken können. Galilei's Theorie über eine runde Erde war auch zunächst Teil der Philosophie, gehört aber nun, wo sie bewiesen wurde, zur Physik (zu der ich später noch kommen möchte).

    Nun, wo ich diesen Text geschrieben habe, sehe ich, dass es ein Missverständnis gegeben hat und ich mich wahrscheinlich in meinem vorherigen Post ein wenig schwammig ausgedrückt habe. Ich hoffe du verstehst jetzt, was ich ursprünglich gemeint habe.

    Möglich, dass du das alles auch für Mumpitz hältst, dennoch setze ich alle meine Hoffnungen an die Existenz des Absoluten. Da ich zu meinem Bedauern sagen muss, dass ich kein wirklicher Anhänger einer Religion bin, halte ich verzweifelt daran fest, da sonst das Leben für mich im größeren Kontext keinen wirklichen Sinn macht (zumindest habe ich noch keinen zufriedenstellenden gefunden).

    Die Existenz der tieferen Wirklichkeit ist für mich jedoch vor allem in den Naturwissenschaften zu 'beweisen'. Es gibt zumindest dort eine prinzipielle Allgemeingültigkeit. In der Biologie zum Beispiel sieht man, dass Leben in der Essenz immer gleich aufgebaut ist (Zelle) oder die gleichen Bedingungen stellt (Abhängigkeit von Energie). Auch die Mathematik in ihrer Absolution deutet darauf hin (auch wenn sie ein System von Menschen erschaffen ist), allen voran jedoch die Physik. Sie bietet wahrlich einen Einblick in die tiefere Wirklichkeit, auch wenn vieles noch verborgen ist und die Neue Physik durch die Entdeckung der Elementarteilchen und ein paar anderen Aspekten des Mikrokosmoses und der Quantenmechanik ein wenig Chaos in die Sache bringt.

    Ehrlich gesagt bin ich mir unsicher, ob ich die absolute, tiefere Wirklichkeit wirklich einmal erreichen werde, oder, dass sie überhaupt in absehbarer Zeit von irgendjemandem erreicht wird. Unser derzeitiger Wissensstand und mein Denkvermögen setzen dem einfach zu unüberwindbare Grenzen. Das Streben danach reicht mir jedenfalls im Moment noch.
    Deswegen erscheint mir deine Aussage, du habest Platons 'Welt der Ideen' gesehen als suspekt. Vor allem, da du voranstellst, dass du Zen-Buddhist bist. Das soll keine Provokation sein, aber es scheint mir doch widersprüchlich.
    Nach meinem Wissen gibt der Zen-Buddhismus keine Antworten. Auch beschäftigt er sich eher mit Platons 'Welt der Erscheinung', dem Unmittelbaren. Zudem ist das Finden der Erkenntnis hier etwas subjektives, etwas, dass also zum einen kaum absolut sein kann und zum anderen etwas, das mich keineswegs betreffen kann. Allerdings bin ich, anders als du, kein Insider, so dass ich dazu leider nur wenig sagen kann.

    Geändert von Couchez (07.07.2008 um 21:14 Uhr)

  11. #11
    Zitat Zitat von Couchez Beitrag anzeigen
    Sicherlich hast du Recht, in dem was du schreibst. Aber ich denke dir liegt hier eine gewisse Engstirnigkeit zugrunde. Oder aber vielmehr, du hast meine Perspektive auf die Dinge noch nicht gesehen.
    Meine Kenntnis der Philosophie reicht nicht in die Tiefe wie deine es tut, trotzdem möchte ich mir erlauben, meinen Punkt ein wenig zu beleuchten.
    Ich hoffe - nenn' mich naiv - das es etwas Absolutes gibt in dieser Welt. Die menschliche Entwicklung, von kleinen Stämmen, über zu Aristokratien und Diktaturen, bis hin zur gegenwärtigen Demokratie oder zum Kommunismus, ist meiner Meinung nach, eine logische Folge, oder zumindest - im größeren Kontext betrachtet - ein Streben zu dieser Absolution, zum Perfekten hin. Nun impliziert dies natürlich eine höhere Macht, die diese Perfektion festlegt. Fakt ist jedoch, dass es diese in gewissem Maße gibt, ob du sie Gott, den Schöpfer, oder aber die Natur nennen willst. Immerhin gibt es im menschlichen Körper Mechanismen, die einem die Richtung vorgeben. Schmerz, Freude, Angst oder was auch immer. Natürlich gibt es auch gesellschaftliche Indikatoren, nehmen wir beispw. Freuds Theorie, nach dem das Gewissen im Grunde die Angst vor Entdeckung von der Authorität ist. Sehr wohl gibt es jedoch auch das Super-Ego, dass den Menschen durch Eros und Thanatos gewisse Vorschriften macht.
    Ein weiteres fundamentales Beispiel für einen gesellschaftsunabhängigen Sektor der Philosophie ist das Naturrecht. Natürlich, ohne gesellschaftliche Entwicklungen wäre es dazu nicht gekommen, allerdings haben die Menschenrechte gesellschaftsunabhängige Gültigkeit (auch wenn sie nicht überall angewandt werden). Das Naturrecht ist in meinen Augen wenigstens ein Puzzlestück zum Absoluten, zum unantasbar Richtigen hin. Hierfür gibt es meiner Meinung nach noch eine Reihe weiterer Beispiele, die von dir genannte Aufklärung zähle ich auch dazu, beim Sturm und Drang tue ich mich im Moment noch ein wenig schwer, aber gewisse Aspekte dieser Epoche kann man gegebenenfalls auch aufführen.
    Die historische Entwicklungslinie existiert aber leider nicht. Griechenland entwickelte und verlor die Demokratie, der Totaliarismus wurde mehrfach neu erfunden (in China, im Nahen Osten/in Ägypten und später, während der Moderne, in Europa). Gewisse Formen der Demokratie blieben ständig präsent, wie z.B. das Recht auf Kaiserwahl der Pfalzgrafen und, in Schweden, das Recht aller Freien zur Königswahl.

    Das Mittelalter kannte das Naturrecht schon. Nur damals wurde es, der Kultur entsprechend von Gott abgeleitet. Den Rückgriff auf die "Natur" als Sinngebende Entität kam erst mit dem Atheismus und dem Deismus des 17.Jahrhunderts und stand hier wiederum mit der Durchsetzung des Königs als absoluter Herrscher und dem Aufkommen des Bürgertums eng in Verbindung. Eng in Verbindung damit stand auch die Parodie des Naturrechtes von De Sade, gegenüber der du Blind zu sein scheinst.

    Freud hat keine universale Gültigkeit, btw. Einige Nihonjinron bieten viel fruchtbarere Ansätze für die Analyse von japanischer Literatur als Freuds griechische Österreicher-Bildungsbürgerkomplexe. Selbst die Aufklärung ist keine rein Europäische Entwicklung. Im Nahen Osten gab man sie der Rechtssicherheit wegen auf, im fernen Osten setzten sich die exakten Wissenschaften ebenfalls nicht vollkommen durch, auch wenn es immer wieder Ansätze dazu gab, wie z.B. die Erfindung der exakten Archäologie.

    Zitat Zitat
    Einigen wir uns darauf, dass es sowohl Teile der Philosophie gibt, die mit der jeweiligen Gesellschaft zusammenhängen, in denen sie gebildet wurden, aber auch jene, die auch ohne sie funktionieren. Letztere habe ich wahrscheinlich ein wenig zu sehr verallgemeinert, da mich die anderen weit weniger interessieren.
    Jedes System kann beliebig für andere Kulturen adaptiert werden, wird sich im neuen Kontext aber verändern. Die Japaner haben das T'ang-System adaptiert, gingen damit ziemlich schnell bankrott und endeten im Bakufu-System und in einem Feudalismus.

    Zitat Zitat
    Möglich, dass du das alles auch für Mumpitz hältst, dennoch setze ich alle meine Hoffnungen an die Existenz des Absoluten. Da ich zu meinem Bedauern sagen muss, dass ich kein wirklicher Anhänger einer Religion bin, halte ich verzweifelt daran fest, da sonst das Leben für mich im größeren Kontext keinen wirklichen Sinn macht (zumindest habe ich noch keinen zufriedenstellenden gefunden).
    Ich fand einige von Gregory Bateson posthumen Äußerungen diesbezüglich am interessantesten.
    Zitat Zitat
    Die Existenz der tieferen Wirklichkeit ist für mich jedoch vor allem in den Naturwissenschaften zu 'beweisen'. Es gibt zumindest dort eine prinzipielle Allgemeingültigkeit. In der Biologie zum Beispiel sieht man, dass Leben in der Essenz immer gleich aufgebaut ist (Zelle) oder die gleichen Bedingungen stellt (Abhängigkeit von Energie). Auch die Mathematik in ihrer Absolution deutet darauf hin (auch wenn sie ein System von Menschen erschaffen ist), allen voran jedoch die Physik. Sie bietet wahrlich einen Einblick in die tiefere Wirklichkeit, auch wenn vieles noch verborgen ist und die Neue Physik durch die Entdeckung der Elementarteilchen und ein paar anderen Aspekten des Mikrokosmoses und der Quantenmechanik ein wenig Chaos in die Sache bringt.
    Wissenschaft ist Simulation, das einzige was sie tut, ist auf gegebenen Daten eine möglichst gute Modellsimulation herstellen. Da kommt keine Wahrheit heraus, sondern ein Modell, welches die Wiederkehr der gegebenen Daten korrekt erreicht. Die Mathematik ist absolut, weil sie von Grund auf Tautologisch formuliert wurde.

    Zitat Zitat
    Ehrlich gesagt bin ich mir unsicher, ob ich die absolute, tiefere Wirklichkeit wirklich einmal erreichen werde, oder, dass sie überhaupt in absehbarer Zeit von irgendjemandem erreicht wird. Unser derzeitiger Wissensstand und mein Denkvermögen setzen dem einfach zu unüberwindbare Grenzen. Das Streben danach reicht mir jedenfalls im Moment noch.
    Nietzsche hat seine absolute Tiefe erreicht, als er auf dem Bett lag und liebeskrank: "LouLouLouLouLouLouLou..." murmelte.

    Zitat Zitat
    Deswegen erscheint mir deine Aussage, du habest Platons 'Welt der Ideen' gesehen als suspekt. Vor allem, da du voranstellst, dass du Zen-Buddhist bist. Das soll keine Provokation sein, aber es scheint mir doch widersprüchlich.
    Nach meinem Wissen gibt der Zen-Buddhismus keine Antworten. Auch beschäftigt er sich eher mit Platons 'Welt der Erscheinung', dem Unmittelbaren. Zudem ist das Finden der Erkenntnis hier etwas subjektives, etwas, dass also zum einen kaum absolut sein kann und zum anderen etwas, das mich keineswegs betreffen kann. Allerdings bin ich, anders als du, kein Insider, so dass ich dazu leider nur wenig sagen kann.
    Wenn alles Leer ist, dann sind Antworten natürlich eitel und das Fundament hinter den Erscheinungen (die Stufe, in welche Platon und Plotin die Ideen setzen würden) Nichts. In gewissem Sinne hat man als Zen-Buddhist durch den Einblick ins Nichts das Äquivalent zu Platons Ideenwelt gesehen, nämlich das Fundament, auf dem die Erscheinungen basieren.

    Die Antworten, die man aus dem Zen-Buddhismus bekommt sind natürlich präpariert durch die Fragen die man stellt. Und der Katalog an Fragen ist Kanonisch festgelegt. Das ist ein wenig, wie die Wahrheit in Büchern zu suchen.

  12. #12
    Ich denke, dass Platons Ideen einfach ein Konstrukt des Aufbaus unseres Gehirns sind. Ausgehend von der Annahme unser Gehirn ähnelt in der Verarbeitungsweise einem künstlichen neuronalen Netz, kann man zeigen, dass ein unsupervised ANN (artificial neural network) beliebige Kategorien bilden kann. Also ein ANN braucht nicht den Prototyp selbst gesehen zu haben und kann dennoch verschiedene ähnliche Objekte zur selben Kategorie zuordnen. Die Kategorie ist selbst kein Element von sich selbst und deswegen brauchen wir, wenn wir uns ein Objekt vorstellen auch einen Prototypen oder in der Sprache Platons die Idee um eine mentale Repräsentation aufzubauen. Die "Idee" können wir damit nur denken und nie tatsächlich "sehen", weil die "Idee" nur in unserem Gehirn existiert.

    Natürlich kann man darüber streiten, was die Ideenwelt von Platon tatsächlich darstellt.

    Zitat Zitat
    Wie stehts mit euch? Lest ihr viel? Mehr Romane zur Unterhaltung oder viel Fachliteratur? Wie stets mit diesem Verlangen, welchem ich in letzter Zeit anheim gefallen bin: Wissen akkumulieren - habt ihr auch solche Phasen?
    Hauptsächlich Fachbücher aufgrund meines Studiums. IMO ist es wichtig, neben der Aneignung von Wissen dieses auch kritisch zu hinterfragen.

  13. #13
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Die historische Entwicklungslinie existiert aber leider nicht. Griechenland entwickelte und verlor die Demokratie, der Totaliarismus wurde mehrfach neu erfunden (in China, im Nahen Osten/in Ägypten und später, während der Moderne, in Europa). Gewisse Formen der Demokratie blieben ständig präsent, wie z.B. das Recht auf Kaiserwahl der Pfalzgrafen und, in Schweden, das Recht aller Freien zur Königswahl.
    Ich glaube, du siehst das ganze in einem falschen Kontext, viel zu global. Natürlich, durch Handel und ähnlichem gab es Kontakt unter diesen Völkern. Aber ich denke der Einfluß untereinander reichte im Allgemeinen nicht dazu aus, die Staatsform zu beeinflußen. So gesehen, macht jedes Volk die von mir angesprochene Entwicklung, ein wenig überspitzt formuliert, im Einzelnen und unabhängig voneinander durch.

    Dass es jedoch keine exakte historische Entwicklungslinie gibt, ist einfach durch zwei Faktoren zu erklären. Dem Menschen und der Wahrscheinlichkeit. Im Endeffekt hat sich doch fast überall auf der Welt der Drang nach Freiheit im Menschen durchgesetzt und der ist, zum Teil, in der Biologie begründet (ich denke, du weißt, worauf ich ansprechen will: Natur).

    Keineswegs möchte ich jedoch sagen, dass die Demokratie das perfekte System ist, sondern vielmehr ein Zwischenschritt. Der Kommunismus ist auch ein theoretisch äußerst ausgeklügeltes System, in der Praxis jedoch leider nicht soo toll, wie man an einigen Beispielen sehen kann.

    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen

    Wissenschaft ist Simulation, das einzige was sie tut, ist auf gegebenen Daten eine möglichst gute Modellsimulation herstellen. Da kommt keine Wahrheit heraus, sondern ein Modell, welches die Wiederkehr der gegebenen Daten korrekt erreicht. Die Mathematik ist absolut, weil sie von Grund auf Tautologisch formuliert wurde.
    Das ist aber eine sehr spezielle Sichtweise, die du da hast . Ich sehe das so: Die Wissenschaft ist ein theoretisches Modell der praktischen Welt. Wir, die wir uns im Mikrokosmos befinden, sehen durch sie den Makrokosmos.
    Aber sehen wir durch das Fernglas eine andere Wahrheit als mit den eigenen Augen?

    Mit deiner Aussage zur Mathematik hast du recht. Glücklicherweise gibt es jedoch auch in der Realität bemerkenswerte Parallelen zu ihr. Der Goldene Schnitt Beispielsweise. Und wer sagt überhaupt, dass unsere Welt kein tautologisch formuliertes System ist?


    Ich habe darauf verzichtet den Rest zu kommentieren. Zum einen, weil einige von dir angesprochene Theorien mir unbekannt sind und zum anderen, weil ich teilweise nicht ganz verstehe, worauf du hinauswillst . Aber ich habe gemerkt, wie du dich langsam auf die von mir angesprochenen Themen einlässt, und das soll mir reichen.
    Abgesehen davon kannst du davon ausgehen, dass meine Theorien abstruse Gedankenfolgen eines weichgekifften Hirns sind und daher ein wenig seltsam daherkommen.

  14. #14
    erkenntnis = stillstand.


    du kommst irgendwann an nem punkt an, an dem diskutieren, streiten oder sogar eine eigene meinung ausdrücken keinen sinn mehr ergibt. dann kannst du dich zwischen "ich zieh auf nen berg und genieße diesen zustand als einsiedler." und "ich geh wieder zurück und guck was ich aus diesem leben rausholen kann." entscheiden.

    ich wüsste nicht das es noch mehr möglichkeiten gibt, denn selbst um die "botschaft" (die für jeden vernünftigen menschen lächerlich klingen wird) zu verbreiten musst du zurück zu den menschen kommen. aber ich lass mich gern belehren.

    Geändert von toho (13.07.2008 um 00:21 Uhr)

  15. #15
    Erkenntnis ist für mich etwas Privates. Erkenntnis bedeutet für mich, zu wissen, was richtig ist. Einen Gegenstand aus allen möglichen Perspektiven zu durchleuchten. Und selbstverständlich braucht man dafür Kontakt zu anderen Menschen. Aber ich verstehe nicht ganz, warum man sich zurückziehen muss, wenn man die Erkenntnis erlangt hat (falls das überhaupt möglich ist) oder unbedingt die "Botschaft", wie du sagst, verbreiten. Die Suche nach der Erkenntnis ist also etwas für mich allein und außerdem macht sie nur einen geringen Teilaspekt des Lebens aus, daher verstehe ich nicht ganz wie du zu deiner Annahme kommt. Ist es etwa falsch sich Gedanken zu machen? Zu versuchen, nach dem "Richtigen", dem "Vernünftigen" zu suchen und danach handeln zu wollen?

  16. #16
    Zitat Zitat von Couchez Beitrag anzeigen
    Mit deiner Aussage zur Mathematik hast du recht. Glücklicherweise gibt es jedoch auch in der Realität bemerkenswerte Parallelen zu ihr. Der Goldene Schnitt Beispielsweise. Und wer sagt überhaupt, dass unsere Welt kein tautologisch formuliertes System ist?
    Das würde bedeuten, dass die Buddhisten recht hatten.
    Zitat Zitat
    Die Suche nach der Erkenntnis ist also etwas für mich allein und außerdem macht sie nur einen geringen Teilaspekt des Lebens aus, daher verstehe ich nicht ganz wie du zu deiner Annahme kommt. Ist es etwa falsch sich Gedanken zu machen? Zu versuchen, nach dem "Richtigen", dem "Vernünftigen" zu suchen und danach handeln zu wollen?
    Er spricht von der Art Erkenntnis, die ich in meinem dritten Post hier angesprochen habe - "religiöse" Erkenntnis gewonnen aus Selbstkasteiungspraktiken.

  17. #17
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Er spricht von der Art Erkenntnis, die ich in meinem dritten Post hier angesprochen habe - "religiöse" Erkenntnis gewonnen aus Selbstkasteiungspraktiken.
    yo, das meinte ich. war wohl nicht ganz deutlich.

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