Zitat Zitat von Couchez Beitrag anzeigen
Sicherlich hast du Recht, in dem was du schreibst. Aber ich denke dir liegt hier eine gewisse Engstirnigkeit zugrunde. Oder aber vielmehr, du hast meine Perspektive auf die Dinge noch nicht gesehen.
Meine Kenntnis der Philosophie reicht nicht in die Tiefe wie deine es tut, trotzdem möchte ich mir erlauben, meinen Punkt ein wenig zu beleuchten.
Ich hoffe - nenn' mich naiv - das es etwas Absolutes gibt in dieser Welt. Die menschliche Entwicklung, von kleinen Stämmen, über zu Aristokratien und Diktaturen, bis hin zur gegenwärtigen Demokratie oder zum Kommunismus, ist meiner Meinung nach, eine logische Folge, oder zumindest - im größeren Kontext betrachtet - ein Streben zu dieser Absolution, zum Perfekten hin. Nun impliziert dies natürlich eine höhere Macht, die diese Perfektion festlegt. Fakt ist jedoch, dass es diese in gewissem Maße gibt, ob du sie Gott, den Schöpfer, oder aber die Natur nennen willst. Immerhin gibt es im menschlichen Körper Mechanismen, die einem die Richtung vorgeben. Schmerz, Freude, Angst oder was auch immer. Natürlich gibt es auch gesellschaftliche Indikatoren, nehmen wir beispw. Freuds Theorie, nach dem das Gewissen im Grunde die Angst vor Entdeckung von der Authorität ist. Sehr wohl gibt es jedoch auch das Super-Ego, dass den Menschen durch Eros und Thanatos gewisse Vorschriften macht.
Ein weiteres fundamentales Beispiel für einen gesellschaftsunabhängigen Sektor der Philosophie ist das Naturrecht. Natürlich, ohne gesellschaftliche Entwicklungen wäre es dazu nicht gekommen, allerdings haben die Menschenrechte gesellschaftsunabhängige Gültigkeit (auch wenn sie nicht überall angewandt werden). Das Naturrecht ist in meinen Augen wenigstens ein Puzzlestück zum Absoluten, zum unantasbar Richtigen hin. Hierfür gibt es meiner Meinung nach noch eine Reihe weiterer Beispiele, die von dir genannte Aufklärung zähle ich auch dazu, beim Sturm und Drang tue ich mich im Moment noch ein wenig schwer, aber gewisse Aspekte dieser Epoche kann man gegebenenfalls auch aufführen.
Die historische Entwicklungslinie existiert aber leider nicht. Griechenland entwickelte und verlor die Demokratie, der Totaliarismus wurde mehrfach neu erfunden (in China, im Nahen Osten/in Ägypten und später, während der Moderne, in Europa). Gewisse Formen der Demokratie blieben ständig präsent, wie z.B. das Recht auf Kaiserwahl der Pfalzgrafen und, in Schweden, das Recht aller Freien zur Königswahl.

Das Mittelalter kannte das Naturrecht schon. Nur damals wurde es, der Kultur entsprechend von Gott abgeleitet. Den Rückgriff auf die "Natur" als Sinngebende Entität kam erst mit dem Atheismus und dem Deismus des 17.Jahrhunderts und stand hier wiederum mit der Durchsetzung des Königs als absoluter Herrscher und dem Aufkommen des Bürgertums eng in Verbindung. Eng in Verbindung damit stand auch die Parodie des Naturrechtes von De Sade, gegenüber der du Blind zu sein scheinst.

Freud hat keine universale Gültigkeit, btw. Einige Nihonjinron bieten viel fruchtbarere Ansätze für die Analyse von japanischer Literatur als Freuds griechische Österreicher-Bildungsbürgerkomplexe. Selbst die Aufklärung ist keine rein Europäische Entwicklung. Im Nahen Osten gab man sie der Rechtssicherheit wegen auf, im fernen Osten setzten sich die exakten Wissenschaften ebenfalls nicht vollkommen durch, auch wenn es immer wieder Ansätze dazu gab, wie z.B. die Erfindung der exakten Archäologie.

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Einigen wir uns darauf, dass es sowohl Teile der Philosophie gibt, die mit der jeweiligen Gesellschaft zusammenhängen, in denen sie gebildet wurden, aber auch jene, die auch ohne sie funktionieren. Letztere habe ich wahrscheinlich ein wenig zu sehr verallgemeinert, da mich die anderen weit weniger interessieren.
Jedes System kann beliebig für andere Kulturen adaptiert werden, wird sich im neuen Kontext aber verändern. Die Japaner haben das T'ang-System adaptiert, gingen damit ziemlich schnell bankrott und endeten im Bakufu-System und in einem Feudalismus.

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Möglich, dass du das alles auch für Mumpitz hältst, dennoch setze ich alle meine Hoffnungen an die Existenz des Absoluten. Da ich zu meinem Bedauern sagen muss, dass ich kein wirklicher Anhänger einer Religion bin, halte ich verzweifelt daran fest, da sonst das Leben für mich im größeren Kontext keinen wirklichen Sinn macht (zumindest habe ich noch keinen zufriedenstellenden gefunden).
Ich fand einige von Gregory Bateson posthumen Äußerungen diesbezüglich am interessantesten.
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Die Existenz der tieferen Wirklichkeit ist für mich jedoch vor allem in den Naturwissenschaften zu 'beweisen'. Es gibt zumindest dort eine prinzipielle Allgemeingültigkeit. In der Biologie zum Beispiel sieht man, dass Leben in der Essenz immer gleich aufgebaut ist (Zelle) oder die gleichen Bedingungen stellt (Abhängigkeit von Energie). Auch die Mathematik in ihrer Absolution deutet darauf hin (auch wenn sie ein System von Menschen erschaffen ist), allen voran jedoch die Physik. Sie bietet wahrlich einen Einblick in die tiefere Wirklichkeit, auch wenn vieles noch verborgen ist und die Neue Physik durch die Entdeckung der Elementarteilchen und ein paar anderen Aspekten des Mikrokosmoses und der Quantenmechanik ein wenig Chaos in die Sache bringt.
Wissenschaft ist Simulation, das einzige was sie tut, ist auf gegebenen Daten eine möglichst gute Modellsimulation herstellen. Da kommt keine Wahrheit heraus, sondern ein Modell, welches die Wiederkehr der gegebenen Daten korrekt erreicht. Die Mathematik ist absolut, weil sie von Grund auf Tautologisch formuliert wurde.

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Ehrlich gesagt bin ich mir unsicher, ob ich die absolute, tiefere Wirklichkeit wirklich einmal erreichen werde, oder, dass sie überhaupt in absehbarer Zeit von irgendjemandem erreicht wird. Unser derzeitiger Wissensstand und mein Denkvermögen setzen dem einfach zu unüberwindbare Grenzen. Das Streben danach reicht mir jedenfalls im Moment noch.
Nietzsche hat seine absolute Tiefe erreicht, als er auf dem Bett lag und liebeskrank: "LouLouLouLouLouLouLou..." murmelte.

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Deswegen erscheint mir deine Aussage, du habest Platons 'Welt der Ideen' gesehen als suspekt. Vor allem, da du voranstellst, dass du Zen-Buddhist bist. Das soll keine Provokation sein, aber es scheint mir doch widersprüchlich.
Nach meinem Wissen gibt der Zen-Buddhismus keine Antworten. Auch beschäftigt er sich eher mit Platons 'Welt der Erscheinung', dem Unmittelbaren. Zudem ist das Finden der Erkenntnis hier etwas subjektives, etwas, dass also zum einen kaum absolut sein kann und zum anderen etwas, das mich keineswegs betreffen kann. Allerdings bin ich, anders als du, kein Insider, so dass ich dazu leider nur wenig sagen kann.
Wenn alles Leer ist, dann sind Antworten natürlich eitel und das Fundament hinter den Erscheinungen (die Stufe, in welche Platon und Plotin die Ideen setzen würden) Nichts. In gewissem Sinne hat man als Zen-Buddhist durch den Einblick ins Nichts das Äquivalent zu Platons Ideenwelt gesehen, nämlich das Fundament, auf dem die Erscheinungen basieren.

Die Antworten, die man aus dem Zen-Buddhismus bekommt sind natürlich präpariert durch die Fragen die man stellt. Und der Katalog an Fragen ist Kanonisch festgelegt. Das ist ein wenig, wie die Wahrheit in Büchern zu suchen.