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Thema: Aufschrei der Liebe (Gedicht)

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Zitat Zitat
    Zur Form:
    Ein Gedicht muss nach der Definition, die ich gelernt habe, folgendes erfüllen:
    1.) Verse (sind gegeben!)
    2.) es darf nichts szenisch ablaufen, also kein Rollenspiel wie in einem Drama (ist gegeben!)
    Hast du die freien Versformen mal studiert? Jeder schreibt heutzutage freie Verse aber mir scheint, keiner hat eine Ahnung, was dahinter steckt. Beweis mir jetzt das Gegenteil.

  2. #2
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Hast du die freien Versformen mal studiert? Jeder schreibt heutzutage freie Verse aber mir scheint, keiner hat eine Ahnung, was dahinter steckt. Beweis mir jetzt das Gegenteil.
    Für freie Verse gibt es sicherlich keine stringente Definition. Ich persönlich mag den freien Spielraum, der einem für Sachen wie Stilmittel gegeben ist. Dadurch werden Allegorien und Metaphern imo deutlicher hervorgehoben als bei metrisch einwandfreien Versen.

    In den Flüssen nördlich der Zukunft
    werf ich das Netz aus, das du
    zögernd beschwerst
    Mit von Steinen geschriebenen Schatten.

    (Celan)

    Dieses Gedicht bietet einem einen nahezu zwanglosen Deutungsansatz, den es beispielsweise bei Dichtern wie Hesse in dieser Form nicht gibt. Sicherlich könnte man Celans Vergangenheit als verknüpfendes Mittel für einen Interpretationsversuch in betracht ziehen, aber es gibt keinen zwingenden Anlass dies zu tun. Zieht man die Deutung aus dem Text selber, hat der Rezipient so viel Freiraum, dass er irgendwann kirre wird. Ich kenne keinen besseren Dichter, der absolute Metaphern in der Form wie Celan verwendet, sich aber gleichzeitig strikt an das metrische System hält.

    Gewiss spielen da persönliche Vorlieben von Dichtern ebenfalls eine Rolle. Ich habe hier meinen eigenen Geschmack wiedergegeben. Andere sehen dies sicherlich anders. Berechtigt. Ich erhebe hier keine Ansprüche oder dergleichen.

  3. #3
    Aber weißt du, die haben einen Ursprung und eine Motivation und die verbietet, dass man einfach so daherschreibt. Wenn du schreiben willst wie Bukovsky, dann setzt dich mal mit amerikanischen freien Versen auseinandern.

    Whitman, Williams Carlos William, Ezra Pound (besonders er und der Imagismus haben Williams und seine Nachfolger beeinflusst), T.S. Eliot, Jack Kerouac, Gregory Coros und Allen Ginsberg - das sind Leute, deren Theorie und Motivation du zumindest kennen solltest. Es ist nämlich nicht so, als ob sie total strukturlose Verse propagiert hätten.
    Williams entwickelte einen speziellen Dreischritt, der seiner Meinung nach den Idom des Amerikanischen widergab, Ginsberg nutzte diesen für Howl. Jack Kerouac und Ginsberg brachten das Musikalische in die Lesung zurück, indem sie die Zeilen nach Atemlängen strukturierten, wie es der Jazz mit seinen Abschnitten tat. Darum wurden sie später so oft mit Musikbegleitung gelesen.

    Whitman nahm die St. James Bible als Struktur für seine extrem freien Leaves of Grass und T.S. Eliot hat strickt durchgearbeitete Metaphern als Ordnungselement, wenn ich mich recht entsinne.

    Die Form ist frei, ja, aber nicht so frei, dass die Struktur den Bildern untertan ist. Man macht keine schlechte Collage, sondern Poesie. In dieser Form ist Perfektion alles.

  4. #4
    Zitat Zitat von Gonzo Beitrag anzeigen
    In den Flüssen nördlich der Zukunft
    werf ich das Netz aus, das du
    zögernd beschwerst
    Mit von Steinen geschriebenen Schatten.

    (Celan)
    Celan versteht sich hier aber darauf, jedem Vers ein eigenes, ganz persönliches Bild zu verpassen. Der anscheinliche Bruch in der Satzstruktur ist mit verfrorerem Kalkül gesetzt und lässt, wie du schon sagst, Spielraum zur Interpretation.
    Hier ist es auch Poesie, die Zusammensetzung des Gesamtbildes in der Strophe aus den Einzelbildern der Verse. Nun schau aber mal 4 Zeilen deines Textes an:

    Zitat Zitat
    Nie wieder falle ich auf die Heuchelei
    dieser Persönlichkeiten herein. Ihrer
    verzweifelten Suche nach Liebe
    entgegne ich nun tiefen Hass
    gegenüber ihrem Verhältnis.
    Erstes Bild wird angerissen, Bruch
    Bild wird zuendegeführt, ein Satzpartikel, Bruch
    Bild wird fortgeführt, Bruch
    Bild wird fortgeführt, Bruch
    Bild wird vollendet, Bruch...

    Das Problem ist, dass du von Vornherein in Sätzen sprichst, was dir die Bildhaftigkeit vollkommen versagt. Im Übrigen hackst du das ganze doch auch selber in so ziemlich zufällige Abschnitte... beispielsweise versteh ich nicht, wo du einen künstlerischen Ansatz dafür finden könntest, dass bei
    Zitat Zitat
    dir wie zu einem Ausgangspunkt, an
    dem sie sich besseres erhoffen. Der
    "an" und "der" am Ende von unvollendeten Satzausschnitten stehen müssen. Für meine Begriffe entbehrt das nur der Lesbarkeit (ist nicht so böse gemeint, wie es klingt =3 ).
    Bei Celan ist dieser Ansatz von vornherein klar und ich käme als Laie nicht einmal auf die Idee, zu fragen, warum er so schreibt, wie er schreibt. Aber warum machst du denn solche abrupten Zeilensprünge?

    Und was mehr hält: Warum keine durch und durch stilistische Sprache, wenn schon nichts anderes als Gedicht ausweist? Denn du hast recht: Bei Celan hab ich Deutungsraum von hier bis nach Mexiko - bei deinem Gedicht hingegen wird mir das Thema schon auf die Nase gebunden (mal abgesehen davon, dass es rein vom Inhalt her nichts Poetisches hergibt).


    PS: Ich weiß, das ist eine sehr subjektiv geprägte Frage und vermutlich auch dem Umstand unterlegen, dass der Typ einem ständig bei diesem grausamen "Dead Poets Society"-Zeug vor die Füße läuft, aber:
    Warum zählt man Whitman eigentlich noch zu guten und lesenswerten Dichtern?

    Geändert von Mordechaj (17.06.2008 um 19:01 Uhr)

  5. #5
    Ich begreife jetzt, was das Problem mit meinen Versen ist. Dein Beispiel, Eynes'Prayer, zeigt mir, dass ich überhaupt keine Struktur in meinen Versen habe, sondern meinen Satz einfach "willkürlich" auseinander geschnibbelt habe. Ich werde Ianus' Rat befolgen und mich mal mit amerikanischen Gedichten auseinandersetzen. So wie mein Gedicht jetzt dasteht, kann es nicht dastehen. Da tun mir selber, ehrlich gesagt, auch die Augen von weh. xD

    Danke für eure Hilfe.

  6. #6
    Zitat Zitat von Eynes'Prayer Beitrag anzeigen
    PS: Ich weiß, das ist eine sehr subjektiv geprägte Frage und vermutlich auch dem Umstand unterlegen, dass der Typ einem ständig bei diesem grausamen "Dead Poets Society"-Zeug vor die Füße läuft, aber:
    Warum zählt man Whitman eigentlich noch zu guten und lesenswerten Dichtern?
    Weil er Sex mit einem Busfahrer hatte.

    Ich meine, für Amerikaner gelten da andere Maßstäbe, glaube ich, aber für Europäer ist er ein Witz. Dieses pseudoromantische Thoreauesque nackt durch die Amerikanische Landschaft laufen und NO U!-Rufen ist angebracht für eine junge Nation. Allerdings hat er immer noch recht, wenn er sagt, dass man für Gedichte die aktuelle Sprache seiner Zeit verwenden sollte, und nicht pseudo-Idome aus der Vorzeit und aus schlechten Popsongs.

    Ich finde die sarada kinenbi immer noch so berührend, gerade weil sie in höchst alltäglicher Sprache sprechen und Element of Crime sind gut geworden, als sie aus dem Recycling amerikanischer Popkultur ausstiegen. Du solltest mal ihre alten, englischen Songs hören - purer Kinostumpfsinn in der Poesie.

  7. #7
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Weil er Sex mit einem Busfahrer hatte.

    Ich meine, für Amerikaner gelten da andere Maßstäbe, glaube ich, aber für Europäer ist er ein Witz. Dieses pseudoromantische Thoreauesque nackt durch die Amerikanische Landschaft laufen und NO U!-Rufen ist angebracht für eine junge Nation. Allerdings hat er immer noch recht, wenn er sagt, dass man für Gedichte die aktuelle Sprache seiner Zeit verwenden sollte, und nicht pseudo-Idome aus der Vorzeit und aus schlechten Popsongs.
    Das ist wahr =3. Allerdings finde ich gerade dieses Pseudoromantische so störend (Gott, das Wort trifft's wirklich von oben bis unten...) - er benutzt vollkommen unschöne Bilder und erzählt ein bisschen wie ein Laie... Da gefällt mir selbst Goethe besser, der verstand wenigstens, was er tut, auch, wenn er's irgendwie so typisch deutsch-stockig gemacht hat.
    Naja, wie gesagt; kann an den Dead Poets liegen, die von ähnlich unehrlicher Qualität sind.

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